Rätsel um weiße Flecken auf Ceres gelöst
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
10. Dezember 2015
Seit Monaten rätseln Wissenschaftler, um was es sich bei den
eigentümlichen hellen Flecken handeln könnte, die die NASA-Sonde Dawn
an verschiedenen Stellen des Zwergplaneten Ceres entdeckt hat. Nun ist das
Geheimnis der hellen Flecke gelüftet: Offenbar handelt es sich um eine Mischung
aus Wassereis und Mineralsalzen. Das Vorhandensein von Wasser ist dabei
besonders interessant.

Ein perspektivischer Blick auf den Occator-Krater auf dem
Zwergplaneten Ceres. Bild:
NASA / JPL-Caltech /UCLA / MPS / DLR / IDA [Großansicht] |
Über dem hellsten Fleck auf der Oberfläche des Zwergplaneten Ceres im Occator-Krater
liegt bei Sonneneinstrahlung ein dünner Nebel. Das belegen jetzt vorgestellte
Aufnahmen des wissenschaftlichen Kamerasystems an Bord der NASA-Raumsonde
Dawn. Der Nebel deutet darauf hin, dass sich nahe der Oberfläche gefrorenes
Wasser befindet, welches durch Öffnungen emporsteigt.
Ein wesentlicher Bestandteil der hellen Flecken im Occator-Krater sind
wahrscheinlich hydrierte Magnesiumsulfate, eine Klasse von Mineralsalzen. Viele
der anderen hellen Flecken auf der Ceres-Oberfläche bestehen wahrscheinlich
inzwischen ausschließlich aus ausgetrockneten Mineralsalzen. Die neuen
Ergebnisse zeigen, dass gefrorenes Wasser seit der Geburtsstunde des
Sonnensystems nicht nur in seinen entlegenen Tiefen überdauern konnte, sondern
auch im vergleichsweise nahen Asteroidengürtel.
Eine unsichtbare Grenze verläuft zwischen den steinigen Planeten des inneren
Sonnensystems und den Gasriesen weiter außen. Vor etwa 4,5 Milliarden Jahren
verdampften Wasser und andere leichtflüchtige Stoffe aus der Nachbarschaft der
Sonne und ließen die inneren Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars als steinige,
trockene Welten zurück. Nur fern der Sonne konnten sich diese Stoffe halten. In
den Gasplaneten und ihren Eismonden existieren sie bis heute. Auch das irdische
Wasser ist ein späterer Zuwanderer aus dieser entlegenen Region. Doch wo genau
verläuft die sogenannte "Eislinie" heute und wo lag sie früher? Wo im
Sonnensystem konnte gefrorenes Wasser überdauern?
Antworten auf diese Fragen sucht die NASA-Raumsonde Dawn im
Asteroidengürtel, einer Region zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter,
die von unzähligen kleineren und größeren Brocken bevölkert ist. Schon Anfang
des Jahres in der Anflugphase auf Ceres beflügelten helle Flecken auf der
Oberfläche des mit einem Durchmesser von etwa 950 Kilometern größten Objekts des
Asteroidengürtels die Phantasie von Wissenschaftlern und Laien.
Handelte es sich um freiliegendes Eis? Oder waren es doch "nur" Salze, die
den hellen Flecken ihre hohe Reflektivität verliehen? "Wir sehen aktuell
wahrscheinlich Überreste eines Verdunstungsprozesses, der an verschiedenen
Stellen verschieden weit fortgeschritten ist. Möglicherweise handelt es sich
dabei um das Endstadium einer vormals noch aktiveren Periode", erklärt nun
Andreas Nathues vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS), der
wissenschaftliche Leiter des Kamera-Teams.
Das Licht, das die insgesamt mehr als 130 hellen Flecke ins All reflektieren,
unterscheidet sich deutlich von dem aus anderen Regionen. So enthält es
beispielsweise einen größeren Anteil an blauem Licht. Das zeigen Auswertungen
der Kameradaten, die mit Hilfe verschiedener Farbfilter aufgenommen wurden.
"Vergleiche mit verschiedensten Materialien, die wir im Labor untersucht haben,
deuten darauf hin, dass sich dort auch hydrierte Magnesiumsulfate finden", so
MPS-Kollege Martin Hoffmann. Solche Minerale kommen auch auf der Erde vor –
nicht selten am Rande von Salzseen.
Der Occator-Krater sticht zusätzlich hervor. Der zentrale Fleck im innersten
Teil des Kraters ist deutlich heller als andere helle Bereiche auf der
Oberfläche. Er liegt in einer Art "Krater im Krater" mit einem Durchmesser von
etwa zehn Kilometern und einer Tiefe von einem halben Kilometer. "Auf einigen
unserer Aufnahmen lässt sich zudem ein Schleier über dem Kraterboden erkennen",
beschreibt Nathues. Der Schleier tritt in einem täglichen Rhythmus immer dann
auf, wenn Sonnenlicht den Kraterboden erreicht. "Offenbar verdampft dort Wasser
und trägt kleine Teilchen mit sich", so Nathues.
Der Prozess erinnere an das Ausgasen von Kometen, verlaufe aber zurzeit eher
beschaulich und nicht-eruptiv. "Es ist eine Art langsames Ausdünsten", ergänzt
Nathues. Hinweise auf gefrorenes Wasser auf Ceres gab es seit Jahren. So ist
etwa die Dichte des kugelförmigen Körpers für ein rein steinig-metallisches
Innenleben zu niedrig. Anfang vergangenen Jahres entdeckten Forscher um Michael
Küppers von der Europäischen Weltraumagentur (ESA) mit dem Weltraumteleskop
Herschel Wasserdampf in der Umgebung von Ceres. Anders als bei den neuen
Messungen zeigte sich das Gas jedoch nicht räumlich aufgelöst, sondern nur als
Absorptionslinie in einem Spektrum.
Dawn erlaubt nun einen genaueren Blick auf Ceres. Die jetzt
veröffentlichten Messungen entstanden zum Teil aus einer Entfernung von etwa
1.470 Kilometern - in kosmischen Maßstäben ein Katzensprung. "Ceres’ Salze
treten an der Oberfläche stark lokalisiert auf", so Hoffmann. Fast alle Fundorte
liegen in oder in der Nähe von größeren und kleineren Kratern.
Der eishaltige Occator-Krater ist dabei ein besonders junges Exemplar. Der
scharfkantige Kraterrand und die wenigen Einschläge am Boden des Kraters legen
nahe, dass er vor etwa 78 Millionen Jahren entstanden ist. Auch die zweithellste
Struktur auf der Ceres-Oberfläche, der Oxo-Krater, der vor wenigen Wochen noch
nicht benannt war und in der Studie deshalb als "Feature A" bezeichnet wird, ist
vergleichsweise jung und könnte ebenfalls Eis enthalten.
"Die plausibelste Interpretation unsere Ergebnisse ist, dass sich unter der
Oberfläche von Ceres zumindest stellweise eine Mischung aus Eis und Salzen
erstreckt", so Nathues. Einschläge von mittelgroßen Asteroiden können dieses
Material freilegen. Das Eis verdampft nach und nach, bis das Salz und
Schichtsilikate aus der Umgebung zurückbleiben. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass
sich unterirdisches Eis möglicherweise auch im vergleichsweise sonnennahen
Asteroidengürtel halten konnte", so Nathues. "Die oberflächliche Gesteinsschicht
schützt es vor dem Einfluss der Sonne."
Nur etwa 414 Millionen Kilometer trennen den Zwergplaneten Ceres von unserem
Zentralgestirn. Der Jupiter mit seinen wasserspuckenden Eismonden befindet sich
fast doppelt so weit entfernt; die wasserreichen Kometen verbringen den Großteil
ihres Daseins noch weiter draußen am Rande des Sonnensystems. Und möglicherweise
ist Ceres nicht das einzige größere sonnennahe Eisreservoir im Sonnensystem.
Spektrale Beobachtungen des großen Asteroiden Pallas, der in einer
vergleichbaren Entfernung wie Ceres um die Sonne kreist, legen nahe, dass die
Oberflächen beider Körper ähnlich zusammengesetzt sind.
Die Raumsonde Dawn startete im September 2007 auf ihre Reise in den
Asteroidengürtel, der zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter liegt. Im
Jahre 2011 erreichte die Mission den Asteroiden Vesta; mehr als ein Jahr lang
begleitete die Sonde den Körper. Am 6. März dieses Jahres schwenkte Dawn
in eine Umlaufbahn um den Zwergplaneten Ceres ein und dringt seit dem Schritt
für Schritt in immer tiefere Umlaufbahnen vor. Die tiefste wird voraussichtlich
Mitte Dezember erreicht und danach mindestens bis Juni nächsten Jahres
beibehalten. Nur 375 Kilometer werden Dawn dann von der
Ceres-Oberfläche trennen.
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