Abschied vom Asteroiden Vesta
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) astronews.com
31. August 2012
In der kommenden Woche wird die Sonde Dawn den
Orbit des Asteroiden Vesta verlassen und die Reise zum Zwergplaneten Ceres
antreten, den Dawn im Februar 2015 erreichen soll. Die Sonde hatte
Vesta über ein Jahr lang aus dem Orbit untersucht. Die dabei gewonnenen Daten
dürften die Wissenschaftler noch viele Jahre beschäftigten. Das Kamerasystem von
Dawn stammt aus Deutschland.

Die Sonde Dawn
hatte den Asteroiden Vesta Mitte Juli 2011
erreicht und seitdem umrundet. Am 5. September
soll sie den Orbit wieder verlassen.
Bild: NASA / JPL-Caltech |
Der Asteroid Vesta, den die Raumsonde Dawn seit Juli 2011 mit einem deutschen Kamerasystem an Bord umkreiste, hat die Wissenschaftler ins Staunen gebracht
(astronews.com berichtete wiederholt). "Die Erwartungen an die Mission wurden mehr als erfüllt", sagt Planetenforscher Prof. Ralf Jaumann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
So untersuchte Dawn ein riesiges Einschlagbecken am Südpol des
Asteroiden, tiefe Furchen um den Äquator, einen Berg, der mehr als doppelt so
hoch wie der Mount Everest ist und stieß auf rätselhaftes dunkles Material an
den Kratern von Vesta.
Jetzt aber heißt es Abschied nehmen: Die Sonde schwenkt Anfang September aus der Umlaufbahn und fliegt weiter zum Zwergplaneten Ceres.
Und auch dieser dürfte den Forschern einiges zu bieten haben. So könnte sich
beispielsweise unter dessen eisiger, von dunklem Kohlenstoff bedeckten Kruste
ein Ozean aus Wasser verbergen.
Das erste Bild von Vesta wurde aus 975.000 Kilometern Entfernung aufgenommen - Vesta war damals nur als kleiner Punkt zu sehen. Mittlerweile haben die Planetenforscher Vesta aus einer Höhe von nur 175 Kilometern beobachten können.
Die dabei gewonnenen Daten ließen bereits manche Rückschlüsse auf die
Beschaffenheit des Asteroiden zu: "Wir wissen zum Beispiel, dass Vesta ein so genannter differenzierter Körper ist, also wie ein Planet in drei Schichten - Kern, Mantel und Kruste - aufgebaut ist", erläutert Jaumann. Zudem haben die spektralen Signaturen des Asteroiden bestätigt, dass eine bestimmte, seltene Sorte von auf der Erde entdeckten Meteoriten von der Vesta stammt.
Vestas Besonderheiten haben die Wissenschaftler zum Staunen gebracht: Gleich zwei Mal wurde der Himmelskörper von einem mächtigen Einschlag an seinem Südpol erschüttert, so dass zwei riesige, sich überlagernde Becken an dieser Stelle entstanden. Rund um den Äquator hat sich durch die Einschläge ein System aus Furchen gebildet. "Dass gleich zwei Mal im Laufe der Zeit so große Kollisionen an ein und derselben Stelle stattfanden, ist sehr ungewöhnlich."
Doch diese erstaunliche Tatsache hat auch für die Wissenschaftler und ihre Forschung Konsequenzen: Statt auf eine intakte Kruste blicken zu können, sehen die Planetenforscher auf ein wahres Trümmerfeld. "Die Einschläge haben die ursprüngliche Kruste zerstört und mit diesen Trümmern zudem Teile der intakten Kruste überdeckt", sagt Jaumann. "Wir sehen also auf Auswurfmassen die gerade einmal ein bis zwei Milliarden Jahre alt sind - und das ist für Planetengeologen verdammt jung. "Wie ein Scherbenhaufen seien Trümmer und Auswürfe fast über den gesamten Asteroiden verteilt. "Diesen Scherbenhaufen müssen wir jetzt wie ein Puzzle zusammensetzen."
Die mehr als 28.000 Bilder, die die deutsche Kamera an Bord während der
bisherigen Mission von Vesta aufzeichnete, zeigen zudem dunkles Material an und
in den zahlreichen Kratern. Woher stammt dieses dunkle Material? Und welche
Prozesse liefen in der Vergangenheit auf dem Asteroiden Vesta ab? "Diese
Beobachtung gibt es uns viele Rätsel auf", so Jaumann.
Auch die große Menge Wasserstoffprotonen, die die Wissenschaftler des Dawn-Teams auf Vesta feststellten, werfen Fragen auf. Ein Teil von ihnen könnte aus dem Sonnenwind stammen - "aber auf Vesta gibt es bedeutend mehr Wasserstoffprotonen, als wir erwartet haben." Auch für die unterschiedlichen, teilweise sehr ungewöhnlichen Kraterformen haben die Planetengeologen noch keine endgültige Erklärung. "Wir gewinnen erst langsam ein Verständnis dafür."
Bis die Geschichte von Asteroid Vesta erklärt werden kann, werden noch Generationen von Forschern mit den bisher gewonnenen Daten arbeiten, schätzt Jaumann. "Wir haben bisher nur an der Oberfläche gekratzt." In dem einen Jahr, in dem
Dawn um Vesta kreiste, haben die Wissenschaftler des DLR die gesamte Oberfläche des Asteroiden vermessen und kartiert.
Auch wenn Vesta kleiner ist als ein Planet, ist die Schnelligkeit mit der die Geologen, Physiker und Photogrammeter des DLR diese Vermessungsaufgabe durchgeführt haben ein Rekord für sich. Nun sollen die Erkenntnisse zur Topografie mit Ergebnissen beispielsweise von Gravitations- und Spektralmessungen im Zusammenhang betrachtet werden. "Es gibt noch sehr viele Fragen, die wir noch nicht beantwortet haben."
Mit dem Flug zu Ceres, dem größten bisher entdeckten Asteroiden, der erst vor kurzem von der Internationalen Astronomischen Union den Status eines Zwergplaneten erhalten hat, beginnt ein neues Kapitel der
Dawn-Mission. Erstmals wird eine Raumsonde den Orbit eines Körpers verlassen, um anschließend einen weiteren Himmelskörper anzufliegen und aus dessen Umlaufbahn zu beobachten.
Das Verlassen des Vesta-Orbits ist für den 5. September geplant, bis dahin wird
die Sonde allmählich den Abstand zum Asteroiden immer weiter vergrößern.
Dawn verfügt über ein Ionentriebwerk, das einen deutlich geringeren Schub
als herkömmliche Triebwerke liefert, diesen aber für lange Zeit aufrecht erhalten kann.
Im Februar 2015 soll Dawn an ihrem neuen Ziel, 415 Millionen Kilometer
entfernt von der Sonne, ankommen. Dabei ist Ceres ein Objekt, wie es kaum
gegensätzlicher zu Vesta sein könnte: Statt einer festen Gesteinskruste wie bei
Vesta wird Ceres über seinem inneren Gesteinskern eine Außenschicht aus Eis
besitzen. In dieser Schicht könnte auch Wasser enthalten sein. Eventuell könnte
der Zwergplanet auch eine hauchdünne Atmosphäre haben. "Bisher ist noch nie ein
Raumschiff in einer Umlaufbahn um solch einen Körper gekreist", betont Jaumann.
Die Mission Dawn wird vom Jet Propulsion Laboratory der amerikanischen
Weltraumbehörde NASA geleitet. Die University of California in Los Angeles ist für den wissenschaftlichen Teil der Mission verantwortlich. Das Kamerasystem an Bord der Raumsonde wurde unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau
in Zusammenarbeit mit dem Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums
für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin und dem Institut für Datentechnik und
Kommunikationsnetze in Braunschweig entwickelt und gebaut.
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