Asteroid mit Merkmalen eines Planeten
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
11. Mai 2012
Der Asteroid Vesta, der seit Sommer des vergangenen Jahres von der
NASA-Sonde Dawn umkreist wird, weist zahlreiche Eigenschaften eines
Planeten auf. Dies ist nur eines von zahlreichen Ergebnissen der
Mission, die jetzt im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlicht
wurden. Eine wichtige Rolle bei der Erforschung von Vesta spielt das
in Deutschland entwickelte Kamerasystem.

Eine der auffallendsten Strukturen auf Vesta
sind drei Einschlagskrater unterschiedlicher
Größe, die in Form eines Schneemannes angeordnet
sind.
Bild: NASA / JPL-Caltech / UCLA / MPS /
DLR / IDA [Großansicht] |
Zum "richtigen" Planeten hat es nicht ganz gereicht, aber Vesta weist
zumindest zahlreiche Eigenschaften eines Planeten auf. Das ist eines der
herausragenden Resultate der NASA-Mission Dawn, die heute im
amerikanischen Wissenschaftsmagazin Science veröffentlicht
wurden. Die Raumsonde Dawn umkreist Vesta seit dem 16. Juli
2011. Vesta ist, nach dem Zwergplaneten Ceres und dem Asteroiden Pallas,
das drittgrößte Objekt im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter und
zugleich die zweitmassereichste.
"Vesta hat mehr Ähnlichkeit mit dem Mond als mit anderen Asteroiden",
erklärt Professor Ralf Jaumann vom DLR-Institut für Planetenforschung in
Berlin-Adlershof. "Ihr innerer Aufbau, die Vielzahl geologischer
Oberflächenformen, die unterschiedliche Zusammensetzung und vor allem
die durch Materialverlagerungen veränderte Oberfläche sprechen für eine
dynamische, langanhaltende, planetenähnliche Entwicklungsgeschichte."
Jaumann leitet das Dawn-Wissenschaftsteam des Deutschen Zentrums
für Luft- und Raumfahrt (DLR), das an der amerikanischen Mission
beteiligt ist. Der Planetengeologe ist einer der Erstautoren der Serie von
Veröffentlichungen der amerikanisch-deutsch-italienischen Forschergruppe
in Science. Die DLR-Planetenforscher werteten hierfür die
Bilder eines Kamerasystems aus, das - mit DLR-Förderung - vom
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung gemeinsam mit dem DLR für
Dawn entwickelt wurde.
"Diese Kamera liefert seit dem 6. August 2011, als wir mit der
systematischen Kartierung begonnen haben, perfekte, hoch aufgelöste
Bilder von Vesta", freut sich Jaumann. "Völlig unerwartet war die
Entdeckung von ein paar Dutzend mehrere hundert Kilometer langen
Furchen, die, wie mit einem gigantischen Pflug gezogen, zum einen
parallel zum Äquator, zum anderen schräg dazu verlaufen. Und dann
entdeckten wir neben einem vorher schon vermuteten riesigen
Einschlagsbecken nahe des Südpols auch die Spuren einer ebenso großen,
aber noch älteren Kollision." Die Forscher um Jaumann sind sich sicher,
dass diese beiden Mega-Einschläge die Ursache für die Furchen am Äquator
von Vesta sind. Inmitten dieser Becken erhebt sich ein Zentralmassiv,
das weit über 20 Kilometer hoch ist.
Die Vermessung der Körper des Sonnensystems gehört zu den weltweit
anerkannten Expertisen des DLR-Instituts für Planetenforschung. Die
Wissenschaftler haben auf der Grundlage von Stereo-Bilddaten
dreidimensionale globale Geländemodelle von Vesta erstellt, die
maßgeblich zum Verständnis des inneren Aufbaus dieses Asteroiden und der
Strukturen auf der Oberfläche beigetragen haben. Die bis zu 15 Meter
genauen Geländemodelle und daraus abgeleiteten Karten sind die Grundlage
für die detaillierte Erforschung Vestas durch das internationale
Dawn-Wissenschaftsteam. Die Mission Dawn soll helfen,
fundamentale Fragen zur frühen Entwicklung der Planeten zu klären.
"Vesta war wahrscheinlich sogar einmal größer als heute", erklärt
Professor Chris Russell, verantwortlicher Wissenschaftler der Dawn-Mission
von der University of California in Los Angeles. "Durch
Kollisionen wurden riesige Bruchstücke aus diesem Protoplaneten
weggesprengt. Dennoch war Vesta groß genug, um zu 'differenzieren', also
einen metallischen Kern auszubilden, der von einem Gesteinsmantel
umgeben ist."
Dieses Szenario wurde bisher nur vermutet, konnte aber nun durch eine
mineralogische Analyse der Oberfläche von Vesta bestätigt werden: Die
Beobachtungen mit der deutschen Spezialkamera und die Messungen mit den
amerikanischen und italienischen Spektrometern an Bord von Dawn
zeigen eine Übereinstimmung mit der Zusammensetzung von seltenen
Meteoriten, die auf der Erde gefunden wurden.
Diese "HED"-Meteoriten - benannt nach den Anfangsbuchstaben der drei
Steinmeteoriten-Sorten Howardit, Eukrit und Diogenit - stammen ebenfalls
von einem differenzierten Asteroiden-Mutterkörper und haben eine "heiße"
Vergangenheit hinter sich, waren also wenigstens zum Teil bei ihrer
Entstehung geschmolzen. Zweimal schlug an Vestas Südpol ein großer
Körper ein und sprengte viele Tausend Kubikkilometer Gesteinsbrocken ab.
Diese folgen jetzt als so genannte Vestoide der Bahn von Vesta. "Zurück
blieben zwei sich gegenseitig fast überdeckende Einschlagsbecken, die
nach den Priesterinnen Rheasilvia und Veneneia der römischen Göttin
Vesta benannt wurden", erklärt Russell. "Bruchstücke von Vesta und der
Vestoiden sind dann als HED-Meteoriten ins All geschleudert worden, und
manche Brocken landeten schließlich auf der Erde."
Erst auf den topographischen Karten der DLR-Forscher wurde
offensichtlich, dass Vesta zweimal besonders schwer getroffen wurde.
"Vesta hat in seiner Geschichte einiges aushalten müssen", so Jaumann. "Veneneia,
das ältere Becken, hat schließlich auch einen Durchmesser von 400
Kilometern. Die enorm bewegte Topographie und die extrem steilen Berg-
und Kraterwände zeigen, dass der Asteroid unter seiner obersten
Staubschicht aus massivem Gestein besteht."
Die gewaltigen Einschläge erschütterten Vesta durch und durch. Ausdruck
dieser Asteroidenbeben sind mehrere Dutzend gewaltige Furchen, die
entlang des Äquators verlaufen. "Es lässt sich ein eindeutiger
geometrischer Bezug zum jeweiligen Zentrum der Einschlagsbecken Rheasilvia und Veneneia herstellen. Zugleich zeigt die Entstehung
mehrerer hundert Kilometer großer Becken und globaler Strukturen, dass
bei den kosmischen Kollisionen der gesamte Körper von Vesta bis zur
Belastungsgrenze erschüttert wurde", analysiert Jaumann die Ergebnisse.
Doch Vesta bleibt rätselhaft: Auf der Oberfläche wurden keine Strukturen
identifiziert, die eindeutig auf Vulkanismus hindeuten, obwohl dies
theoretisch zu erwarten ist. "Das kann aber auch daran liegen, dass die
Oberfläche von einer dicken Schutt- und Staubschicht, dem Regolith,
bedeckt ist, der erst nach und nach durch das Meteoritenbombardement
entstanden ist und Spuren eines frühen Vulkanismus überdeckt", vermutet
Jaumann. Einige Flächen mit auffallend dunklem Material könnten zwar auf
Vulkanismus hindeuten. Es könnte aber auch sein, dass es sich um eine
Substanz handelt, die reich an Kohlenstoff ist und von Kometen oder
Asteroiden dorthin verfrachtet wurde.
Die Wissenschaftler haben nun noch bis Ende August Zeit, weitere
Geheimnisse von Vesta zu lüften. Dann wird Dawn den Orbit
um den Asteroiden verlassen und das nächste Ziel der Mission im
Asteroidengürtel ansteuern: den Zwergplaneten Ceres.
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