Artemis I, Bilder von James Webb und das Schwarze Loch der Milchstraße
von Stefan Deiters astronews.com
30. Dezember 2022
Traditionell blickt astronews.com am Ende eines
Jahres zurück auf einige herausragende Ereignisse aus Astronomie, Astrophysik
und Raumfahrt aus den vergangenen zwölf Monaten - in diesem Jahr bereits zum
24. Mal. Und wieder gab es einiges zu berichten, etwa über die erste Ansicht des Schwarzen Lochs der Milchstraße,
die Artemis-I-Mission und die
ersten Bilder von James Webb.

Machten 2022 Schlagzeilen: das James Webb Space Telescope,
das Schwarze Loch der Milchstraße, Artemis I und
DART. Bilder:
ESA / ATG medialab (JWST), EHT Collaboration (Sgr
A*), NASA / Johns Hopkins APL (DART), NASA
(Artemis I) |
Im Fokus aller Astronomieinteressierten stand zu Jahresbeginn das gerade
gestartete James Webb Space Telescope, das Ende Januar
seinen Einsatzort erreicht
hat und dort in den folgenden Monaten in Betrieb genommen wurde - und dies ohne die
befürchteten Pannen. Alles verlief nach Plan, so dass im Juli das
erste Farbbild präsentiert
werden konnte: ein tiefer Infrarotblick ins All. In den folgenden Wochen
zeigte James Webb, was es konnte, bildete etwa
einen Exoplanet
direkt ab und lieferte eine
detaillierte Analyse
der Atmosphäre von WASP-39b. Die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler waren begeistert - obwohl man sich an die neuen Instrumente erst
noch gewöhnen musste. Es dürften also auch 2023 zahlreiche spannende Ergebnisse
von James Webb zu erwarten sein.
Doch auch Missionen, die weniger im Blickpunkt der Öffentlichkeit standen,
lieferten beeindruckende Ergebnisse - etwa die europäische Astrometriemission
Gaia, mit der die Sterne unserer Milchstraße mit hoher Genauigkeit vermessen und
kartiert werden. Dieser Datenschatz erlaubt ganz neue Erkenntnisse über die
Entstehung und Entwicklung unserer Heimatgalaxie, wie auch 2022 deutlich wurde:
So identifizierte ein Team eine Verschmelzung namens Pontus
in der Vergangenheit, fand Neues über die
bewegte
Jugendzeit unserer Heimatgalaxie und entdeckte
einen innerer Ring
aus metallreichen Sternen sowie das
arme alte Herz unserer
Milchstraße. Außerdem spürte man mit Gaia-Daten
das nächstgelegenes Schwarzes
Loch auf.
Natürlich standen 2022 auch wieder Welten um andere Sonnen im Fokus der
Wissenschaft: Mehr als
5000 extrasolare Planeten sind inzwischen bekannt und darunter gibt es
einige ganz besondere Exemplare: So fielen in diesem Jahr die
exotische Atmosphäre von WASP-189b,
das eigentümliche Wetter
auf WASP-121 b und zwei Supererden um
den nahen
Stern HD 260655 auf. Um
Proxima Centauri, den
sonnennächsten Stern, entdeckte man Hinweise auf einen dritten
Planeten.
Die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die
Ukraine waren auch in
Raumfahrt und Wissenschaft zu spüren. Die ESA und auch das Deutsche Zentrum
für Luft- und Raumfahrt beendeten ihre Kooperation mit der
russischen Raumfahrtagentur
und anderen Einrichtungen in Russland,
was konkrete Folgen etwa für die europäisch-russische Marsmission ExoMars
und das Röntgenteleskop eROSITA hatte. Die zu Beginn des Krieges von offizieller russischer Seite geschürten Ängste vor einem
vorzeitigen Ende der Internationalen Raumstation ISS erwiesen sich als
unbegründet: Der
ISS-Betrieb lief praktisch unverändert weiter.
An Bord der ISS war zu Jahresbeginn noch der deutsche ESA-Astronaut Matthias
Maurer, der im März seinen ersten Außenbordeinsatz
absolvierte und im Mai zur Erde
zurückkehrte. Zuvor hatte die italienische ESA-Astronautin
Samantha Cristoforetti ihren
zweiten ISS-Aufenthalt begonnen und wurde während ihres Aufenthalts auch
erste
europäische ISS-Kommandantin.
Schlagzeilen machte auch wieder das Event Horizon Telescope, von dem im Mai
die erste Ansicht von Sagittarius A*
(kurz: Sgr A*, also das massereichge Objekt im Zentrum unserer Milchstraße)
veröffentlicht wurde. Das Bild ähnelte dem, das das Team 2019 vom Schwarzen Loch
in Messier 87 veröffentlicht hatte. Es gilt als ein weiterer eindrucksvoller
Beweis dafür, dass es sich bei dem Objekt Sgr A* im Milchstraßenzentrum
tatsächlich um ein Schwarzes Loch handelt.
Schlagzeilen machte 2022 auch die NASA mit ihrer Artemis-Mission, in deren
Rahmen wieder Menschen auf dem Mond landen sollen. Monatelang (oder besser:
jahrelang) hatte man auf den
ersten Testflug gewartet, der ohne Besatzung an Bord um den Mond führen sollte.
Im November gelang schließlich
der Start von Artemis I und die Mission endete einige Wochen
später mit einer Wasserung im
Pazifik. Derweil sucht man bei der NASA schon nach
möglichen
Landeregionen für Artemis III.
Abschied nehmen hieß es 2022 vom Mars-Lander
InSight: Die NASA erklärte die Mission für beendet,
nachdem die Solarzellen des Landers nicht mehr ausreichend Energie liefern
konnten. Mehrere Jahre lang hatte InSight wichtige Daten über den
Aufbau des Roten Planeten geliefert und dabei sogar
Meteoriteneinschläge
auf dem Mars registriert. Die Missionen der Rover Perseverance und
Curiosity liefen 2022 weiter. Besonders die deutsche Astronomie trauerte
2022 um SOFIA: Die NASA verkündete das Aus für die Sternwarte im
Jumbojet - eine Entscheidung, die bei
deutschen Wissenschaftlern auf Kritik gestoßen ist.
Die ESA darf künftig mehr Geld für die
Raumfahrt ausgeben und freute sich zudem über Zuwachs für das eigene Astronautenkorps.
Doch nicht alles lief rund für die europäische Raumfahrt: Nach einem
erfolgreichen Jungfernflug
der neuen Vega-C im Juli klappte der erste reguläre Flug der neuen
Trägerrakete im Dezember nicht und die Nutzlast, zwei Satelliten, stürzte ins
Meer. Der erste Start der neuen Ariane-6-Rakete verzögert sich auch immer
weiter.
Was ist noch Berichtenswertes im zu Ende gehenden Jahr passiert? In
Sachsen soll das Deutsche Zentrum für
Astrophysik entstehen,
Hubble
könnte den entferntesten je
beobachteten Stern ins Visier genommen haben und
ALMA hat das größte Molekül in
einer planetenbildenden Scheibe nachgewiesen. Auch ein Einschlag sorgte
für Schlagzeilen, nämlich der von DART auf dem Asteroidenmond Dimorphos.
Beobachtungen von zahlreichen
Teleskopen konnten die Ablenkung des kleinen Mondes bestätigen.
Es ist also möglich, einen Asteroiden abzulenken - wenn man ihn denn früh genug
entdeckt.
Sicherlich wird auch das Jahr 2023 viele interessante und auch überraschende
Nachrichten für diesen Onlinedienst bereithalten. Wir werden in gewohnter Weise
darüber berichten und bedanken uns an dieser Stelle ausdrücklich bei
allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern für ihre faszinierende Arbeit,
durch die eine Nachrichtenseite wie astronews.com erst möglich wird.
Ein besonderer Dank gilt auch unseren Leserinnen und Lesern, insbesondere denen, die unsere Arbeit
auch in diesem Jahr
im Rahmen von "astronews.com
ist mir was wert" mit einem einmaligen oder regelmäßigen Beitrag unterstützt
haben. Wir wissen dies sehr zu schätzen.
Bei allen Leserinnen und Lesern bedanken wir uns für die Treue und
wünschen für das Jahr 2023 alles Gute.
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