Das größte Molekül in planetenbildender Scheibe
von
Stefan Deiters astronews.com
9. März 2022
Mithilfe des Radioteleskopverbunds Atacama Large
Millimeter/submillimeter Array wurde nun um den jungen Stern IRS 48
erstmals Dimethylether in einer Scheibe nachgewiesen, in der sich gerade
Planeten bilden könnten. Es handelt sich um das größte Molekül, das man bislang
in solchen Scheiben nachweisen konnte und gilt als Vorläufer für organische
Moleküle.
Künstlerische Darstellung der planetenbildenden Scheibe um den
Stern IRS 48 (links). Durch Beobachtungen mit dem Atacama
Large Millimeter/submillimeter Array (rechts oben) konnten in
einem Bereich der Scheibe mehrere komplexe organische Moleküle
nachgewiesen werden, darunter Dimethylether (als Modell rechts
unten).
Bild: ESO / L. Calçada, ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)
/ A. Pohl, van der Marel et al., Brunken et al. [Großansicht] |
"Durch diese Ergebnisse können wir mehr über den Ursprung des Lebens auf
unserem Planeten erfahren und bekommen so eine bessere Vorstellung über das
Potenzial für Leben in anderen Planetensystemen", so Nashanty Brunken,
Masterstudentin am Observatorium Leiden, das zur Universität im niederländischen
Leiden gehört. "Wir finden es sehr aufregend zu schauen, wie diese Resultate in
das Gesamtbild passen".
Dimethylether ist ein organisches Molekül, das man schon vielfach in
Molekülwolken nachweisen konnte, allerdings bislang noch nicht in Scheiben um
junge Sterne, in denen gerade Planeten entstehen könnten. Dimethylether besteht
aus neun Atomen und ist damit das größte Molekül, das man bislang in solchen
Scheiben entdeckt hat. Das Team hat außerdem Hinweise auf
Ameisensäuremethylester gefunden, das - genau wie Dimethylether - als Baustein
für größere organische Moleküle gilt. "Es ist wirklich faszinierend, endlich
diese größeren Moleküle in den Scheiben aufzuspüren. Eine Zeit lang dachten wir,
dass es gar nicht möglich ist, sie zu finden", meint Alice Booth, ebenfalls
Forscherin am Observatorium Leiden.
Der Nachweis gelang um den jungen Stern IRS 48 mit dem Radioteleskopverbund
Atacama Large Millimeter/submillimeter Array in der chilenischen
Atacamawüste. Der Stern ist 444 Lichtjahre von der Erde entfernt und befindet
sich im Sternbild Schlangenträger. Er wurde schon mehrfach beobachtet, da
bestimmte Strukturen in der Staubscheibe um den jungen Stern darauf hindeuten,
dass sich hier gerade ein oder mehrere Planeten gebildet haben und noch weitere
Objekte bilden.
Viele komplexe organische Moleküle dürften in Sternentstehungswolken
entstehen, noch bevor die Sterne selbst geboren werden. Angesichts der niedrigen
Temperaturen bleiben Atome und einfache Moleküle hier an Staubkörnern haften,
bilden eine Eisschicht und sind an chemischen Reaktionen beteiligt, durch die
komplexere Molekülen entstehen. In einem Bereich der Scheibe um IRS 48 wird eine
große Menge an mit Eis überzogenen Staubkörnern vermutet und genau in dieser
Region gelang der Nachweis von Dimethylether. Wenn der Stern das Eis erwärmt,
wird es zu Gas und die eingeschlossenen Moleküle werden freigesetzt und können
nachgewiesen werden.
"Was das Ganze noch spannender macht, ist die Tatsache, dass wir jetzt
wissen, dass diese größeren, komplexen Moleküle während der Entstehung von
Planeten in der Scheibe vorhanden sind", unterstreicht Booth. "Das war vorher
nicht bekannt, denn in den meisten Systemen sind diese Moleküle im Eis
verborgen." Damit könnten sich auch zahlreiche weitere komplexere Moleküle, die
man in Sternentstehungsregionen nachweisen konnte, in diesen protoplanetaren
Scheiben verbergen. Diese wären dann auch die Basis für die Entstehung von
Molekülen wie Zucker oder Aminosäuren, die wiederum als Grundbausteine für Leben
gelten.
"Wir freuen uns sehr, dass wir nun beginnen können, den gesamten Weg dieser
komplexen Moleküle von den Wolken, aus denen Sterne entstehen, zu den
planetenbildenden Scheiben bis hin zu den Kometen nachzuvollziehen", so Nienke
van der Marel, eine Forscherin am Observatorium Leiden. "Wir hoffen, dass wir
mit weiteren Beobachtungen dem Verständnis des Ursprungs der präbiotischen
Moleküle in unserem eigenen Sonnensystem einen Schritt näher kommen."
Über die Ergebnisse berichten die Wissenschaftlerinnen in einem Fachartikel,
der in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen ist.
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