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Detaillierte Analyse der Atmosphäre von WASP-39b
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
23. November 2022
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben die
Ergebnisse detaillierter Beobachtungen des Exoplaneten WASP-39b mit dem James
Webb Space Telescope vorgestellt. Die Daten enthüllen die chemische
Zusammensetzung der Atmosphäre so detailliert wie nie zuvor und erlauben
Rückschlüsse auf die Entstehung des fernen Planeten.
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So wie in dieser künstlerischen Darstellung
könnte der Planet WASP-39b in rund 700 Lichtjahre Entfernung
aussehen.
Bild:
NASA, ESA, CSA und J. Olmsted (STScI) [Großansicht] |
Informationen über Wolken, ein nahezu vollständiges chemisches Inventar, das
Hinweise auf die Entstehungsgeschichte des Planeten gibt, erstmals Daten zur
Photochemie – und das sind nur einige der Highlights der jetzt veröffentlichten
Beobachtungen des Exoplaneten WASP-39b mit dem James Webb Space Telescope
(JWST). "Daten wie diese sind ein Wendepunkt", urteilt Natalia Batalha von der
University of California in Santa Cruz, die das Beobachtungsprogramm
koordinierte, das zu den neuen Ergebnissen führte. Die neuen Ergebnisse einer
Gruppe von Astronominnen und Astronomen sind eine Art Testlauf für jene
Methoden, mit denen man hofft, in Zukunft auch einmal Leben auf fernen Planeten
nachweisen zu können – eine Aufgabe für einen Nachfolger des JWST.
In den ersten fünf Monaten des wissenschaftlichen Betriebs arbeitet das JWST
im Rahmen des "Early Release Science Programs" 13 Beobachtungsprogramme ab, die
eine repräsentative Auswahl an Zielen von Objekten des Sonnensystems bis hin zu
den entferntesten Galaxien abdecken und speziell so ausgewählt wurden, dass sie
beobachtenden Astronominnen und Astronomen alle Informationen liefern, die sie
benötigen, um für spätere eigene Beobachtungsvorhaben die Instrumente von JWST
optimal nutzen zu können. Die Daten werden dementsprechend direkt nach Abschluss
der Beobachtungen an die astronomische Gemeinschaft weitergegeben. Ergänzt
werden sie durch "Rezeptbücher" und gezielte Auswertungen, die zukünftige
Beobachtungsplanung erleichtern sollen.
Zu den ausgewählten Zielen zählte mit WASP-39b auch ein extrasolarer Planet,
so dass sich die Forschenden auch von der Leistungsfähigkeit des JWST bei der
Untersuchung der Atmosphären von Exoplaneten überzeugen konnten. Der Planet
ähnelt von der Masse her dem Saturn in unserem Sonnensystem (ob er Ringe
besitzt, wissen wir freilich nicht), wenn auch mit aufgeblähterer Atmosphäre; er
umkreist einen Stern, der nur etwas weniger Masse hat als die Sonne. Das gesamte
System befindet sich in einer Entfernung von etwa 700 Lichtjahren von der Erde.
Für die jetzt veröffentlichten Beobachtungen sind sogenannte
Exoplanetentransits entscheidend. Ein solcher Transit findet statt, wenn ein
Planet, der einen fernen Stern umkreist, von der Erde aus gesehen genau vor der
Scheibe seiner Sonne vorüberzieht. Exoplaneten sind normalerweise zu weit
entfernt, als dass wir bei solcher Gelegenheit im Detail sehen könnten, wie die
kleine dunkle Scheibe des Planeten vor der hellen Scheibe des Sterns
vorbeizieht. Was man jedoch beobachten kann, sind Helligkeitsveränderungen.
Schließlich bewegt sich der Planet ja beim Transit vor seinen Stern und schattet
damit einen Teil des Sternenlichts ab.
Von Mitte bis Ende Juli 2022 wurden nun vier verschiedene Transits von
WASP-39b beobachtet. Dabei kamen drei der vier wissenschaftlichen Instrumente
des Weltraumteleskops zum Einsatz: NIRCam und NIRISS für jeweils einen Transit,
und außerdem noch zwei Transits, die mit zwei verschiedenen Betriebsarten von
NIRSpec beobachtet wurden. Bei den Helligkeitsschwankungen gibt es eine
zusätzliche Besonderheit: WASP-39 b besitzt eine vergleichsweise dichte
Atmosphäre. Könnte man die Details der Planetenscheibe während eines Transits
vor dem Hintergrund der Sternscheibe sehen, würde man deswegen die dunkle
Planetenscheibe sehen, umgeben von einem dünnen farbigen Ring, mit dem sich das
durch die Planetenatmosphäre gefilterte Sternenlicht bemerkbar macht.
In der farbigen Zone ist die Abschwächung des Sternenlichts farbabhängig ist,
oder physikalisch ausgedrückt: Sie hängt von der Wellenlänge des Lichts ab, bei
der wir das System beobachten. Würde die Detailaufnahme (die wir in Wirklichkeit
wie gesagt nicht zur Verfügung haben) beispielsweise eine dunkle Scheibe zeigen,
die von einem dünnen blauen Ring der Planetenatmosphäre umgeben ist, würde das
schließlich bedeuten, dass blaues Licht die Atmosphäre durchdringen könnte,
rotes Licht aber nicht so gut – und entsprechend wäre die Abschwächung des
Sternenlichts bei der Beobachtung durch einen Rotfilter stärker ausgeprägt als
durch einen Blaufilter.
JWST beobachtet solche Transits nicht durch einzelne Filter, sondern
setzt stattdessen Spektroskopie ein, um den Transit gleich in jedem
Wellenlängenbereich separat zu beobachten. Dabei wird für einen breiten Bereich
von Infrarot-Wellenlängen dokumentiert, wie stark die Helligkeit bei jeder
Wellenlänge während des Transits zurückgeht. Der Vergleich solcher
spektroskopischen Beobachtungen mit Modellen der Planetenatmosphäre liefert eine
Fülle von Informationen. Die erste war eine detaillierte Auflistung bestimmter
Moleküle, die in der Atmosphäre vorhanden sind. Im August hatte das Team bereits
den Nachweis von Kohlendioxid in der Atmosphäre von WASP-39b veröffentlicht, den
ersten sicheren Nachweis dieses Moleküls in einer Exoplanetenatmosphäre (astronews.com
berichtete).
Die jetzt veröffentlichten Arbeiten fügen eine Reihe von entscheidenden
weiteren Informationen hinzu. Eine damals noch rätselhafte Auffälligkeit im
Spektrum entpuppte sich als Schwefeldioxid – wiederum der erste Nachweis dieser
Art in einer Exoplanetenatmosphäre. Damit lässt sich erstmals die Photochemie
von Exoplaneten beobachten: Schwefeldioxidmoleküle, analog zum Ozon in der
Erdatmosphäre, bilden sich, wenn die Außenbereiche der Exoplanetenatmosphäre mit
hochenergetischen Photonen des Sternes wechselwirken. Dass WASP-39b so nahe an
seinem Stern liegt (ein Achtel der Entfernung von Merkur zu unserer Sonne),
macht ihn zu einem idealen Labor zur Erforschung dieser Art von Reaktionen.
Einige der Informationen lassen sogar Rückschlüsse auf die Entstehung des
Planeten zu. Insbesondere das Verhältnis von Kohlenstoff zu Sauerstoff, Kalium
zu Sauerstoff und Schwefel zu Wasserstoff deuten auf eine Entstehungsgeschichte
hin, bei der kleinere Planetenvorstufen, sogenannte Planetesimale, miteinander
kollidiert sind und sich letztlich zu dem heutigen, recht großen Planeten
zusammengefunden haben. Insbesondere das Kohlenstoff-Sauerstoff-Verhältnis,
konkret dass Sauerstoff viel häufiger vorkommt als Kohlenstoff, deutet darauf
hin, dass WASP-39b viel weiter entfernt von seinem Stern enstanden und erst
später auf seine jetzige, viel kleinere Umlaufbahn umgezogen ist.
Der Vergleich von Beobachtungen und Modellen gibt außerdem Aufschluss über
die Wolken des Planeten: Es handelt sich um eine aufgelockerte Ansammlung von
Wolken – die freilich bei den auf WASP-39b herrschenden hohen Temperaturen nicht
aus Wasser, sondern aus Substanzen wie Sulfiden und Silikaten – und nicht um
eine geschlossene Wolkendecke.
Die Beobachtungen haben der Astronomie bereits einen detaillierteren Blick
auf die Atmosphäre eines Exoplaneten ermöglicht als je zuvor. Das weckt
Erwartungen auf viele weitere, zukünftige Entdeckungen mit ähnlichen
Beobachtungen. Und genau solche Entdeckungen soll das hier durchgeführte
Programm schließlich auch fördern. Deswegen stellen die Astronominnen und
Astronomen ein Rezept für die Datenanalyse ihres Datensatzes zur Verfügung und
dokumentieren ausführlich ihre Erfahrungen mit dem JWST in diesem speziellen
Beobachtungsmodus. Das sollte es anderen Teams ermöglichen, das JWST ebenfalls
für Transitbeobachtungen dieser Art zu nutzen.
"Diese frühen Beobachtungen sind ein Vorgeschmack auf all die weiteren
erstaunlichen wissenschaftlichen Ergebnisse, die mit dem JWST zu erwarten sind",
unterstreicht auch Laura Kreidberg, Direktorin am Max-Planck-Institut für
Astroomie und Mitglied des Transiting Exoplanet Community Early Release
Science Program. "Wir haben das Teleskop auf Herz und Nieren geprüft und
seine Leistungsfähigkeit genau getestet. Die Beobachtungen liefen nahezu
fehlerfrei – noch besser als wir gehofft hatten."
Die aktuellen Beobachtungen sind außerdem für eines der größten zukünftigen
Ziele der beobachtenden Astronomie von Bedeutung: den Nachweis von Spuren von
Leben auf Exoplaneten. Den derzeitigen Planungen nach dürfte die Entdeckung von
Leben auf einem Exoplaneten vom Nachweisprinzip her sehr ähnlich ablaufen wie
die hier beschriebene Forschung: Detaillierte Transitbeobachtungen durch ein
Weltraumteleskop, das ein Nachfolger von JWST ist, würden genutzt, um Daten über
die Atmosphäre des Exoplaneten zu gewinnen. Ein Vergleich mit
Atmosphärenmodellen würde schließlich zeigen, dass eine bestimmte Kombination
von Eigenschaften – z. B. ein Überschuss an atmosphärischem Sauerstoff – auf das
Vorhandensein bestimmter Arten von Lebewesen auf diesem Planeten hinweist.
Über die Beobachtungen von WASP-39b berichten die Teams in insgesamt fünf Fachartikel,
die in der
Zeitschrift Nature erscheinen sollen.
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Ahrer, E.-M. et al. (2022):
JWST Early Release Science: Exoplanet transit spectroscopy with
NIRCam, Nature, zur Veröffentlichung akzeptiert (arXiv.org-Preprint)
Alderson, L. et al. (2022):
JWST Early Release Science: Exoplanet Transit Spectroscopy with
NIRSpec G395H, Nature, zur Veröffentlichung eingereicht (arXiv.org-Preprint)
Rustamkulov, Z. et al.
(2022): The Broadband Transmission Spectrum of WASP-39b from JWST
NIRSpec PRISM Observations, Nature, zur Veröffentlichung eingereicht
(arXiv.org-Preprint)
Feinstein, A. D. et al.
(2022): JWST Early Release Science: Exoplanet transit spectroscopy
with NIRISS-SOSS, Nature, zur Veröffentlichung eingereicht (arXiv.org-Preprint)
Tsai, S.-M. et al.
(2022): Direct Evidence of Photochemistry in an Exoplanet Atmosphere,
Nature, zur Veröffentlichung eingereicht (arXiv.org-Preprint)
Max-Planck-Institut für Astronomie
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