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Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben die Ergebnisse detaillierter Beobachtungen des Exoplaneten WASP-39b mit dem James Webb Space Telescope vorgestellt. Die Daten enthüllen die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre so detailliert wie nie zuvor und erlauben Rückschlüsse auf die Entstehung des fernen Planeten.
Informationen über Wolken, ein nahezu vollständiges chemisches Inventar, das Hinweise auf die Entstehungsgeschichte des Planeten gibt, erstmals Daten zur Photochemie – und das sind nur einige der Highlights der jetzt veröffentlichten Beobachtungen des Exoplaneten WASP-39b mit dem James Webb Space Telescope (JWST). "Daten wie diese sind ein Wendepunkt", urteilt Natalia Batalha von der University of California in Santa Cruz, die das Beobachtungsprogramm koordinierte, das zu den neuen Ergebnissen führte. Die neuen Ergebnisse einer Gruppe von Astronominnen und Astronomen sind eine Art Testlauf für jene Methoden, mit denen man hofft, in Zukunft auch einmal Leben auf fernen Planeten nachweisen zu können – eine Aufgabe für einen Nachfolger des JWST. In den ersten fünf Monaten des wissenschaftlichen Betriebs arbeitet das JWST im Rahmen des "Early Release Science Programs" 13 Beobachtungsprogramme ab, die eine repräsentative Auswahl an Zielen von Objekten des Sonnensystems bis hin zu den entferntesten Galaxien abdecken und speziell so ausgewählt wurden, dass sie beobachtenden Astronominnen und Astronomen alle Informationen liefern, die sie benötigen, um für spätere eigene Beobachtungsvorhaben die Instrumente von JWST optimal nutzen zu können. Die Daten werden dementsprechend direkt nach Abschluss der Beobachtungen an die astronomische Gemeinschaft weitergegeben. Ergänzt werden sie durch "Rezeptbücher" und gezielte Auswertungen, die zukünftige Beobachtungsplanung erleichtern sollen.
Zu den ausgewählten Zielen zählte mit WASP-39b auch ein extrasolarer Planet, so dass sich die Forschenden auch von der Leistungsfähigkeit des JWST bei der Untersuchung der Atmosphären von Exoplaneten überzeugen konnten. Der Planet ähnelt von der Masse her dem Saturn in unserem Sonnensystem (ob er Ringe besitzt, wissen wir freilich nicht), wenn auch mit aufgeblähterer Atmosphäre; er umkreist einen Stern, der nur etwas weniger Masse hat als die Sonne. Das gesamte System befindet sich in einer Entfernung von etwa 700 Lichtjahren von der Erde. Für die jetzt veröffentlichten Beobachtungen sind sogenannte Exoplanetentransits entscheidend. Ein solcher Transit findet statt, wenn ein Planet, der einen fernen Stern umkreist, von der Erde aus gesehen genau vor der Scheibe seiner Sonne vorüberzieht. Exoplaneten sind normalerweise zu weit entfernt, als dass wir bei solcher Gelegenheit im Detail sehen könnten, wie die kleine dunkle Scheibe des Planeten vor der hellen Scheibe des Sterns vorbeizieht. Was man jedoch beobachten kann, sind Helligkeitsveränderungen. Schließlich bewegt sich der Planet ja beim Transit vor seinen Stern und schattet damit einen Teil des Sternenlichts ab. Von Mitte bis Ende Juli 2022 wurden nun vier verschiedene Transits von WASP-39b beobachtet. Dabei kamen drei der vier wissenschaftlichen Instrumente des Weltraumteleskops zum Einsatz: NIRCam und NIRISS für jeweils einen Transit, und außerdem noch zwei Transits, die mit zwei verschiedenen Betriebsarten von NIRSpec beobachtet wurden. Bei den Helligkeitsschwankungen gibt es eine zusätzliche Besonderheit: WASP-39 b besitzt eine vergleichsweise dichte Atmosphäre. Könnte man die Details der Planetenscheibe während eines Transits vor dem Hintergrund der Sternscheibe sehen, würde man deswegen die dunkle Planetenscheibe sehen, umgeben von einem dünnen farbigen Ring, mit dem sich das durch die Planetenatmosphäre gefilterte Sternenlicht bemerkbar macht. In der farbigen Zone ist die Abschwächung des Sternenlichts farbabhängig ist, oder physikalisch ausgedrückt: Sie hängt von der Wellenlänge des Lichts ab, bei der wir das System beobachten. Würde die Detailaufnahme (die wir in Wirklichkeit wie gesagt nicht zur Verfügung haben) beispielsweise eine dunkle Scheibe zeigen, die von einem dünnen blauen Ring der Planetenatmosphäre umgeben ist, würde das schließlich bedeuten, dass blaues Licht die Atmosphäre durchdringen könnte, rotes Licht aber nicht so gut – und entsprechend wäre die Abschwächung des Sternenlichts bei der Beobachtung durch einen Rotfilter stärker ausgeprägt als durch einen Blaufilter. JWST beobachtet solche Transits nicht durch einzelne Filter, sondern setzt stattdessen Spektroskopie ein, um den Transit gleich in jedem Wellenlängenbereich separat zu beobachten. Dabei wird für einen breiten Bereich von Infrarot-Wellenlängen dokumentiert, wie stark die Helligkeit bei jeder Wellenlänge während des Transits zurückgeht. Der Vergleich solcher spektroskopischen Beobachtungen mit Modellen der Planetenatmosphäre liefert eine Fülle von Informationen. Die erste war eine detaillierte Auflistung bestimmter Moleküle, die in der Atmosphäre vorhanden sind. Im August hatte das Team bereits den Nachweis von Kohlendioxid in der Atmosphäre von WASP-39b veröffentlicht, den ersten sicheren Nachweis dieses Moleküls in einer Exoplanetenatmosphäre (astronews.com berichtete). Die jetzt veröffentlichten Arbeiten fügen eine Reihe von entscheidenden weiteren Informationen hinzu. Eine damals noch rätselhafte Auffälligkeit im Spektrum entpuppte sich als Schwefeldioxid – wiederum der erste Nachweis dieser Art in einer Exoplanetenatmosphäre. Damit lässt sich erstmals die Photochemie von Exoplaneten beobachten: Schwefeldioxidmoleküle, analog zum Ozon in der Erdatmosphäre, bilden sich, wenn die Außenbereiche der Exoplanetenatmosphäre mit hochenergetischen Photonen des Sternes wechselwirken. Dass WASP-39b so nahe an seinem Stern liegt (ein Achtel der Entfernung von Merkur zu unserer Sonne), macht ihn zu einem idealen Labor zur Erforschung dieser Art von Reaktionen. Einige der Informationen lassen sogar Rückschlüsse auf die Entstehung des Planeten zu. Insbesondere das Verhältnis von Kohlenstoff zu Sauerstoff, Kalium zu Sauerstoff und Schwefel zu Wasserstoff deuten auf eine Entstehungsgeschichte hin, bei der kleinere Planetenvorstufen, sogenannte Planetesimale, miteinander kollidiert sind und sich letztlich zu dem heutigen, recht großen Planeten zusammengefunden haben. Insbesondere das Kohlenstoff-Sauerstoff-Verhältnis, konkret dass Sauerstoff viel häufiger vorkommt als Kohlenstoff, deutet darauf hin, dass WASP-39b viel weiter entfernt von seinem Stern enstanden und erst später auf seine jetzige, viel kleinere Umlaufbahn umgezogen ist. Der Vergleich von Beobachtungen und Modellen gibt außerdem Aufschluss über die Wolken des Planeten: Es handelt sich um eine aufgelockerte Ansammlung von Wolken – die freilich bei den auf WASP-39b herrschenden hohen Temperaturen nicht aus Wasser, sondern aus Substanzen wie Sulfiden und Silikaten – und nicht um eine geschlossene Wolkendecke. Die Beobachtungen haben der Astronomie bereits einen detaillierteren Blick auf die Atmosphäre eines Exoplaneten ermöglicht als je zuvor. Das weckt Erwartungen auf viele weitere, zukünftige Entdeckungen mit ähnlichen Beobachtungen. Und genau solche Entdeckungen soll das hier durchgeführte Programm schließlich auch fördern. Deswegen stellen die Astronominnen und Astronomen ein Rezept für die Datenanalyse ihres Datensatzes zur Verfügung und dokumentieren ausführlich ihre Erfahrungen mit dem JWST in diesem speziellen Beobachtungsmodus. Das sollte es anderen Teams ermöglichen, das JWST ebenfalls für Transitbeobachtungen dieser Art zu nutzen. "Diese frühen Beobachtungen sind ein Vorgeschmack auf all die weiteren erstaunlichen wissenschaftlichen Ergebnisse, die mit dem JWST zu erwarten sind", unterstreicht auch Laura Kreidberg, Direktorin am Max-Planck-Institut für Astroomie und Mitglied des Transiting Exoplanet Community Early Release Science Program. "Wir haben das Teleskop auf Herz und Nieren geprüft und seine Leistungsfähigkeit genau getestet. Die Beobachtungen liefen nahezu fehlerfrei – noch besser als wir gehofft hatten." Die aktuellen Beobachtungen sind außerdem für eines der größten zukünftigen Ziele der beobachtenden Astronomie von Bedeutung: den Nachweis von Spuren von Leben auf Exoplaneten. Den derzeitigen Planungen nach dürfte die Entdeckung von Leben auf einem Exoplaneten vom Nachweisprinzip her sehr ähnlich ablaufen wie die hier beschriebene Forschung: Detaillierte Transitbeobachtungen durch ein Weltraumteleskop, das ein Nachfolger von JWST ist, würden genutzt, um Daten über die Atmosphäre des Exoplaneten zu gewinnen. Ein Vergleich mit Atmosphärenmodellen würde schließlich zeigen, dass eine bestimmte Kombination von Eigenschaften – z. B. ein Überschuss an atmosphärischem Sauerstoff – auf das Vorhandensein bestimmter Arten von Lebewesen auf diesem Planeten hinweist. Über die Beobachtungen von WASP-39b berichten die Teams in insgesamt fünf Fachartikel, die in der Zeitschrift Nature erscheinen sollen.
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