Ein äußerst komplexer Zwergplanet
von Stefan Deiters astronews.com
11. September 2015
Das New-Horizons-Team hat am Donnerstagabend neue
Bilder veröffentlicht, die während des Vorüberflugs der Sonde am Zwergplaneten
Pluto Mitte Juli gemacht wurden. Die spektakulären Aufnahmen zeigen eine äußerst
vielfältige Oberfläche, die sich die Wissenschaftler auf Anhieb nur schwer
erklären können.

Diese Montage aus den bislang übermittelten
Bilddaten zeigt einen Blick auf Pluto, wie man
ihn aus einer Höhe von etwa 1.800 Kilometer über
der Äquatorregion erhalten würde.
Bild: NASA / Johns Hopkins University
Applied Physics Laboratory / Southwest Research
Institute [Großansicht]

Detailansicht eines Bereichs am rechten
unteren Rand des oberen Bildes. Zu erkennen ist
eine Vielfalt von Oberflächenstrukturen. Einige
erinnern an Dünen.
Bild: NASA / Johns Hopkins University
Applied Physics Laboratory / Southwest Research
Institute [Großansicht] |
Lange mussten Öffentlichkeit und auch das Team der NASA-Sonde New Horizons
auf neue Aufnahmen warten, jetzt treffen sie nach und nach ein. Und schon die
ersten, gestern Abend veröffentlichten Bilder versprechen noch so manche
spektakuläre Ansicht von der eisigen Welt im Kuipergürtel.
Die Sonde New Horizons war Mitte Juli an Pluto vorübergeflogen und hatte
dabei unzählige Bilder des Zwergplaneten und von seinen Monden gemacht.
Die Bilddaten und die Messungen anderer Instrumente wurden an Bord der Sonde gespeichert und nur ein Bruchteil davon
direkt nach
dem Vorüberflug zur Erde übermittelt. Von Ende Juli bis Anfang September wurden
dann hauptsächlich Messwerte und keine neuen Bilddaten übertragen.
Seit Sonnabend allerdings übermittelt New Horizons wieder Aufnahmen des
Vorüberflugs. Die neuen Ansichten bestätigen dabei den schon im Juli
aufgekommenen Verdacht, dass Pluto eine sehr vielfältige Welt mit komplexen
geologischen Abläufen ist.
"Pluto zeigt uns eine Vielfalt an Oberflächenstrukturen und eine Komplexität an
Prozessen, die es mit jedem anderen Objekt im Sonnensystem aufnehmen kann", so
Alan Stern vom Southwest Research Institute, der verantwortliche
Wissenschaftler der Mission New Horizons. "Wenn ein Maler Pluto vor dem Vorüberflug so dargestellt
hätte, hätte ich vermutlich gesagt, er hat ein wenig übertrieben - aber es sieht
tatsächlich so aus."
Mit den neuen Bildern, die seit dem vergangenen Wochenende übertragen wurden,
hat sich der Bereich der Plutooberfläche, von der Daten mit einer Auflösung von
bis zu 400 Metern pro Pixeln vorliegen mehr als verdoppelt. Die Aufnahmen zeigen
Strukturen, die an Dünen erinnern und Ströme aus Stickstoffeis, die aus
Bergregionen in Ebenen münden. Auch Talsysteme sind zu erkennen, die vielleicht durch
fließendes Material in die Oberfläche eingegraben wurden. Dazu kommen Regionen mit
chaotisch aussehenden Erhebungen.
"Die Oberfläche von Pluto ist nicht weniger komplex als die des Mars", meint
auch Team-Mitglied Jeff Moore vom NASA Ames Research Center. "Bei diesen
zufällig durcheinandergewürfelten Bergen in einer Sputnik Planum genannten
Region könnte es sich um große Blöcke aus Wassereis handeln, die in ausgedehnten
weicheren Ablagerungen von gefrorenem Stickstoff 'schwimmen'."
Auch Bereiche mit sehr vielen Kratern sind auf den neuen Aufnahmen auszumachen.
Dabei muss es sich um die ältesten Oberflächenstrukturen auf Pluto handeln. Diese
befinden sich allerdings direkt neben den jüngsten praktisch kraterlosen
Eisebenen. Sogar eine Feld aus dunklen, durch Wind entstandene Dünen könnte auf
einer Aufnahme zu sehen sein, obwohl für diese Strukturen auch andere
Erklärungen diskutiert werden.
"Wenn es tatsächlich Dünen sind, wäre das total verrückt, weil die Atmosphäre
von Pluto heute so dünn ist", unterstreicht Teammitglied William B. McKinnon von
der Washington University. "Entweder hatte Pluto früher eine deutlich dickere
Atmosphäre oder hier ist ein Prozess abgelaufen, den wir noch nicht kennen. Das
bereitet uns wirklich Kopfzerbrechen."
Heute sollen zudem neuen unbearbeitete Aufnahmen der Monde Charon, Nix und Hydra
veröffentlicht werden. Sie zeigen, dass jeder Mond eine ganz eigene Welt ist und
insbesondere Charon eine sehr turbulente geologische Vergangenheit hatte. Das
New-Horizons-Team plant unbearbeitete Aufnahmen zukünftig an jedem Freitag auf ihrer
Webseite bereitzustellen.
Auf den in dieser Woche übermittelten Bildern fanden sich auch Hinweise
darauf, dass der Dunst in der Plutoatmosphäre deutlich mehr Schichten aufweist,
als man dies bislang angenommen hatte. Insbesondere sorgt dieser Dunst offenbar für eine
Art Dämmerlicht, durch das auch Regionen noch etwas beleuchtet sind, die am Rand der
Tag- und Nachtgrenze liegen und eigentlich wegen des fehlenden Lichts nicht mehr zu sehen sein sollten.
"Dies ist ein wunderbares Geschenk von Pluto", so John Spencer vom Southwest
Research Institute. "Wir können die Geologie in Bereichen untersuchen, von
denen wir nicht erwartet hatten, dass wir sie sehen können."
New Horizons ist aktuell rund fünf Milliarden Kilometer von der Erde entfernt
und befindet sich bereits mehr als 69 Millionen Kilometer jenseits des
Plutoorbits. Alle Systeme der Sonde arbeiten normal. Die Datenübertragung wird
noch etwa ein Jahr dauern. Das Team hofft, dass New Horizons Ende des Jahrzehnts
noch ein weiteres Objekt im Kuipergürtel wird ansteuern und untersuchen können.
 |
|
New Horizons,
Webseite des Applied Physics Laboratory der JHU
|
|