Schwerelosigkeit mit Mund-Nasen-Schutz
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
18. September 2020
Parabelflüge stellen eine verhältnismäßig kostengünstige
Möglichkeit für Experimente in Schwerelosigkeit dar und werden oft auch zur
Vorbereitung für Versuche auf der Internationalen Raumstation ISS genutzt. Die
diesjährige Kampagne des DLR wäre beinahe der Covid-19 Pandemie zum Opfer
gefallen. Doch dann hat man kurzfristig umdisponiert.
Der A310 ZERO-G nach der Landung am 16.
September 2020 am Flughafen Paderborn-Lippstadt.
Bis zum 24. September 2020 finden von dort
Parabelflüge statt.
Foto: DLR [Großansicht] |
Es ist die 35. Parabelflugkampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt (DLR), aber dennoch ist nichts Routine auf diesem Flug in die
Schwerelosigkeit: Erstmalig müssen Wissenschaftler, Ingenieure und Crew die
Herausforderungen der Forschungsarbeit in Corona-Zeiten bewältigen. Selbst im
letzten Moment musste noch einmal umgeplant werden: Der für Anfang September
geplante Parabelflug in Bordeaux findet nun aufgrund der stark gestiegenen
Anzahl an Covid-19-Infektionen in Frankreich vom 16. bis zum 24. September 2020
vom Flughafen Paderborn-Lippstadt Airport in Nordrhein-Westfalen statt.
Der Airbus A310 ZERO-G ist am Nachmittag des 16. September auf dem Flughafen
in Ostwestfalen gelandet und bis Sonntag werden dort nun die Experimente der
beteiligten Wissenschaftlergruppen final eingebaut und für die drei Flugtage in
Schwerelosigkeit vorbereitet. "Wir sind erleichtert, dass wir trotz der Umstände
und der für uns alle weiterhin dynamischen Entwicklung der Pandemie in Europa
den DLR-Parabelflug nicht absagen, sondern kurzfristig nach Deutschland holen
konnten", erklärt Thomas Jarzombek, Koordinator der Bundesregierung für die
Luft- und Raumfahrt, und ergänzt: "Als Düsseldorfer und damit 'Kind NRWs' freue
ich mich besonders, zu zeigen, dass Forschung im Land zwischen Rhein und Weser
eine herausragende Rolle spielt."
Zwei Tage vor dem ursprünglich geplanten Start der Kampagne am 31. August
sahen sich die Verantwortlichen des DLR-Raumfahrtmanagements in Bonn zwingend
veranlasst, die Flüge in Frankreich aufgrund des hohen Anstiegs an
Corona-Infektionen aus Sicherheitsgründen abzusagen. "Nun galt es, kurzfristig
einen Ersatzflughafen zu finden, der ab dem 16. September über entsprechende
Kapazitäten und die notwendigen Voraussetzungen für einen Parabelflug verfügt.
Eine weitere Verschiebung der Kampagne innerhalb dieses Jahres wäre aufgrund der
Verfügbarkeit des A310 ZERO-G nicht möglich gewesen", verdeutlicht Dr. Walther
Pelzer, DLR Vorstand für das Raumfahrtmanagement, die außergewöhnliche
Situation. "Den Parabelflug so kurzfristig nach Paderborn zu holen, war ein
enormer Kraftakt, aber alle Beteiligten - Novespace, der Flughafen Paderborn,
die Wissenschaftler aus ganz Deutschland und das DLR Raumfahrtmanagement haben
ihn gemeinsam bewältigt. Das zeigt, was man auch unter schwierigsten Bedingungen
gemeinsam schaffen kann."
An den drei geplanten Flugtagen - 21. bis 23. September mit einem Backup-Tag
am 24. September - sollen acht technologische, physikalische und
materialwissenschaftliche Experimente von Wissenschaftsteams aus ganz
Deutschland mit an Bord des A310 ZERO-G der französischen Firma Novespace sein.
Mit "SESIMAG II" will beispielsweise ein Forscherteam der Technischen
Universität Dresden eine neue Methode zur Verarbeitung Seltener Erden testen.
Seltene Erden sind ein Material, das in der Natur vorkommt und das in der
Hochtechnologie eingesetzt wird - etwa bei der Herstellung von Computerchips
oder Solaranlagen. Bei herkömmlichen Industrieverfahren werden zur Aufbereitung
dieser Erden große Mengen von Lösungsmitteln verwendet. Die Wissenschaftler
wollen beim Parabelflug eine neue Methode erproben, bei welcher der Einsatz von
Lösungsmitteln durch ein mechanisches Verfahren - magnetische Separation -
ersetzt wird. Hierdurch könnte die Produktion von Hightech-Geräten wesentlich
umweltfreundlicher werden.
"Nach heutigem Stand werden wir sofern das Wetter mitspielt an allen drei
Flugtagen morgens gegen 09:30 Uhr Richtung französische Atlantikküste
aufbrechen, um dort über dem freien Meer die jeweils 31 Parabeln zu fliegen. Wir
werden wegen der längeren Hin- und Rückflugzeit voraussichtlich insgesamt pro
Tag eher vier bis fünf Stunden unterwegs sein anstelle der sonst üblichen drei
bis vier Stunden", berichtet Dr. Katrin Stang, Parabelflugprogramm-Leiterin im
DLR Raumfahrtmanagement.
Neben der Durchführung der Kampagne in Deutschland sorgen zahlreiche
Sicherheitsvorkehrungen auf dem Parabelflug für Sicherheit. Wer in den A310
ZERO-G steigt, muss strenge Kontrollen durchlaufen: Nicht nur, dass die üblichen
AHA-Regeln (Atemschutz, Hygiene, Abstand) eingehalten werden müssen - die
Teilnehmer sind außerdem dazu verpflichtet, täglich Fiebermessungen
durchzuführen. Die Wissenschaftsteams vor Ort wurden auf die absolut notwendigen
Personen begrenzt, die zur Durchführung der Experimente notwendig sind - das
sind etwa die Hälfte der Personen, die bei einer regulären Kampagne vor Ort
beteiligt sind.
Der Dokumentenaustausch und die Kommunikation zwischen den Teilnehmern
erfolgt - wo möglich - elektronisch oder per Telefon. Die Sicherheitseinweisung
für alle Teilnehmer wird außerdem erstmalig als Videobriefing durchgeführt. "Für
uns Wissenschaftler waren vor allem die Verschiebung des Parabelflugs um mehrere
Wochen und die Schließung der Labore und Einrichtungen im Corona-Lockdown
hinderlich für unsere Experiment-Vorbereitungen", so Christina Knapek vom DLR
Institut für Materialphysik im Weltraum. "Experimentanlagen müssen für den
Flugtag punktgenau vorbereitet werden. Das ist allerdings nicht ganz einfach,
wenn die Labore geschlossen sind."
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