Forschung bei Mars- und Mondparabeln
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. astronews.com
9. Juni 2011
In den letzten Tagen wurde eine ganz besondere Parabelflugkampagne
durchgeführt, die sich hauptsächlich der reduzierten Schwerkraft
widmete. Europäische Wissenschaftler konnten dabei unter den
Schwerkraftbedingungen des Mars und des Mondes forschen, ohne unseren
Heimatplaneten zu verlassen. Die Experimente dienten unter anderem der
Vorbereitung einer künftigen Marsmission.
Der Airbus A300 ZERO-G mit dem die Parabelflüge
durchgeführt wurden.
Bild: Novespace |
Die Piloten des Airbus A300 "Zero-G" flogen bei dieser Kampagne
spezielle Manöver, so dass dabei Schwerkraftbedingungen, wie sie auf dem
Mond (0,16 g) und auf dem Mars (0,38 g) herrschen, für eine Dauer von 25
Sekunden (Mond) bzw. 30 Sekunden (Mars) pro Parabel wirksam sind. Die
letzten sechs von insgesamt 30 Parabeln eines jeden Flugtages waren dann
0g-Parabeln, bei der annähernde Schwerelosigkeit erreicht wird. Während
eines Flugtages konnten die Wissenschaftler damit ungefähr zwölf Minuten
reduzierter Schwerkraft erleben und an Bord experimentieren.
Der A300 Zero-G der französischen Firma Novespace startete im Rahmen
dieser Kampagne an drei aufeinander folgenden Tagen vom Flughafen
Bordeaux-Mérignac aus: am 7., 8. und 9. Juni. Die europäische
Weltraumagentur ESA, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
und das Centre National d´Etudes Spatiales (CNES) hatten
dreizehn Experimente europäischer Wissenschaftler ausgewählt, die
verschiedene Aspekte unter verminderter Schwerkraft untersuchen. Die
gemeinsame europäische "Partial g"-Parabelflug-Kampagne (Joint European
Partial-G Parabolic Flight, JEPPF) ist eine Forschungsmission, wie es
sie in dieser Form noch nie gegeben hat.
Die Nachfrage von Seiten der Wissenschaftler war enorm. "Dies ist eine
weltweit einzigartige Kampagne, und wir haben herausragende
wissenschaftliche Projektvorschläge aus ganz Europa erhalten", so die
Parabelflug-Projektmanager der drei beteiligten Weltraumorganisationen.
Die Experimente decken einen großen Teil des naturwissenschaftlichen
Forschungsspektrums ab: von der Biologie über die Humanmedizin und
Physik bis hin zu technologischen Tests. Ziel ist es, mehr darüber zu
erfahren, wie Systeme auf unterschiedliche Beschleunigung reagieren und
an welchem Punkt zum Beispiel die Empfindlichkeitsschwelle erreicht ist.
"Durch Mond- und Marsparabeln werden die Wissenschaftler zusätzliche
Daten unterschiedlicher Schwerkraft-Bedingungen erhalten. Uns liegt
bereits eine lange Liste von Wissenschaftlern vor, die im Rahmen von
Spezial-Kampagnen Experimente an Bord des A300 durchführen möchten",
erklärten die Projektmanager. Unter anderem wird das physikalische
Verhalten von Blasen, Staub und granularer Materie untersucht. Während
der ersten "Partial-G"-Kampagne testen Ingenieure und Wissenschaftler
aber auch Technologien für eine robotische Mission zum Mars.
Unter den "Passagieren" im A300 befinden sich Pflanzen und Ratten als
Versuchs-Objekte. Darüber hinaus wird die Einsatzmöglichkeit einer
Videospiel-Konsole als Mittel zur Gleichgewichtskontrolle unter
reduzierten Schwerkraft-Bedingungen getestet. All diese
Forschungsprojekte dienen dazu, den Horizont in der physikalischen
Forschung zu erweitern, sich mit innovativem Materialdesign zu
beschäftigen, grundlegende biologische Funktionen zu erforschen und
neuartige humanmedizinische Diagnose- und Therapiemethoden zu
entwickeln.
Aus Deutschland waren fünf Experimente sowie ein kooperatives
deutsch-französisches Experiment an Bord. Die Forschungsthemen reichen
von dem Verhalten von Pflanzenzellen bis zum Einfluss verschiedener
Beschleunigungen auf das menschliche Herzkreislaufsystem. Eines der
Teams sucht nach neuen Wegen zur Förderung des Gleichgewichtstrainings
für Astronauten, andere befassen sich mit Gasblasen beim Sieden von
Flüssigkeiten oder gehen der Frage nach, wie eine Ansammlung aus vielen
einfachen Einzelteilchen schrittweise "erstarrt". Ein weiteres Team
nutzt besonders die Parabeln mit Beschleunigung, wie sie auf dem Mars
herrscht. Sie untersuchen die durch Licht verursachte Stauberosion,
deren Kenntnis für die Interpretation wissenschaftlicher Experimente zum
Beispiel auf dem Mars wichtig ist.
Ungeachtet des großen Erfolges von 0g-Flügen in den letzten 25 Jahren
hat die europäische Wissenschaftsgemeinde schon seit Langem großes
Interesse an der Durchführung einer "Partial-g"-Kampagne. In enger
Kooperation haben ESA, DLR und CNES anlässlich dieser besonderen
Gelegenheit ein ausgewogenes Experimentprogramm ausgearbeitet. Die
Auswahl der Experimente wurde von einem gemeinsamen Komitee vorgenommen.
Dieses traf die Mitflug-Entscheidung gemäß der wissenschaftlichen
Beurteilung und der praktischen Durchführbarkeit der eingereichten
Experimentvorschläge.
Jede der drei Partner hat vier eigene Experimente ausgewählt; ein
zusätzliches Experiment dient der Überprüfung von Technologien, die im
Rahmen der ExoMars-Mission von NASA und ESA zum Einsatz kommen
sollen. Die erste "Partial-g"-Kampagne bietet den beteiligten Experten
realitätsnahe Bedingungen bei ihren Vorbereitungen
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