Schwerelos für 22 Sekunden
Redaktion / DLR
astronews.com
15. Mai 2006
Zum achten Mal führt das Deutsche Zentrum für Luft- und
Raumfahrt (DLR) ab heute Parabelflüge mit dem Airbus A300 ZERO-G durch. Vom Köln
Bonn Airport aus startet das größte fliegende Labor der Welt zu insgesamt fünf
Forschungsflügen in die Schwerelosigkeit. Auf jedem Flug werden bis zu 31
Parabeln geflogen, bei denen jeweils für rund 22 Sekunden Schwerelosigkeit
herrscht.
DLR Parabelflug: Forschen unter Schwerelosigkeit. Foto:
DLR
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Zum achten Mal führt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Mai
2006 seinen Parabelflug mit dem Airbus A300 ZERO-G durch. Vom Köln Bonn Airport
aus startet das größte fliegende Labor der Welt zu insgesamt fünf
Forschungsflügen in die Schwerelosigkeit. Auf jedem Flug werden bis zu 31
Parabeln geflogen, bei denen jeweils für rund 22 Sekunden Schwerelosigkeit
herrscht. Diese nutzen die Wissenschaftler für ihre Forschung in Biologie,
Humanphysiologie, Physik und Materialforschung. Neben eigenständiger Forschung
werden auch Experimente für die Internationale Raumstation ISS vorbereitet. Am
19. Mai 2006 wird der A300 ZERO-G zudem auf der Internationalen Luft- und
Raumfahrtausstellung (ILA) in Berlin-Schönefeld zu sehen sein.
Parabelflüge waren ursprünglich für das Schwerelosigkeitstraining von
Astronauten initiiert worden, werden heute aber hauptsächlich für Experimente
unter Schwerelosigkeit und zum Testen von Raumfahrttechnologien eingesetzt. Der
DLR-Parabelflug bietet in diesem Jahr außerdem Schülerinnen und Schülern aus
Berlin die Möglichkeit, sich an einem Experiment zu beteiligen. Sie können dabei
die Faszination der Forschung mit dem persönlichen Erlebnis der Schwerelosigkeit
verbinden.
Der diesjährige DLR-Parabelflug findet vom 15. bis 29. Mai 2006 mit insgesamt
fünf Flugtagen statt. In der Regel werden pro Flugtag mit drei bis vier
Flugstunden 31 Parabeln geflogen. Dabei steigt das Flugzeug aus dem horizontalen
Flug in einem Winkel von 47 Grad steil nach oben, drosselt die Schubkraft der
Turbinen und fliegt dabei eine Bahn, die einer Wurf-Parabel entspricht. Das
Flugzeug befindet sich dann mit seinen Passagieren im freien Fall, wobei für
etwa 22 Sekunden annähernde Schwerelosigkeit herrscht. Insgesamt stehen mehr als
40 Minuten Schwerelosigkeit - im Wechsel mit normaler und doppelter Schwere -
zur Verfügung.
Das Besondere an Parabelflügen ist, dass Wissenschaftler und Techniker ihr
Experiment während des Fluges selbst durchführen. Sie beobachten den
Versuchsablauf, beurteilen ihn und ändern eventuell die Versuchsparameter. Bei
medizinischen Versuchen können nacheinander mehrere Versuchspersonen eingesetzt
werden. Falls erforderlich, kann ein Experiment innerhalb weniger Monate auf
nachfolgenden Flügen fortgesetzt werden. Zudem können Vorversuche für
aufwändigere Experimente auf einer Weltraummission durchgeführt werden.
Das Experimentieren an Bord des Airbus A300 ZERO-G ähnelt dem Forschen im Labor
und es können laborübliche Geräte eingesetzt werden. Die Wissenschaftler bauen
die Experimente in Boxen oder Halterungen (Racks) ein, die am Boden der
Flugzeugkabine festgeschraubt werden. Medizinische Testpersonen werden in Sitzen
oder auf dem Kabinenboden festgegurtet.
Damit es während des Fluges nicht zu Unfällen kommt, werden alle
Experimentanlagen vor dem ersten Flugtag einer Sicherheitsüberprüfung
unterzogen. Eine Versuchsanordnung muss hierfür bestimmte Sicherheitskriterien
erfüllen, etwa einen Notschalter aufweisen und eine harte Landung ohne Bruch
aushalten. Testpersonen müssen sich notfalls schnell aus ihrer Lage befreien
können.
Alles Leben und alle biologischen, physikalischen und chemischen Prozesse auf
der Erde laufen immer unter der Einwirkung der Erdschwerkraft ab. Daraus ergeben
sich viele Fragen, beispielsweise: Welchen Einfluss hat die Schwerkraft auf
physikalische und biologische Vorgänge? Kann man mit entsprechendem Wissen
technologische Prozesse oder Produkte verbessern? Inwieweit können grundlegende
Untersuchungen an gesunden Menschen in Schwerelosigkeit zur Aufklärung der
Mechanismen von Krankheiten und zur Behandlung von Patienten auf der Erde
beitragen?
Die Raumfahrt-Agentur im DLR unterstützt in ihrem Programm "Forschung unter
Weltraumbedingungen" Wissenschaftler, damit sie Fragestellungen zum
Schwerkrafteinfluss untersuchen können. Sie beschäftigen sich dabei mit so
unterschiedlichen Bereichen wie der Biologie, Humanphysiologie, Physik,
Materialforschung und Entwicklung neuer Technologien. Die Wissenschaftler nutzen
dabei unterschiedliche bemannte und unbemannte Forschungsgelegenheiten, die
verschiedene Zeiten an Schwerelosigkeit bieten: den Fallturm in Bremen,
Parabelflüge, Forschungsraketen, Satelliten und die Internationale Raumstation
ISS.
Das DLR verwendet für seine Parabelflüge den Airbus A300 ZERO-G. Auch die
Europäische Weltraumorganisation ESA und die französische Raumfahrt-Agentur CNES
nutzen die von der französischen Firma Novespace angebotene Fluggelegenheit. Der
Airbus A300 ZERO-G ist ein Flugzeug, das ausschließlich für Test- und
Experimentalflüge genutzt wurde. Die technisch schwierigen Parabel-Flugmanöver
werden von erfahrenen französischen Testpiloten durchgeführt. Ein speziell für
Schwerelosigkeitsflüge geschultes Personal unterstützt die Wissenschaftler und
sorgt für die Sicherheit an Bord.
Weltweit werden für wissenschaftliche Parabelflüge vorwiegend drei Flugzeuge
eingesetzt: in den USA eine DC-9, in Russland eine Iljushin 76 MDK sowie in
West-Europa der Airbus A300 ZERO-G.
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