Schwerelosigkeit für 40 Minuten
Redaktion /
Pressemitteilung des DLR astronews.com
2. Februar 2009
Vom 2. bis zum 14. Februar 2009 veranstaltet das Deutsche
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zum 13. Mal eine Parabelflug-Kampagne mit
dem Airbus A300 ZERO-G. Vom Flughafen Bordeaux aus startet das größte fliegende
Labor der Welt zu insgesamt vier Flügen für Forschung in Schwerelosigkeit. Diese
nutzen die Wissenschaftler für ihre 16 Experimente in Biologie,
Humanphysiologie, Physik, Materialforschung und Technologie.
Der Airbus A300 ZERO-G erzeugt mit seinen
Flugmanövern 22 Sekunden Schwerelosigkeit.
Bild: Novespace |
Bei den drei- bis vierstündigen Flügen fliegt der Airbus A300 ZERO-G der
französischen Firma Novespace je 31 Parabeln. Dabei steigt das Flugzeug aus dem
horizontalen Flug in einem Winkel von bis zu 52 Grad steil nach oben. Dann
drosselt der Pilot die Schubkraft der Turbinen und fliegt dabei eine Bahn, die
einer Wurf-Parabel entspricht. Der Airbus befindet sich dabei mit seinen
Passagieren und Experimenten im freien Fall, wobei für etwa 22 Sekunden
annähernde Schwerelosigkeit herrscht. Insgesamt stehen bei der 13.
Parabelflug-Kampagne an vier Flugtagen mehr als 40 Minuten Schwerelosigkeit zur
Verfügung.
Neben eigenständiger Forschung werden auch Experimente für die Internationale
Raumstation ISS vorbereitet (astronews.com berichtete). Medizinische
Untersuchungen sollen zudem den Weg für Langzeitaufenthalte im All und damit
beispielsweise für Reisen zum Mars ebnen.
So sind die Experimente von Prof. Oliver Ullrich von der Universität
Magdeburg die ersten Untersuchungen in Schwerelosigkeit, die das Immunsystem des
Gehirns zum Ziel haben. Bei längerem Aufenthalt im Weltraum bekommen Astronauten
häufig Probleme mit der Immunabwehr. Gerade im Gehirn ist jedoch eine hochfein
regulierte und kontrollierte Immunüberwachung überlebenswichtig. Solange das
"Immunproblem" im Weltraum nicht gelöst ist oder mit Medikamenten behandelt
werden kann, sind Langzeitflüge bei erdfernen Missionen kaum vertretbar. Denn
die Folgen für Gehirn und Körper der Astronauten sind derzeit noch unbekannt.
Ein anderes Experiment widmet sich neuen Technologien für zukünftige
Raumfahrt-Missionen. Das Team um Marco Straubel vom Institut für
Faserverbundleichtbau und Adaptronik des DLR Braunschweig beschäftigt sich mit
aufrollbaren, ultraleichten Kohlenstofffaser-Masten. Diese Bauteile benötigt man
beispielsweise für entfaltbare Sonnenkollektoren, und sie sollen möglichst
platzsparend ins All gebracht werden. Dabei sind sie ebenso stabil wie
Metallmasten, aber wesentlich leichter und damit günstiger beim Transport.
Die DLR Raumfahrt-Agentur führt ihre Parabelflüge seit zehn Jahren durch. Mit
der 13. Flugkampagne wird der Airbus A300 ZERO-G für das DLR 227 Experimente mit
einem Gesamtgewicht von fast 33 Tonnen in den freien Fall gebracht haben. Auch
Schüler waren an biologischen und medizinischen Experimenten beteiligt. Selbst
zwei künstlerische Experimente waren mit an Bord. Bei 1.425 Parabeln standen
insgesamt acht Stunden und 20 Minuten Schwerelosigkeit zur Verfügung.
1999 begann alles zunächst mit einer Kampagne pro Jahr mit je drei bis vier
Flugtagen. Da Wissenschaftler die Schwerelosigkeit sowie den Wechsel mit
normaler und doppelter Schwerkraft immer häufiger als Forschungsumgebung
nachfragen, startet das DLR inzwischen meist zweimal im Jahr. Zwar ist die
Schwerelosigkeit pro Parabel stets nur kurz, doch ermöglichen Innovationen in
der Messtechnik heute vielfältigere Experimente auf Parabelflügen als vor zehn
Jahren. Der nächste DLR-Parabelflug findet im September 2009 statt, dann zum
vierten Mal vom Flughafen Köln-Bonn aus.
Die Evolution des Lebens und alle biologischen, physikalischen und chemischen
Prozesse auf der Erde laufen immer unter Einwirkung der Erdschwerkraft ab.
Daraus ergeben sich viele Fragen, beispielsweise: Welchen Einfluss hat die
Schwerkraft auf physikalische und biologische Vorgänge? Kann man mit
entsprechendem Wissen technologische Prozesse oder Produkte verbessern?
Inwieweit können grundlegende Untersuchungen an gesunden Menschen in
Schwerelosigkeit zur Behandlung von Patienten auf der Erde beitragen? Forschung
in Schwerelosigkeit bietet eine einmalige Gelegenheit, Prozesse und Reaktionen
ohne die Einwirkung der Schwerkraft zu untersuchen und dabei auf grundlegende
Phänomene zu stoßen. Die Parabelflüge sind dabei wissenschaftlich und
technologisch eine Brücke ins All.
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