Parabelflieger fliegt in den Ruhestand
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
31. Oktober 2014
In Frankreich ging in dieser Woche die 25.
Parabelflugkampagne des DLR zu Ende. Es war gleichzeitig der letzte Flug, der
mit dem bewährten Airbus A300 ZERO-G durchgeführt wurde. Er wird am Montag den
Flughafen Köln-Bonn ansteuern und soll künftig besichtigt werden können. Für die
Parabelflüge wird dann ein neues Flugzeug verwendet, mit dem früher die
Bundesregierung unterwegs war.
Der
Parabelflieger Airbus A300 ZERO-G am Montag auf
dem Flughafen Bordeaux-Mérignac in Frankreich.
Foto: DLR [Großansicht] |
5200 Flüge, 4200 Flugstunden und 13.180 Parabeln hat der Airbus A300 ZERO-G
im Dienste der Wissenschaft und Schwerelosigkeitsforschung gemeistert. Nun
verabschiedet sich der Parabelflieger der französischen Firma Novespace nach der
25. Forschungskampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in
den wohlverdienten Ruhestand.
Seit dem Jahr 1999 haben Wissenschaftlerteams aus Deutschland mehr als 400
Experimente in 15 Stunden Schwerelosigkeit an Bord der Maschine durchgeführt und
so wichtige biologische, medizinische und physikalische Fragen beantwortet.
Ebenso standen viele technologische Tests auf dem Programm.
Experimentiereinrichtungen wurden für ihren Einsatz im Weltraum - zum Beispiel
auf der Internationalen Raumstation ISS - erprobt.
Woher "wissen" Pflanzen in der Schwerelosigkeit wo oben und unten ist? Welche
Rolle spielt die Schwerkraft für gesunde, funktionsfähige Zellen? Wie verändern
sich unsere Gehirnaktivitäten, und wie reagiert unser Immunsystem, wenn die
Schwerkraftwirkung aufgehoben ist? Was können wir bei Untersuchungen in
Schwerelosigkeit für den Menschen auf der Erde lernen? Wie sammelt man
Weltraumschrott am besten ein? Wie kann man die Eigenschaften von
Metalllegierungen verbessern? Wie sind unsere Planeten entstanden?
"Alle diese und noch viele weitere wissenschaftliche Fragen wurden während
der 25 deutschen Parabelflugkampagnen untersucht und haben vielen
Nachwuchswissenschaftlern unerlässliche Daten für ihre Forschung beschert",
sagte Dr. Ulrike Friedrich, Projektleiterin der Parabelflüge im
Raumfahrtmanagement des DLR. Über 150 wissenschaftliche Abschlussarbeiten von
Studierenden und Doktoranden basieren auf Parabelflugergebnissen. Dabei gibt es
immer wieder Beispiele dafür, dass Ergebnisse aus der Grundlagenforschung zu
verbesserter Diagnose oder Behandlung von Erkrankungen bei Menschen auf der Erde
führen.
Zum Beispiel kamen Forscher durch Parabelflugexperimente auf die Idee,
Ganzkörpervibration nicht nur für ein verbessertes Astronautentraining, sondern
auch in der klinischen Rehabilitation einzusetzen. Es gibt Hinweise darauf, dass
dadurch Kinder mit spastischen Lähmungen ihre Bewegungsmotorik, ihre
Koordination und Kondition verbessern können.
Für manche wissenschaftliche Untersuchungen werden unterschiedliche
Beschleunigungen benötigt. Deshalb gibt es auch Flüge mit
Schwerkraftbedingungen, wie sie auf dem Mond (0,16 g) oder dem Mars (0,38 g)
herrschen. Eine "Mondparabel" bietet die entsprechende Beschleunigung für 25
Sekunden, eine "Marsparabel" für 35 Sekunden. Derartige Kampagnen wurden zum
Beispiel in den Jahren 2011 und 2012 zusammen mit der französischen
Raumfahrtagentur CNES und der Europäischen Weltraumorganisation ESA geflogen.
Es gibt viele wissenschaftliche Fragen, die mehr Untersuchungszeit als die 22
Sekunden Schwerelosigkeit einer 0g-Parabel zu Beantwortung benötigen. Zwar
steigt und fällt das Flugzeug 31 Mal und garantiert so elf schwerelose Minuten
pro Flugtag - bei drei bis fünf Flugtagen herrscht also 33 bis 55 Minuten
Schwerelosigkeit pro Kampagne. Deshalb wollen viele Wissenschaftler auch auf der
ISS in permanenter Schwerelosigkeit forschen.
"Der Parabelflug ist ihre Brücke zur Raumstation. Denn haben die Experimente
hier interessante Ergebnisse erzielt, können die Wissenschaftler darauf hoffen,
ihre Forschung in 400 Kilometern Höhe über der Erde fortzusetzen", erklärte
Friedrich. Beispielsweise wurden für 18 deutsche ISS-Experimente vorher
umfangreiche Voruntersuchungen auf den DLR-Parabelflügen durchgeführt.
Parabelflüge sind auch dazu geeignet, den ganz jungen wissenschaftlichen
Nachwuchs direkt mit Themen der Schwerelosigkeitsforschung in Kontakt zu
bringen. Bei sechs medizinischen und biologischen Projekten waren dutzende
Schülerinnen und Schüler an der Vorbereitung und Auswertung der
Parabelflugexperimente beteiligt. Etliche konnten sogar mitfliegen. Ein anderes
Mal haben ein Dutzend Lehrer und Lehrerinnen Demonstrationsexperimente
ausprobiert, die später der deutsche Astronaut Alexander Gerst auf der
Raumstation durchgeführt hat.
Der Heimatflughafen des Airbus A 300 ZERO-G ist das französische Bordeaux-Mérignac:
Hier bietet die Firma Novespace, von der das DLR die Kampagnen durchführen
lässt, die entsprechende Infrastruktur, die für die Vorbereitung und den Ablauf
der Kampagnen nötig ist. Auch seine letzte wissenschaftliche Parabelflugkampagne
- die gleichzeitig die 25. DLR-Kampagne ist - startete dort. Direkt im Anschluss
führt ihn seine allerletzte Reise am 3. November zu seinem endgültigen Ziel -
dem Flughafen Köln-Bonn, wo er zukünftig öffentlich besichtigt werden kann.
Damit ist die Ära der wissenschaftlichen Parabelflüge jedoch nicht zu Ende -
ein Nachfolgeflugzeug steht bereits in den Startlöchern: ein Airbus A310, der
seit 1989 als deutsches Regierungsflugzeug seinen Dienst tat und unter anderem
die amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel zuverlässig zu ihren Zielen
brachte. Nach seinem Umbau wird dieser Airbus als neuer "ZERO-G" für künftige
Parabelflugkampagnen genutzt.
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