Knöpfedrücken unter Schwerelosigkeit
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Deutschen Sporthochschule Köln astronews.com
22. April 2013
Verschlechtern sich unter Schwerelosigkeit die
feinmotorischen Fertigkeiten, so dass die Handlungsfähigkeit der Astronauten
beeinträchtigt wird? Diese Frage wollen Wissenschaftler der Deutschen
Sporthochschule in Köln während der aktuellen Parabelflugkampagne des DLR
untersuchen. Die Resultate könnten nicht nur im All von Bedeutung sein.
Der Airbus A300 ZERO-G mit dem die Parabelflüge
durchgeführt wurden.
Bild: Novespace |
Der Erfolg von Weltraummissionen hängt maßgeblich davon ab, dass Raumfahrer
die ihnen gestellten Aufgaben in angemessener Zeit korrekt erledigen können.
Hierzu zählen auch feinmotorische Leistungen, etwa beim Bedienen von Schaltern
und Kontrollknüppeln im Cockpit und an wissenschaftlichen Instrumenten. Die
Erforschung der Feinmotorik in Schwerelosigkeit ist daher von großer Bedeutung
für die Sicherheit und Effizienz der bemannten Raumfahrt.
Studien bei Parabelflügen und auf der ISS deuten darauf hin, dass die
Feinmotorik unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit beeinträchtigt ist. Ist
das nur ein theoretisches Problem oder haben diese Defizite tatsächlich
Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit der Astronauten? Diese Frage steht im
Mittelpunkt eines Projekts des Instituts für Physiologie und Anatomie der
Deutschen Sporthochschule Köln, das während der gerade laufenden 22.
Parabelflugkampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in
Bordeaux untersucht werden soll.
Vom 23. bis zum 25. April untersuchen Benjamin Schulze und Fabian Steinberg
den Einfluss von Stress und Leistungsbereitschaft beim Bedienen von Instrumenten
bei Parabelflügen. Das Projekt unter Leitung von Institutsleiter Professor Otmar
Bock leistet einen wichtigen Beitrag zum DLR-Forschungsziel "Integrative
Humanphysiologie". Im konkreten Experiment geht es um das Bedienen von Knöpfen
und Schaltern, um einen komplexen Prozess zu überwachen - eine Aufgabe, die
nicht nur bei Weltraumflügen vorkommt, sondern auch der Kontrolle von
Fahrzeugen, Forschungsgeräten und industriellen Abläufen ähnelt.
Die Studienergebnisse können daher auch einen Beitrag zur Optimierung von
Abläufen auf der Erde leisten (Verkehrssicherheit, Prozesssteuerung in Betrieben
etc.). Durch detaillierte kinematische und kinetische Analysen der Handbewegung
wird der Einfluss der Schwerelosigkeit untersucht, insbesondere unter
Berücksichtigung der Faktoren Stress und individuelle Leistungsbereitschaft.
Gerade bei Astronauten könnten komplexe kognitiv-motorische Aufgaben durch
den Einfluss von Stress, wie Schlafmangel oder Isolation, entscheidend
beeinflusst werden. Ähnlich sieht es mit der aktuellen Einschätzung bzw.
Prioritätensetzung und der daraus resultierende Leistungsbereitschaft aus. Das
Projektteam wird während der Parabelflüge Daten zur Feinmotorik, zum Stress
(Messung von Speichel-Cortisol) und zur individuellen Motivation erheben.
Während eines Parabelflugs wird mit einem speziellen Airbus A300 ein ganz
besonderer Kurs geflogen, durch den im Inneren des Jets immer wieder für einige
Sekunden Schwerelosigkeit herrscht. Die Piloten bringen das Flugzeug in einer
Höhe von 6.000 Metern auf nahezu Höchstgeschwindigkeit, um es dann in einem 45
Grad Winkel in die Höhe zu ziehen. Dann lassen sie das Flugzeug rund 2.000 Meter
in die Tiefe sinken, wo sie den Airbus wieder abfangen. 20 Sekunden lang
herrscht so Schwerelosigkeit und die Teams an Bord können ihre Experimente
durchführen. Während eines Flugs wird dieses Manöver bis zu 30 Mal wiederholt.
|