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PARABELFLÜGE
Planetenentstehung im Kurvenflug
Redaktion / Pressemitteilung des DLR
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13. März 2018

Parabelflüge sind eine vergleichsweise günstige Möglichkeit, Experimente in Schwerelosigkeit durchzuführen. Oft werden Versuche, die für die Internationale Raumstation ISS vorgesehen sind, während eines Parabelflugs getestet oder bereits laufende Experimente durch Messungen ergänzt. Bei der jüngsten Kampagne ging es unter anderem um Planetenentstehung und Plasmakristalle.

INKA

Wie entstehen Sterne? Dieser Frage gingen Wissenschaftler der Fakultät für Physik an der Universität Duisburg-Essen mit ihrem Experiment INKA (vorne) bei der DLR-Parabelflugkampagne nach. Bild: DLR (CC-BY 3.0) [Großansicht]

Am 9. März 2018 endete die 31. Parabelflugkampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) erfolgreich: Zwölf Experimente aus Humanphysiologie, Biologie, Physik, Technologieerprobung und Materialwissenschaften befanden sich an Bord des A310 ZERO-G. Es ging unter anderem um Untersuchungen zur Entstehung von Sternen, zur Plasmaphysik, zum Verhalten von Schmelzen in Schwerelosigkeit und zur Durchblutung im menschlichen Körper. Die Kampagne fand in Bordeaux statt, dem Sitz der Firma Novespace, welche die Flugkampagnen im Auftrag des DLR Raumfahrtmanagements durchführt. "Auch nach 18 Jahren Forschung auf Parabelflügen bleibt es bei den Experimenten spannend, da viele Teilnehmer mit ihren Fragestellungen wissenschaftliches oder technologisches Neuland betreten", sagt Dr. Katrin Stang, Programmleiterin der DLR-Parabelflüge.

 An Bord der aktuellen Parabelflugkampagne war nicht nur das zukünftige Astronauten-Assistenzsystem CIMON, das auf der Internationalen Raumstation ISS eingesetzt werden soll (astronews.com berichtete), sondern auch das Experiment INKA (Instabile protoplanetare Körper im Niederdruck Windkanal) von Wissenschaftlern der Fakultät für Physik an der Universität Duisburg-Essen nach. Es beschäftigte sich mit der Frage, wie Sterne eigentlich wachsen. Sanddünen wandern, indem der Wind Partikel an der einen Seite abträgt, die durch Gravitation aber auf der Windschattenseite wieder ablagert werden. Doch was würde ohne die Schwerkraft passieren? Die Düne würde sich einfach in eine Wolke aus Sandkörnern auflösen.

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Während der Entstehung von Planeten sind ähnliche Situationen denkbar, in denen nur lose gebundene Partikel von Sandkorngröße einen kilometer-großen Körper mit nur wenig Eigengravitation, ein sogenanntes Planetesimal, bilden. Um zu erforschen, unter welchen Bedingungen solche Körper stabil sind, beobachten die Wissenschaftler eine Probe aus Partikeln von einem Millimeter Durchmesser in einem Niederdruck-Windkanal, bei dem Druck und Windgeschwindigkeit variiert werden können. Gleichzeitig befindet sich der Windkanal auf einer Zentrifuge, um so verschiedene Eigengravitationen (Planetesimalgrößen) zu simulieren.

Ein weiteres Experiment befasste sich mit komplexe Plasmen. Dabei handelt es sich um elektrisch leitende Gase - ähnlich, wie sie in Leuchtstoffröhren verwendet werden - in die "Staubteilchen", so genannte Mikropartikel, eingebracht werden. Die Mikropartikel mit einem Durchmesser von bis zu zehn Mikrometern laden sich in einer Plasmakammer durch Elektronenanlagerung stark negativ auf und werden durch elektrische Felder zum Schweben gebracht. Infolge dieser Aufladung ist die elektrostatische Wechselwirkung zwischen den Mikropartikeln sehr stark, so dass neue, wissenschaftlich interessante Phänomene auftreten können wie zum Beispiel die Bildung eines Plasmakristalls: eine reguläre Anordnung der Mikropartikel im Plasma.

Beim Parabelflugexperiment beabsichtigten die Wissenschaftler der Justus-Liebig-Universität Gießen, Eigenschaften der flüssigen Phase in komplexen Plasmen, die sogenannte Elektrorheologie, zu erforschen. Neben dieser Grundlagenforschung sind komplexe Plasmen auch ideale Modellsysteme für andere Bereiche, wie etwa die Kristallographie, die Physik und Technik von Flüssigkeiten und Gasen sowie die Nanotechnologie.

Bereits seit 2014 befindet sich ein "Doppelgänger" der Experimentanlage, PK-4 auf der ISS, um längerfristige Forschung unter Schwerelosigkeit zu ermöglichen. So wie die PK-4 hat auch die TEMPUS-Anlage des DLR für die Erforschung von Schmelzen in Schwerelosigkeit einen Zwilling auf der ISS. In den TEMPUS-Experimenten können diese Flüssigkeiten auf einzigartige Weise untersucht werden: Metalle und Legierungen werden durch ein elektrisches Feld frei schwebend positioniert und aufgeschmolzen. Die Schmelzen werden so nicht durch den Kontakt mit einem anderen Material, etwa eines Schmelztiegels, kontaminiert.

Da während des Experiments keine Gravitation herrscht, fallen außerdem die störenden Strömungen in der Schmelze weg, die unter normaler Erdschwerkraft auftreten. Im Fokus der Messungen der Wissenschaftler vom DLR und verschiedener Universitäten standen dabei neue Erkenntnisse über die thermophysikalischen Eigenschaften der Stoffe wie Dichte, Viskosität, elektrische Leitfähigkeit und thermische Ausdehnung. Das ist die Grundlage für Modellberechnungen von technischen Prozessen für ein neues Materialdesign.

Bei der 31. DLR- Parabelflugkampagne kam eine neue Wärmebildkamera zum Einsatz. "Die Wärmebildkamera hat es uns zum ersten Mal erlaubt, TEMPUS-Proben bei Temperaturen unter 600 Grad Celsius zu beobachten", erklärt Dr. Julianna Schmitz vom Kölner DLR-Institut für Materialphysik im Weltraum. "Hierdurch erweitern sich unsere Forschungsmöglichkeiten, wir können nun auch Metalle untersuchen, die bei niedrigen Temperaturen schmelzen. Wir sind sehr zufrieden mit den Ergebnissen."

Auch um medizinische Fragestellungen ging es während der Kampagne: Die sogenannte Mikrozirkulation bezeichnet die Durchblutung der kleinsten Gefäße im menschlichen Körper. Sie hat eine große Bedeutung für den menschlichen Organismus als wichtiges Blutreservoir und beeinflusst den Blutdruck, fördert den Wärmeaustausch und transportiert Sauerstoff und lebenswichtige Nährstoffe zu den Zellen. Forscher des Universitätsklinikums Düsseldorf haben im Parabelflug die Veränderung der Mikrozirkulation in der Schwerelosigkeit mit einem speziellen, Smartphone-großen Hand-Mikroskop untersucht, das unter der Zunge misst. Die Erkenntnisse aus dem Parabelflug könnten helfen, neue diagnostische Möglichkeiten zu entwickeln, um zukünftig Personen mit erhöhtem Risiko für Kreislaufstörungen zu identifizieren und so Kreislaufstörungen frühzeitig vorbeugen. Hierdurch könnte beispielsweise auch die Flugsicherheit von Astronauten und Jetpiloten deutlich verbessert werden.

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Planetenentstehung im Kurvenflug - die jüngste Parabelflugkampagne des DLR. Diskutieren Sie mit anderen Lesern im astronews.com Forum.
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