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Mit CIMON soll im Sommer der weltweit erste fliegende und autonom agierende Astronauten-Assistent mit einer Künstlichen Intelligenz zur Internationalen Raumstation ISS aufbrechen und dort unter anderem dem ESA-Astronaut Alexander Gerst im Columbus-Weltraumlabor assistieren. Heute ist während eines Parabelflugs schon einmal ein Test in Schwerelosigkeit geplant.
CIMON kann sehen, hören, verstehen, sprechen - und fliegen. Er ist rund, hat einen Durchmesser von 32 Zentimetern und wiegt fünf Kilogramm. Sein robotisches Vorbild war in den 1980er Jahren in der Zeichentrickserie "Captain Future" Professor Simon Wright, das "fliegende Gehirn" mit Sensoren, Kameras und einem Sprachprozessor. Fast 40 Jahre später könnte jetzt mit CIMON (Crew Interactive MObile companioN), einem astronautischen Flugbegleiter und Assistenzsystem, aus Science Fiction tatsächlich "Science Fact" werden. CIMON soll ab Sommer 2018 der neue Mitbewohner der Internationalen Raumstation ISS werden, um als Technologie-Experiment die Zusammenarbeit von Menschen und intelligenten Maschinen an Bord der ISS zu demonstrieren. Entwicklung und Bau des interaktiven Astronauten-Assistenten wurden vom Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) in Auftrag gegeben und von Airbus in Friedrichshafen und Bremen umgesetzt. Als sprachgesteuerte Künstliche Intelligenz dient die Watson KI-Technologie aus der IBM Cloud. Die menschlichen Aspekte des Assistenzsystems wurden von Wissenschaftlern des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) mitentwickelt und betreut. Ein rund 50-köpfiges Projektteam von DLR, Airbus, IBM und der LMU arbeitet seit August 2016 an der Realisierung von CIMON. "CIMON ist in dieser Form weltweit einzigartig", fasst Dr. Christian Karrasch, CIMON-Projektleiter im DLR Raumfahrtmanagement in Bonn, zusammen. "Dieses Experiment haben wir in sehr kurzer Zeit realisiert und es soll zeigen, inwieweit es möglich ist, die Astronauten im europäischen Columbus-Modul der ISS bei ihren Arbeiten zu unterstützen und sie vor allem bei Routineaufgaben zu entlasten. Im Idealfall könnten die Astronauten dadurch ihre Zeit noch besser und effektiver nutzen. Wir betreten hier Neuland und bewegen uns mit CIMON an der Schwelle des technologisch Machbaren."
Schwerelos wird CIMON bereits heute bei der 31. DLR-Parabelflugkampagne in Bordeaux. Dabei sollen insbesondere Orientierung, Navigation und Lenkung getestet werden, um für den Einsatz auf der ISS - in permanenter Schwerelosigkeit - optimal vorbereitet zu sein. Im Juni soll CIMON dann an Bord des amerikanischen SpaceX-15-Raumtransporters zur ISS reisen. Dort wird er vom deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst in Empfang genommen. Nach einem Funktionstest soll der deutsche Astronaut dreimal mit seinem künstlichen Crew-Kollegen arbeiten - auf der Agenda stehen Versuche mit Kristallen, mit dem Rubik-Zauberwürfel und ein medizinisches Experiment, bei dem CIMON als fliegende Kamera genutzt wird. CIMON ermöglicht es dem Astronauten, beide Hände frei zu haben, er muss zum Beispiel keinen Computer manuell bedienen. Durch den vollständig sprachgesteuerten Zugriff auf Dokumente und Medien kann der Astronaut "bequem" durch Bedienungs-, Reparaturanleitungen und Prozeduren für Experimente und Anlagen navigieren. CIMON dient somit als komplexe Datenbank mit allen notwendigen Informationen für Arbeiten auf der ISS und kann zeitgleich als mobile Kamera für Dokumentationszwecke genutzt werden. Dabei verfügt der intelligente künstliche Assistent bei seiner Premiere im All noch nicht über alle denkbaren und von seinen Entwicklern angedachten Fähigkeiten: "Mittelfristig wollen wir uns auch Gruppen-Effekten widmen, die sich bei kleinen Teams über lange Zeit hinweg entwickeln und bei Langzeitmissionen zu Mond und Mars auftreten können. Denn die soziale Interaktion zwischen Mensch und Maschine, zwischen Astronaut und mit emotionaler Intelligenz ausgestattetem Flugbegleiter, könnte eine wichtige Rolle für den Erfolg dieser Missionen spielen", verdeutlicht Till Eisenberg, CIMON-Projektleiter bei Airbus. Zudem interessieren die Ingenieure auch die Verarbeitung großer Datenmengen (Big Data) und ihre systematische Verarbeitung (Data Mining). "Wir wollen mit dem Projekt CIMON die aktuellen Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz in einem komplexen Umfeld wie der Internationalen Raumstation untersuchen, um die Menschen in solchen Umgebungen bestmöglich zu unterstützen”, erläutert Matthias Biniok, Projektleiter bei IBM, das Interesse an dem Projekt. So nutze CIMON die Watson KI für Text-, Sprach- und Bildverarbeitung, für das Auffinden spezifischer Informationen und Erkenntnisse, wie etwa Informationen zum Ablauf von Experimenten sowie die Interpretation von Stimmungen und Gefühlen. "Diese Fähigkeiten können im Kontext ihres jeweiligen Einsatzes individuell trainiert und vertieft werden. Die Künstliche Intelligenz nutzt dabei insbesondere auch künstliche neuronale Netze," so Biniok. CIMON hat auch einen wissenschaftlichen Hintergrund: Berater sind Dr. Judith-Irina Buchheim und Prof. Dr. Alexander Choukèr von der Klinik für Anästhesiologie am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im Rahmen verschiedener Forschungsprojekte beschäftigen sich Buchheim und Choukèr mit den Auswirkungen von Stress auf das Immunsystem des Menschen. "Dabei untersuchen wir nicht nur Patienten auf Intensivstationen, sondern auch Menschen, die durch ihr Umfeld einer außergewöhnlichen Stress- und Arbeitsbelastung ausgesetzt sind wie beispielsweise Polarforscher in der Antarktis oder Astronauten auf der Internationalen Raumstation ISS", berichtet Judith Buchheim und ergänzt: "Unsere Studien zeigen, dass ein Aufenthalt in Schwerelosigkeit die Funktion des Immunsystems der Astronauten signifikant beeinträchtigen kann. Stress ist dabei ein wesentlicher Einflussfaktor." So würden anstrengende Aufgaben, die man mit einem Kollegen erledigt, bei guter Zusammenarbeit meist als weniger anstrengend empfunden. "CIMON könnte als Partner und Begleiter Astronauten bei ihrem hohen Pensum an Experimenten, Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten unterstützen und dadurch deren Stressexposition reduzieren. Denkbare Anwendungsmöglichkeiten auf der Erde sind laut Buchheim die Unterstützung von Ingenieuren, Forschern und Ärzten, das KI-basierte Erfragen von Symptomen oder das Begleiten von älteren, alleinlebenden Personen im Alltag. CIMONs Struktur wurde komplett in einem 3D-Verfahren gedruckt und besteht aus Metall und Kunststoff. Sein "Gesicht" ist ein Display und soll sich schwebend etwa in Augenhöhe der Astronauten bewegen. Er kann Informationen, Anleitungen zu wissenschaftlichen Experimenten und Reparaturen darstellen und erklären. Seine "Augen" sind zwei Kameras und zur Gesichtserkennung ist eine weitere Kamera eingebaut. Zwei Seitenkameras dienen der Videodokumentation und könnten auch für weitere computergenerierte Zusatzfunktionen (Augmented Reality) genutzt werden. Ultraschall-Sensoren messen Abstände zur Kollisions-Erkennung. Als "Ohren" fungieren sieben Mikrofone zur Richtungserkennung plus ein Richt-Mikrofon für eine gute Spracherkennung. Sein "Mund" ist ein Lautsprecher, über den er sprechen und Musik abspielen kann. Kernstück der KI für das Sprachverständnis ist das System IBM Watson. Selbstständiges Lernen von CIMON wurde ausgeschlossen, er muss aktiv durch einen Menschen trainiert werden. Die KI zur autonomen Navigation stammt von Airbus und dient der Bewegungsplanung und Objekterkennung. Durch 14 interne Ventilatoren kann sich CIMON frei in alle Raumrichtungen bewegen und rotieren. Somit kann er sich dem Astronauten zuwenden, wenn er angesprochen wird, Kopfnicken, Kopfschütteln und räumlich selbstständig oder auf Kommando folgen. In Schwerelosigkeit auf der ISS ist ein Einsatz von zwei Stunden möglich. Die Dimensionen des Gesichtes von CIMON sind den Proportionen eines Menschen nachempfunden. Gestik und Mimik sind ebenso möglich, wie ein weibliches, männliches oder neutrales Aussehen und Stimme. Das Produkt-Design von CIMON wurde in Zusammenarbeit mit Reichert Design, einer Firma aus Stetten am Bodensee, realisiert. Weitere Partner des Projekts sind die europäische Weltraumagentur ESA, besonders das Europäische Weltraumforschungs- und Technologiezentrum ESTEC in Noordwijk zur technischen Integration, BioTESC in Hergiswil in der Schweiz zur operationellen Experiment-Vorbereitung und Durchführung des Experimentes in der Infrastruktur der ISS, das Columbus-Kontrollzentrum beim DLR in Oberpfaffenhofen zur operationellen Missionsplanung und das Europäische Astronauten Trainingszentrum EAC in Köln.
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