Die Einschlagkrater der Erde im Visier
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
12. Juni 2015
Die beiden deutschen Radarsatelliten TerraSAR-X und
TanDEM-X umkreisen seit 2010 im Formationsflug die Erde. Aus ihren
Daten wurde inzwischen ein detailliertes 3D-Höhenmodell der Erdoberfläche
erstellt. Darauf lassen sich auch Einschlagkrater gut erkennen und untersuchen.
In Zukunft hoffen die Forscher auch, mithilfe der Daten noch unbekannte Zeugen
früherer Einschläge aufzuspüren.

Der Rieskrater im Übergang von der
Schwäbischen zur Fränkischen Alb entstand, als
vor 14,8 Millionen Jahren hier ein Asteroid mit
einem Durchmesser von einem Kilometer einschlug.
Was heute von dem einstigen Krater übrig ist,
lässt sich am deutlichsten im digitalen
Höhenmodell der beiden Radarsatelliten TerraSAR-X
und TanDEM-X erkennen.
Bild: DLR [Großansicht] |
Gerade einmal 188 Meteoritenkrater kennt man weltweit - manche mit einem
Durchmesser von nur zehn Metern, andere sind mit einem Durchmesser von 160
Kilometern deutlich mächtiger. Allen gemeinsam ist die Entstehungsgeschichte:
Mindestens elf Kilometer pro Sekunde schnell, also mit mehr als 39.000
Kilometern in der Stunde, muss ein Körper aus dem All auf der Erde auftreffen,
um einen Einschlagskrater zu hinterlassen.
"Und sie alle können sehr unterschiedlich aussehen, sind oftmals verwittert
oder auch mit Seen gefüllt", weiß Manfred Gottwald, Wissenschaftler am Deutschen
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Er hat sie fast alle gesehen - nicht
persönlich, sondern mit den Augen der beiden deutschen Radarsatelliten
TerraSAR-X und TanDEM-X. Aus deren Daten erstellt das DLR ein
dreidimensionales Höhenmodell in einer bisher noch nicht erreichten Genauigkeit.
Zu den so sichtbar gewordenen Überresten einstiger Einschläge gehören die
Aorounga-Struktur im Tschad genauso dazu wie der Tin Bider-Krater in Algerien,
der Shunak-Impakt in Kasachstan oder auch der Rieskrater in Deutschland.
"Zunächst einmal wollen wir lernen, wie die bereits bekannten Meteoritenkrater
im 3D-Höhenmodell unserer Radarsatelliten aussehen", erläutert Manfred Gottwald
vom DLR-Institut für Methodik der Fernerkundung. Der Blick aus rund 500
Kilometern Höhe erreicht dabei auch die entlegensten Krater.
Die Radarsatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X, die seit 2010
im Formationsflug um die Erde kreisen, haben dabei auch den Vorteil, dass sie -
im Gegensatz zu optischen Satelliten - unabhängig von Bewölkung oder Beleuchtung
die Erdoberfläche aufzeichnen können. Erstmals können die Krater so weltweit in
einem einheitlichen, globalen Höhenmodell aufgespürt und verglichen werden.
Um die verschiedenen Einschlagskrater besonders plastisch zu zeigen, werden
bei der Auswertung der Daten eine künstliche Beleuchtung hinzugefügt, bei der
die Wissenschaftler Sonnenhöhe und -winkel festlegen. Schattenwurf und
Höhenmodell in Kombination lassen dann die Kraterränder, Verwerfungen und
Erosionsphänomene erst richtig deutlich werden.
Die Aufnahmen für das neue Bild der Erde in 3D sind mittlerweile
abgeschlossen, so dass die beiden Radarsatelliten zurzeit für die
verschiedensten wissenschaftlichen Untersuchungen eingesetzt werden. Diese
Projektphase dauert noch bis Ende dieses Jahres und ist vornehmlich für
Forschung in den Bereichen Geologie, Hydrologie, Glaziologie, aber auch
Agrarwissenschaft, Wald- und Forstwirtschaft und urbane Landnutzung sowie für
die Erprobung neuer Radartechniken vorgesehen.
Für das dreidimensionale Höhenmodell mit einer vertikalen Genauigkeit von bis
zu zwei Metern verarbeiteten die Wissenschaftler des DLR bisher mehr als 450.000
Einzelszenen. 65 Prozent der Landmasse der Erde sind bereits in 3D berechnet.
"Unser Höhenmodell liefert viele Informationen zu den Einschlagskratern,
beispielsweise zur exakten Größe oder auch zum Erhaltungsgrad. Auch lassen sich
Krater, die im Sichtbaren durch Vegetation maskiert sind, in ihrer gesamten
Dimension kartieren."
Der Prototyp des kosmischen Einschlagskraters befindet sich im amerikanischen
Bundesstaat Arizona: Der Barringer-Krater liegt gut erkennbar in der flachen
Halbwüste, hat einen Durchmesser von 1,2 Kilometern und zählt zu den am besten
erforschten Hinterlassenschaften eines kosmischen Objekts. Dieses etwa 50 Meter
große Projektil schlug vor 49.000 Jahren mit einer Geschwindigkeit von zwölf bis
20 Kilometern pro Sekunde auf der Erde auf.
Ähnlich zeigt sich die kasachische Shunak-Struktur aus dem All, deren rund
400 Meter hoher Kraterrand sich im TanDEM-X-Höhenmodell selbst inmitten einer
hügeligen Umgebung perfekt abhebt. Vor etwa 45 Millionen Jahren, so schätzen die
Wissenschaftler, entstand der Shunak-Krater mit einem Durchmesser von 2,8
Kilometern.
Allerdings tun nicht alle Krater den Wissenschaftlern den Gefallen, wie ein
typischer Krater auszusehen. Die Aorounga-Struktur im nordafrikanischen Tschad
dürfte bereits 345 Millionen Jahre alt sein und ist dementsprechend sehr stark
verwittert. Gerade aus dem All sind sowohl der äußere als auch der innere Ring
zu erkennen. Der kräftige Wind hat dabei wie ein Baumeister parallele Strukturen
hinzufügt: Sie bestehen aus windbeständigen Felsrücken, den so genannten
Yardangs, zwischen denen Sanddünen vom Wind getrieben hindurchwandern. Der
Krater Tin Bider im algerischen Teil der Sahara überragt entgegen aller
Krater-Klischees die Umgebung. Er besteht aus unterschiedlichen
Gesteinsschichten, die im Laufe der Zeit ebenso unterschiedlich stark
erodierten.
Einer der Lieblingskrater von DLR-Wissenschaftler Gottwald "liegt praktisch
vor der Haustür": der Rieskrater im Übergang von der Schwäbischen zur
Fränkischen Alb. Als vor 14,8 Millionen Jahren hier ein Asteroid mit einem
Durchmesser von einem Kilometer einschlug, waren die Auswirkungen beeindruckend.
An dem zunächst zehn Kilometer großen Krater rutschten die Ränder ab und so
vergrößerte sich der Kraterkessel auf 24 Kilometer. Die Erhebung im Inneren des
Kraterkessels kollabierte - und produzierte damit einen weiteren, kleineren
Ring.
Noch in einer Entfernung von 40 Kilometern wurde die Erde mit einer bis zu
hundert Meter dicken Schicht aus Impaktgestein bedeckt. Auch ein See füllte für
einige Millionen Jahre den Krater. Was heute von dem einstigen Krater übrig ist,
lässt sich am deutlichsten im digitalen Höhenmodell der beiden Radarsatelliten
erkennen.
Noch hat der DLR-Wissenschaftler allerdings nur die bereits bekannten Krater
im Blick. "Unser Ziel ist es aber, mit den Informationen unserer Radarsatelliten
später einmal in ausgewählten Gebieten auch nach bisher noch nicht
identifizierten Kratern Ausschau zu halten - das ist allerdings sehr
trickreich", betont DLR-Wissenschaftler Gottwald. Er arbeitet deshalb auch unter
anderem mit Geologen der Universität Freiburg und des Museums für Naturkunde in
Berlin zusammen.
"Letztendlich kann nur eine Untersuchung des Gesteins vor Ort bestätigen, ob
es sich tatsächlich um einen Einschlagskrater handelt," so Gottwald. Das
Geländemodell des DLR ist dabei so genau, dass es nicht nur Hinweise auf einen
möglichen Einschlag liefert, sondern auch hilft, die oftmals beschwerlichen
Expeditionen zum Ort des Geschehens zu planen und durchzuführen.
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