Deutscher Radarsatellit fünf Jahre im All
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
15. Juni 2012
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt freut sich über
ein besonderes Jubiläum: Der deutsche Radarsatellit TerraSAR-X startete
vor genau fünf Jahren ins All und hat seitdem nahezu fehlerfrei funktioniert. So
hofft man am DLR, dass die ursprünglich einmal auf fünf Jahre ausgelegte Mission
noch für einige weitere Jahre Daten liefern wird.

Der deutsche Radarsatellit TerraSAR-X ist
seit fünf Jahren im All.
Bild: DLR |
Heute vor genau fünf Jahren, am 15. Juni 2007 um 4.14 Uhr MESZ,
startete der deutsche Radarsatellit TerraSAR-X vom Kosmodrom Baikonur
aus ins All (astronews.com berichtete). Dieses Datum steht damit für den Beginn
einer neuen Phase der Satelliten-Fernerkundung in Deutschland. Die Mission war
ursprünglich auf fünf Jahre ausgelegt, der Satellit hat also heute seine
Soll-Lebenszeit erreicht. Angesichts seines hervorragenden Zustands hofft man
aber auf weitere erfolgreiche Betriebsjahre.
"Der Betrieb von TerraSAR-X läuft seit fünf Jahren nahezu fehlerlos.
Der Treibstoffverbrauch des Satelliten war gering, Solarbatterie sowie
Radarinstrumente sind in gutem Zustand, und es sind noch alle Ersatzsysteme
vorhanden. Das hätten wir uns nicht besser wünschen können", freut sich Michael
Bartusch, Projektleiter der TerraSAR-X-Mission beim Raumfahrtmanagement
des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
TerraSAR-X wurde im Auftrag des DLR von der Firma Astrium gebaut und
ist der erste Erdbeobachtungssatellit, der vollständig in Deutschland entwickelt
wurde. Dank der Radarinstrumente an Bord kann die Erdoberfläche unabhängig von
Wetterbedingungen, Wolkenbedeckung und Tageslicht vermessen werden. Mit einer
Detailgenauigkeit von bis zu einem Meter liefert der Satellit seit
Missionsbeginn so einmalige Datensätze. Damit hat TerraSAR-X seine
Missionsziele voll erfüllt: Die Bereitstellung von hochwertigen SAR-(Synthetic-Aperture-Radar-)Daten
im X-Band für Forschung und Entwicklung sowie für wissenschaftliche und
kommerzielle Anwendungen. Der kommerzielle Vertrieb der Daten erfolgt seit
Anfang 2008 über den deutschen Teil von Astrium GEO-Information Services, der
Infoterra GmbH.
Die hohe Genauigkeit und Verlässlichkeit der TerraSAR-X-Daten hat
Wissenschaftlern aus unterschiedlichsten Forschungsrichtungen die Entwicklung
ganz neuer Anwendungen und Verfahren ermöglicht. Besonders gefragt sind
Aufnahmen in Zeitreihen, um Veränderungen einer bestimmten Region anhand der
hochaufgelösten Satellitenbilder exakt feststellen zu können. Dies trifft etwa
auf die Beobachtung von Gletschern in Grönland zu - mit ihrer
Fließgeschwindigkeit dienen sie als Indikator für die globale Erwärmung.
Für ein Forschungsprojekt der Universität von Washington werden die 20
wichtigsten Ausflussgletscher fünf mal im Jahr vermessen. Besonderer Augenmerk
gilt dabei dem Jakobshavn Isbrae, der als einer der schnellsten Gletscher der
Welt gilt. TerraSAR-X ist derzeit als einziger Fernerkundungssatellit
in der Lage, Aufnahmen in der notwendigen Auflösung und Zeitreihe für das
Projekt zu liefern.
Für Klimaforscher nimmt der deutsche Radarsatellit sogar Waldfrösche in
Nordkanada unter die Lupe. Denn die rund acht Zentimeter großen Amphibien sind
ebenfalls ein Klimaindikator - verändert sich das Klima und der Lebensraum,
wirkt sich das umgehend auf die sensible Population aus. Die Frösche brüten in
kleinen Wassertümpeln, die sich in der Auftauperiode nach dem kalten Winter
bilden und dann austrocknen. Den hochauflösenden Aufnahmen von TerraSAR-X
entnehmen die Wissenschaftler des Terrestrial-Wetland Global Change Network
nun, wann sich die Froschtümpel bilden und wie sie sich über die Zeit
entwickeln. Zuvor waren sie hauptsächlich darauf angewiesen, Mikrofone
aufzustellen und anhand der eingehenden Froschlaute auf den Bestand zu
schließen. Mit den neuen Technologien aus der Fernerkundung können die Biologen
nun ganz neue Wege gehen.
Eine ganz neue Anwendung findet TerraSAR-X auch in der Beobachtung
von kritischen Infrastrukturen. Dies gilt für Brücken und insbesondere für
Sicherheitsanlagen wie etwa Staudämme. Dank modernster Verfahren kann das
Radarauge Verformungen im Millimeterbereich sichtbar machen. Dies demonstrierten
Entwickler vom DLR Oberpfaffenhofen in einer Zusammenarbeit mit der Technischen
Universität München, am Beispiel des Berliner Hauptbahnhofs: Innerhalb eines
Jahres verformt sich der Stahlkomplex vertikal um bis zu 1,8 Zentimeter und
horizontal zwischen 1,5 und 3,5 Zentimeter. Die Aufnahmen von TerraSAR-X
zeigen die saisonalen Unterschiede millimetergenau - in den warmen Jahreszeiten
dehnt sich die Stahlkonstruktion aus und erreicht zwischen Juni und September
ihren Höchststand. In der kühleren Jahreszeit zieht sich das Material zusammen
und der Bahnhof "bewegt sich" wieder zurück.
Einen wichtigen Beitrag leistet TerraSAR-X bei Naturkatastrophen,
Großunfällen oder humanitären Hilfsaktionen. Für die bestmögliche Hilfe vor Ort
benötigen Einsatzkräfte umfassende Lageinformationen - unabhängig von Tageszeit,
Wetterlagen, detailliert und aktuell. Für TerraSAR-X kein Problem. Das
DLR ist daher Mitglied der International Charter Space and Major Disasters:
Daten zur Notfallkartierung lieferte der Radarsatellit beispielsweise bei dem
schweren Erdbeben auf Haiti 2010, den Überschwemmungen in Pakistan 2011 oder der
Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe in Japan. Zuletzt war TerraSAR-X
während des Fußball Champions League Finales in München im Einsatz - für eine
Testübung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz zur Lageerfassung bei
Großereignissen.
Seit Juni 2010 hat der Jubiläumssatellit Gesellschaft. Mit seinem nahezu
baugleichen Zwilling TanDEM-X fliegt TerraSAR-X inzwischen in
einer engen Formation um die Erde. Gemeinsam sollen sie so ein hochgenaues
Höhenmodell des Planeten erstellen.
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