Zweiter deutscher Radarsatellit im All
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
21. Juni 2010
Deutschlands zweiter nationaler Erdbeobachtungssatellit TanDEM-X ist am
21. Juni 2010 um 4.14 Uhr MESZ erfolgreich vom Weltraumbahnhof Baikonur in
Kasachstan gestartet. An Bord einer russischen Trägerrakete des Typs Dnjepr
hat der mehr als 1,3 Tonnen schwere und fünf Meter lange Satellit seine Reise in
den Orbit angetreten. Um 4.45 Uhr MESZ gab es einen ersten Kontakt mit der
Bodenstation Troll in der Antarktis.

Deutschlands zweiter nationaler
Erdbeobachtungssatellit TanDEM-X ist am 21. Juni
2010 um 4.14 Uhr MESZ erfolgreich vom
Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan aus gestartet.
Foto: DLR |
"TanDEM-X ist ein deutsches Schlüsselprojekt und
liefert uns ein homogenes 3-D-Höhenmodell der Erde als unentbehrliche
Grundlage für viele wissenschaftliche und kommerzielle Fragestellungen",
sagte DLR-Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Johann-Dietrich Wörner im
Rahmen der Startveranstaltung im Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum (German
Space Operation Center, GSOC) des Deutsche Zentrum für Luft- und
Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen. Das DLR ist für die Steuerung von
TanDEM-X (TerraSAR-X add-on for Digital Elevation
Measurement) über ein Bodensegment, die Durchführung der Mission
und die Erzeugung und Nutzung der wissenschaftlichen Daten
verantwortlich. "Die Mission demonstriert die deutsche Kompetenz
in der satellitengestützten Radartechnik und ist das Ergebnis einer
konsequenten Schwerpunktsetzung im nationalen Raumfahrtprogramm.
Insbesondere ist TanDEM-X aber auch die Demonstration einer
erfolgreichen Public-Private-Partnership (PPP)",so Wörner weiter.
Die Mission TanDEM-X wird (wie berichtet) als öffentlich-privates
Projekt (Public-Private-Partnership) zwischen DLR und der Astrium GmbH mit
Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie realisiert und
finanziert. Die Infoterra GmbH, eine Astrium-Tochtergesellschaft, ist für die
kommerzielle Vermarktung der TanDEM-X-Daten zuständig. Die Astrium GmbH
in Friedrichshafen hat den Satelliten gebaut und ist an den Kosten für die
Entwicklung und Nutzung beteiligt. Die TanDEM-X-Mission hat ein
Gesamtvolumen von 165 Millionen Euro. Das DLR trägt 125 Millionen Euro, das
europäische Raumfahrtunternehmen Astrium steuert 40 Millionen Euro bei.
Zusammen mit seinem Zwillingssatelliten TerraSAR-X, der sich seit
2007 im All befindet, vermisst der zweite deutsche Erdbeobachtungssatellit
TanDEM-X in einer Höhe von 514 Kilometern innerhalb von drei Jahren die
komplette Landoberfläche der Erde - das sind 150 Millionen Quadratkilometer -
mehrfach und vollständig. Denn für weite Teile der Erde existieren derzeit nur
grobe, uneinheitliche oder lückenhafte Höhenmodelle – diese Lücke will die
TanDEM-X-Mission mit der digitalen Erfassung der globalen Landmassen in 3D
in bislang einzigartiger Qualität schließen.
TanDEM-X und TerraSAR-X werden dazu mit einem Abstand von
nur wenigen hundert Metern in enger Formation fliegen und das erste so genannte
SAR(Synthetic-Aperture Radar)-Interferometer dieser Art im Weltraum bilden. Beim
herkömmlichen SAR sendet das Radar des Satelliten Mikrowellenpulse aus, die von
der Erdoberfläche reflektiert und von dem Radar wieder empfangen werden. Aus der
Laufzeit der Signale ergibt sich der Abstand der Satelliten zur Erdoberfläche.
Da sich der Satellit um die Erde bewegt, beleuchtet das Radar einen Streifen am
Boden und zeichnet Signale auf, die dann weiterverarbeitet werden.
Bei der SAR-Interferometrie wird ein Gebiet von zwei unterschiedlichen
Positionen aus, also aus verschiedenen Blickwinkeln, zeitgleich abgebildet. Das
Prinzip ähnelt entfernt dem räumlichen Sehen des Menschen mit zwei Augen. Die
beiden "Radaraugen" befinden sich auf dem Satelliten-Duo TanDEM-X und
TerraSAR-X und erstellen letztlich ein Interferogramm mit
unterschiedlichen Weglängendifferenzen, aus denen dann die Höheninformationen
abgeleitet werden können. Innerhalb von drei Jahren entsteht so ein gigantischer
Datensatz, der dem Speichervermögen von 200.000 DVDs entspricht.
TanDEM-X ist für eine Lebenszeit von mindestens fünf Jahren konzipiert und
hat eine geplante überlappende Einsatzzeit mit TerraSAR-X von mindestens drei
Jahren.
Der spezifische Vorteil der satellitengestützten Erdvermessung gegenüber
flugzeuggestützten Verfahren: Es entsteht ein globales, homogenes Geländemodell
ohne Brüche an Ländergrenzen oder Uneinheitlichkeiten. Hierbei spielt der
Einsatz des Radars eine entscheidende Rolle, da es unabhängig von Wetter- und
Beleuchtungsbedingungen betrieben werden kann. Das Verfahren ist derzeit
konkurrenzlos und findet insbesondere in den USA Beachtung.
Digitale Höhenmodelle sind vielseitig einsetzbar: Geowissenschaftliche
Disziplinen wie Hydrologie, Geologie und Ozeanographie benötigen präzise und
aktuelle Informationen über die Beschaffenheit der Erdoberfläche. Digitale
Höhenmodelle können für eine effizientere Förderung von Bodenschätzen ebenso
hilfreich sein wie für eine optimierte Kriseneinsatzplanung in
Katastrophenfällen und bei Sicherheitseinsätzen. Digitale Karten sind auch
Voraussetzung für zuverlässige Navigation: Deren Genauigkeit muss Schritt halten
mit den steigenden Anforderungen bei der globalen Positionsbestimmung.
Deutschland wird mit dem digitalen Geländemodell der Erde über ein weltweit
einmaliges Datenprodukt verfügen. Dieses kann in Initiativen und Programmen wie
zum Beispiel dem ZKI (Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation des
DLR), GMES (Global Monitoring for Environment and Security) und GEOSS (Global
Earth Observation System of Systems), aber auch in sicherheitsrelevante
Kooperationsabkommen eingebracht werden. Nicht zuletzt erwarten kommerzielle
Kunden auf der ganzen Erde gespannt das TanDEM-X-Höhenmodell: Sobald
dies ab 2013 vorliegt, werden Fernerkundungs- und Geoinformationsexperten aus
Privatwirtschaft, Behörden, Verteidigungs- und Sicherheitseinrichtungen davon
bei ihrer Arbeit profitieren können.
Ein Netzwerk von drei TanDEM-X-Bodenstationen (Kiruna/Schweden,
Inuvik/Kanada und O’Higgins/Antarktis) steht für den immensen Rohdaten-Transfer
der Satelliten zur Verfügung. Die Daten werden in drei Hauptschritten
verarbeitet: Zunächst werden die von TanDEM-X an die Empfangsstationen
übertragenen Datensegmente überprüft. Im Anschluss werden die Ergebnisse im
Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des DLR in Oberpfaffenhofen bewertet
und zu Höhenmodellen in Rohversionen verarbeitet. Der sogenannte Mosaicking- und
Kalibrierungsprozessor erzeugt dann das globale digitale Höhenmodell. Der
globale Höhenmodell-Datensatz wird 15 TeraByte umfassen und rund vier Jahre nach
dem Start von TanDEM-X zur Verfügung stehen.
Die Anpassung des Höhenmodells an die Bedürfnisse kommerzieller Nutzer sowie
dessen weltweite Vermarktung übernimmt exklusiv die Infoterra GmbH. Im Rahmen
der Datenveredelung wird Infoterra die vom Satellitensystem gelieferten Rohdaten
entsprechend der Anforderungen der jeweiligen Kunden weiter bearbeiten:
Üblicherweise werden so genannte Spikes (Spitzen bzw. Ausreißer, verursacht
durch Rauschen), Versätze (können aufgrund von Radarschatten vor allem in
bergigem Terrain auftreten) sowie Wasserflächen (Sicherstellung einer
einheitlichen Wasserhöhe sowie des richtigen Gefälles von Flussläufen) editiert.
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