Geschwindigkeitsmessung eines Gletschers
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
3. Februar 2014
Mithilfe der deutschen Radarsatelliten TerraSAR-X
und TanDEM-X ist es Wissenschaftlern nun gelungen, die
Bewegungsgeschwindigkeit eines Gletschers auf Grönland genau zu messen. Diese
erhöhte sich innerhalb der letzten Jahre offenbar dramatisch. Auch hat der
Gletscher schon merklich zur Erhöhung des Meeresspiegels beigetragen - ein
Prozess, der sich künftig noch verstärken dürfte.
Die hochaufgelöste TerraSAR-X Aufnahme
stammt vom 8. Januar 2014 und zeigt die
Gletscherfront des Jakobshavn Isbrae. Die
Gletscherzunge erscheint als helle, von Spalten
geprägte Fläche, umgeben von den dunkleren
sanften Gebieten entlang des Fjords. Im Winter
ist der Ilulissat-Eisfjord mit Eisbergen gefüllt,
die an der Gletscherfront "gekalbt", also
abgebrochen sind.
Bild: DLR [Großansicht] |
Seit den 1990er Jahren gilt der Jakobshavn Isbrae als der sich am schnellsten
bewegende Gletscher Grönlands. Seine Geschwindigkeit ist nun drastisch
gestiegen, mit Rekordwerten für 2012 und 2013 – so das Ergebnis von
Wissenschaftlern der University of Washington und des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Räumlich und zeitlich hochaufgelöste
Daten der deutschen Radarsatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X
ermöglichten besonders präzise Berechnungen. Die neue Studie wurde heute in der
Zeitschrift The Cryosphere der European Geosciences Union
(EGU) veröffentlicht.
"Wir beobachten Jakobshavn Isbrae bereits seit Mitte 2008 regelmäßig mit dem
TerraSAR-X-Satellit. Es ist wirklich beeindruckend zu sehen, wie stark
dieser Gletscher sich innerhalb kürzester Zeit verändert", so Mitautorin Dr.
Dana Floricioiu vom Institut für Methodik der Fernerkundung des DLR-Earth
Observation Center in Oberpfaffenhofen.
Die Datenauswertung zeigt, dass die Fließgeschwindigkeiten des Jakobshavn
Gletschers 2012 und 2013 im Jahresdurchschnitt fast dreimal höher sind als vor
zwanzig Jahren. Während der Sommerperiode übertrifft sich der Gletscher hier um
mehr als das Vierfache. Die Höchstgeschwindigkeit maßen die Wissenschaftler im
Sommer 2012: 17 Kilometer pro Jahr. Dies entspricht einer Geschwindigkeit von
mehr als 46 Metern pro Tag - ein Rekord für Ausflussgletscher nicht nur in
Grönland, sondern auch in der Antarktis.
Die zunehmende Geschwindigkeit bedeutet auch einen zunehmenden Verlust der so
genannten Gletschermächtigkeit. Das in den Ozean abgehende Volumen des
Jakobshavn Isbrae ist bereits so beträchtlich, dass es die Meerespiegelhöhe
beeinflusst: ein Anstieg von rund einem Millimeter in den Jahren 2000 bis 2010.
Künftig wird Jacobshavn Isbrae den Meeresspiegel nun noch höher ansteigen
lassen.
Gleichzeitig zeigen die Satellitendaten, dass sich in den Rekordjahren 2012
und 2013 auch die Gletscherzunge stärker ins Landesinnere zurückgezogen hat:
über einen Kilometer mehr als in den Jahren zuvor. Nach Einschätzung der
Experten könnte sich im Laufe dieses Jahrhunderts der Gletscher um weitere 50
Kilometer - bis zur Fjordspitze - zurückziehen.
Unabdingbar für die exakte Geschwindigkeitsbestimmung des Jakobshavn Isbrae
waren Informationen der deutschen Erdbeobachtungsmissionen TerraSAR-X
und TanDEM-X. Das Earth Observation Center (EOC) des DLR
stellte die Satellitendaten gezielt zur Verfügung und bereitete sie speziell
auf. "Wir haben sehr darauf geachtet, dass die Zeitserie der Satellitenaufnahmen
nicht unterbrochen wird und die Daten zuverlässig ausgeliefert werden. Die
Radarsatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X sind wunderbare
Werkzeuge für uns, um komplexe Eisstrukturen von wissenschaftlich
hochinteressanten Arealen umfassend zu beobachten", erklärt Floricioiu. "In den
Satellitendaten werden Feinstrukturen der eis- und schneebedeckten Gebiete sehr
genau wiedergegeben. Daraus lassen sich dann dynamische Vorgänge wie
Fließbewegungen von Gletschern und Eisströmen detailliert analysieren", ergänzt
sie.
TerraSAR-X wurde zunächst so ausgerichtet, dass er in einem Abstand
von elf Tagen über mehrere Jahre hinweg Aufnahmen liefert, die in einer
Zeitserie stets denselben Bildausschnitt und Blickwinkel aufweisen. Zugleich
verfügt sein Radarsensor über eine sehr hohe räumliche Auflösung von drei
Metern. Mithilfe der TerraSAR-X Daten konnte das Forscherteam der
University of Washington Veränderungen der Merkmale an der
Gletscheroberfläche verfolgen und somit sehr genau die Fließgeschwindigkeit
messen.
Diese Ergebnisse wurden in einem weiteren Schritt nochmals präzisiert: Anhand
von TanDEM-X Radardaten erstellten DLR-Wissenschaftler digitale
Höhenmodelle, 3D-Bilder der Gletscheroberfläche. Dadurch wurden Hebungen und
Senkungen der Oberfläche erfasst - Eigenschaften, die die Geschwindigkeit des
gesamten Gletschers beeinflussen.
Die Erdbeobachtungsdaten der Satelliten TerraSAR-X und TanDEM-X
waren somit entscheidend für die genaue Bestimmung der Fließgeschwindigkeit des
Jakobshavn Isbrae. Wie die jüngsten Ergebnisse zeigen, befindet sich der
Gletscher in einem instabilen Zustand. Die Entwicklung des Gletschers,
insbesondere in Hinblick auf die Erwärmung der Polregionen, wird daher auch
künftig im Fokus der Forscher stehen.
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