Alle vier wissenschaftlichen Instrumente liefern wieder Daten
von
Stefan Deiters astronews.com
14. Juni 2024
Alle vier noch aktiven wissenschaftlichen Instrumente der
Sonde Voyager 1 liefern wieder lesbare Daten. Damit konnte ein Mitte
November 2023 aufgetretenes Problem mit der Datenübertragung von Voyager 1
vollständig gelöst werden. Die Reparatur der Sonde, die sich rund 24 Milliarden
Kilometer von der Erde entfernt befindet, erforderte einige Kniffe.
Künstlerische Darstellung einer der beiden Voyager-Sonden im
All.
Bild: NASA / JPL [Großansicht] |
Die beiden 1977 gestarteten Raumsonden Voyager 1 und Voyager 2
sind wahre Weltraumveteranen: Kein anderes von Menschen hergestelltes
Objekt ist weiter von der Erde entfernt und liefert noch immer Daten über den
interstellaren Raum - und dies Jahrzehnte nach Ende der Hauptmission der
beiden Sonden. Bei Voyager 1 allerdings waren am 14. November 2023
Probleme aufgetreten: Die Daten, die die Sonde zur Erde funkte, waren nicht
mehr lesbar. Das betraf sowohl die wissenschaftlichen Messungen als auch Daten
über den Zustand der Sonde selbst. Viele befürchteten bereits, dass dies das
Ende der Mission von Voyager 1 bedeuten könnte.
Doch so schnell wollte das Voyager-Team nicht aufgeben und machte sich an die
Fehleranalyse. Im März war dann die Ursache des Problems gefunden: das Flight
Data Subsystem (FDS). Es ist für die Zusammenstellung der wissenschaftlichen und
technischen Daten zuständig, bevor diese zur Erde gesendet werden.
Schwierigkeiten bereitete offenbar nur ein einzelner Chip, auf dem ein Teil der
Daten gespeichert war, darunter auch Teile des Softwarecodes des Systems. Dies
führte dazu, dass die übermittelten wissenschaftlichen und technischen Daten
unbrauchbar waren. Da der Chip nicht repariert werden konnte, beschloss das
Team, den betroffenen Code an anderer Stelle im FDS-Speicher zu platzieren.
Das erwies sich allerdings als schwieriger als gedacht: Kein einziger
Speicherplatz war groß genug, um den gesamten Codeabschnitt aufzunehmen. So
wurde ein Plan entwickelt, den Code aufzuteilen und und diese Abschnitte an
verschiedenen Stellen im FDS zu speichern. Dazu waren auch Codeanpassung an
anderen Stellen nötig, damit der Code als Ganzes funktionsfähig blieb. Das Team
begann mit dem Code, der für die Zusammenstellung der technischen Daten der
Sonde zuständig ist. Am 18. April wurde er an seinen neuen Platz im FDS-Speicher
übertragen. Da ein Funksignal zu Voyager 1 22,5 Stunden benötigt,
erhielt man erst zwei Tage später die erlösende Rückmeldung, dass die Änderung
den gewünschten Effekt hatte: Zum ersten Mal seit fünf Monaten erhielt das Team
brauchbare Daten über den Zustand von Voyager 1.
Am 19. Mai
führte das Missionsteam den zweiten Schritt des Reparaturprozesses durch und
übermittelte der Sonde den Befehl, mit der Übermittlung wissenschaftlicher Daten
zu beginnen. Zwei der vier wissenschaftlichen Instrumente kehrten daraufhin
sofort in ihren regulären Betriebsmodus zurück. Bei zwei weiteren Instrumenten
waren zusätzliche Arbeiten erforderlich, doch nun liefern alle vier Instrumente
wieder brauchbare wissenschaftliche Daten.
Die Mehrzahl der Instrumente auf beiden Voyager-Sonden ist inzwischen
deaktiviert: Die Radionuklidbatterien an Bord liefern immer weniger Strom, so
dass man sich auf die Instrumente beschränkt, von denen man sich den größten
wissenschaftlichen Nutzen verspricht. Beispielsweise ist in den Außenbereichen
des Sonnensystems nichts "zu sehen", weshalb die Kamera an Bord schon seit
vielen Jahren deaktiviert sind. Die jetzt wieder aktiven Instrumente von
Voyager 1
untersuchen Plasmawellen, Magnetfelder und Partikel. Voyager 1 und
Voyager 2 sind die einzigen Raumsonden, die den interstellaren Raum, d. h.
die Region außerhalb der Heliosphäre, direkt untersuchen. Als Heliosphäre
bezeichnet man die schützenden Blase aus Magnetfeldern und Sonnenwind, die von
der Sonne erzeugt wird.
Voyager 1 ist nun zwar wieder in der Lage, Wissenschaft zu
betreiben, aber es sind noch weitere kleinere Arbeiten erforderlich, um die
Auswirkungen des technischen Problems zu beheben. Unter anderem werden die
Ingenieure die Software zur Zeitmessung in den drei Bordcomputern des
Raumschiffs neu synchronisieren, damit sie Befehle zur richtigen Zeit ausführen
können. Das Team wird auch Wartungsarbeiten am "digitalen Tonbandgerät"
durchführen, das einige Daten für das Plasma Wave Instrument
aufzeichnet, die zweimal pro Jahr zur Erde gesendet werden. Die meisten
wissenschaftlichen Daten der Voyager-Sonden werden direkt zur Erde gesendet und
nicht aufgezeichnet.
Voyager 1 ist mehr als 24 Milliarden Kilometer von der Erde
entfernt, Voyager 2 mehr als 20 Milliarden Kilometer. Einen Mann hätte
die vollständige Wiederherstellung des Wissenschaftsbetriebs auf Voyager 1
sicherlich besonders gefreut: Edward C. Stone, der das Voyager-Projekt seit 1972
begleitete und später Direktor des Jet Propulsion Labortory der NASA
war. Er trat erst 2022 im Alter von 86 Jahren als Projekt-Wissenschaftler der
Voyager-Mission zurück. Er ist am vergangenen Sonntag gestorben.
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