Raumsonde kurz vor interstellarem Raum?
von Stefan Deiters astronews.com
4. Dezember 2012
Die Raumsonde Voyager 1 hat eine Region in den
äußersten Bereichen des Sonnensystems erreicht, in der sie schon einen
Vorgeschmack auf den interstellaren Raum bekommt. Es dürfte sich um den letzten
Bereich handeln, den der Weltraumveteran durchqueren muss, um unser Sonnensystem
endgültig zu verlassen. Voyager 1 ist seit 1977 unterwegs.
Voyager 1 hat
eine neuartige Region am Rand der Heliosphäre
erreicht.
Bild: NASA / JPL-Caltech |
Schon seit mehreren Jahren befinden sich die beiden Sonden Voyager 1
und Voyager 2 in den Randbereichen unseres Sonnensystems, allerdings
noch immer innerhalb einer Blase aus Partikeln, die von der Sonne ins All
geblasen werden, der sogenannte Heliosphäre. Jetzt hat das Voyager-Team
aber Hinweise dafür gefunden, dass Voyager 1 eine neue Region erreicht,
die die letzte Etappe auf dem Weg in den interstellaren Raum darstellen könnte.
Die Wissenschaftler bezeichnen diese Region als "magnetische Schnellstraße für
geladene Teilchen", da sich hier die Magnetfeldlinien der Sonne mit denen des
interstellaren Magnetfelds verbinden. Damit können geladene Partikel niedrigerer
Energie aus dem inneren Bereich des Sonnensystems nach außen gelangen und
hochenergetische Partikel aus dem interstellaren Raum ins Innere. Zuvor war bei
den geladenen Partikeln keine eindeutige Richtung zu erkennen gewesen - sie
irrten umher, so der Vergleich der Forscher, als hätten sie sich auf kleinen
Landstraßen im Inneren der Heliosphäre verirrt.
Das Voyager-Team geht aber davon aus, dass sich die Sonde noch immer in
der Heliosphäre befindet, da sich die Richtung der magnetischen Feldlinien nicht
geändert hat. Man erwartet hier eine deutliche Änderung, sobald die Sonde den
interstellaren Raum erreicht. Die Forscher stellten ihre Ergebnisse gestern auf
einem Treffen der American Geophysical Union in San Francisco vor.
"Obwohl sich Voyager 1 noch immer innerhalb des solaren
Einflussbereichs befindet, können wir jetzt schon schmecken, wie es sich
anfühlen wird, wenn wir ihn verlassen haben, da Teilchen auf der magnetischen
Schnellstraße hinein- und hinausgelangen", erklärt Edward Stone, Voyager-Projektwissenschaftler
am California Institute of Technology. "Wir glauben, dass dies der
letzte Bereich ist, den wir auf dem Weg zum interstellaren Raum durchqueren
müssen. Das dürfte nach unseren Schätzungen einige Monate bis zu einigen Jahren
dauern. Die neue Region sieht nicht so aus, wie wir das erwartet hatten, aber
von Voyager erwarten wir inzwischen das Unerwartete."
Voyager 1 hatte im Dezember 2004 den sogenannten Termination Shock
passiert und durchfliegt seitdem die Helioheath, den äußersten Bereich
der Heliosphäre. In dieser Region werden die Partikel des Sonnenwinds abrupt auf
Geschwindigkeiten unterhalb der Schallgeschwindigkeit abgebremst und der
Sonnenwind wird turbulent. An diesen Umgebungsbedingungen änderte sich für etwa
fünfeinhalb Jahre nichts, dann registrierte die Sonde, dass die Geschwindigkeit
der nach außen strömenden Partikel sich auf Null reduzierte. Gleichzeitig nahm
die Stärke des Magnetfelds zu.
Daten von zwei Instrumenten an Bord von Voyager 1, die geladene
Partikel messen, zeigten, dass die Sonde erstmals am 28. Juli 2012 die Region
der "magnetischen Schnellstraße" erreicht hat. Die Sonde schien diesen Bereich
dann mehrfach wieder zu verlassen und wieder in ihn einzudringen, seit dem 25.
August schließlich sind die Umgebungsdaten stabil.
"Wenn ich allein die Daten über die geladenen Partikel angesehen hätte, würde
ich denken, dass wir uns außerhalb der Heliosphäre befinden", so Stamatios
Krimigis vom Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins
University, der verantwortliche Wissenschaftler für eines der beiden
Instrumente. "Aber wir müssen auch die Daten aller anderen Instrumente beachten
und nur die Zeit wird zeigen, ob unsere Interpretation über diese Grenze korrekt
sind."
Jedes Mal nämlich wenn Voyager 1 wieder in den "Schnellstraßen-Bereich"
eindrang, wurde zwar das Magnetfeld stärker, die Richtung der Feldlinien änderte
sich jedoch nicht. "Wir sind in einer magnetischen Region, die mit nichts zu
vergleichen ist, wo wir zuvor waren. Sie ist zehn Mal intensiver als vor dem
Termination Shock, aber die Magnetfeld-Daten liefern keinen Hinweis darauf,
dass wir uns im interstellaren Raum befinden", so Leonhard Burlaga vom
Goddard Space Flight Center der NASA, der zum Magnetometer-Team gehört.
"Die Daten über das Magnetfeld waren entscheidend, um das Durchqueren des
Termination Shock zu erkennen. Wir erwarten, dass sie uns auch verraten
werden, wenn wir den interstellaren Raum erreicht haben."
Die beiden Voyager-Sonden wurden im Abstand von 16 Tagen im Jahr 1977
gestartet. Voyager 1 hat die Planeten Jupiter und Saturn erforscht und
ist mit einer Entfernung von rund 18 Milliarden Kilometern von der Sonne das
entfernteste von Menschen gebaute Objekt. Voyager 2 ist "nur" rund 15
Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt und hat die "Region der magnetischen
Schnellstraße" noch nicht erreicht. Die beiden Sonden haben nach der Erkundung
des Saturn unterschiedliche Routen genommen: Während Voyager 1 dicht am
Saturnmond Titan vorüberflog, erkundete Voyager 2 noch die Planeten
Uranus und Neptun.
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