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Die Raumsonde Voyager 1 hat den interstellaren Raum erreicht. Dies ist das Ergebnis der Auswertung neuer Daten, die die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA am Donnerstagabend vorstellte. Danach befindet sich Voyager 1 bereits seit dem 25. August 2012 in einer Region mit interstellarem Plasma. Der Weltraumveteran ist derzeit rund 19 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt.
Seit längerer Zeit hatte man damit gerechnet: Die Sonde Voyager 1 befindet sich nämlich schon seit Jahren in der Grenzregion der Heliosphäre und niemand wusste genau, wann die Sonde tatsächlich die Heliosphäre verlassen und den interstellaren Raum erreichen würde und wie sich dies in den Messwerten ausdrückt. Die Heliosphäre ist der blasenförmige Bereich um die Sonne, der vom Sonnenwind beeinflusst wird. Über die genaue Position von Voyager 1 gab es zuletzt einige Diskussionen: Erst vor einem Monat präsentierte ein Wissenschaftlerteam eine Untersuchung, in der aus bestimmten Magnetfelddaten geschlossen wurde, dass sich Voyager 1 bereits seit dem 27. Juli 2012 im interstellaren Raum befindet. Nach anderen Modellrechnungen über die magnetischen Verhältnisse in den äußeren Regionen der Heliosphäre, die auch von der NASA favorisiert wurden, befand sich Voyager 1 danach aber noch innerhalb der Blase des Sonnenwinds um unsere Sonne. Doch die Diskussionen darüber, wie man tatsächlich erkennen kann, dass die Sonde die Heliosphäre verlassen hat und sich im interstellaren Raum befindet, dürften nun erst einmal beendet sein. Gestern Abend präsentierte nämlich auch die NASA Daten, nach denen sich die Sonde bereits seit August 2012 in einem Bereich befindet, in dem sie von interstellarem Plasma umgeben ist, also von Gaspartikeln, die nicht von der Sonne, sondern von anderen Sternen stammen. Allerdings seien auch hier noch immer bestimmte Effekte unserer Sonne zu spüren.
"Jetzt, da diese neuen Schlüsseldaten vorliegen, glauben wir, dass der Menschheit tatsächlich der historische Schritt in den interstellaren Raum gelungen ist", meinte Ed Stone vom California Institute of Technology, der Projektwissenschaftler der Voyager-Mission. "Das Voyager-Team benötigte Zeit, um die Beobachtungen zu analysieren und sie zu verstehen. Jetzt aber können wir die Frage, die sich alle immer wieder gestellt haben, beantworten - 'Sind wir schon da?' Ja, das sind wir." Erste Hinweise auf den interstellaren Raum hatten die Instrumente von Voyager 1 bereits im Jahr 2004 registriert. Niemand wusste allerdings, wie groß der Grenzbereich der Heliosphäre tatsächlich ist. So intensivierte man die Bemühungen, anhand der Daten der Instrumente herauszufinden, in welcher Umgebung sich Voyager 1 gerade befindet - eine schwierige Aufgabe, ist Voyager 1 doch die erste Sonde, die diese Region durchfliegt. Die neuen Daten deuten darauf hin, dass Voyager 1 schon seit über einem Jahr durch eine Art von Plasma, also ionisiertes Gas, fliegt, das man im interstellaren Raum vermutet. Voyager 1 verfügt allerdings über keinen funktionierenden Plasmasensor mehr, so dass die Wissenschaftler indirekt auf die Plasmaumgebung schließen mussten. Zu Hilfe kam ihnen dabei eine gewaltige Eruption der Sonne im März 2012, die Voyager 1 13 Monate später, im April dieses Jahres, erreichte. Die Eruption sorgte in der Umgebung der Sonde für Schwingungen im Plasma, die mit einem Instrument von Voyager 1 registriert werden konnten. Aus diesen Oszillationen schlossen die Forscher dann auf die Dichte des Plasmas - und diese lag um einen Faktor 40 über der Dichte, die in den äußeren Grenzbereichen der Heliosphäre gemessen worden war. Die Dichte entsprach in etwa der, die man für den interstellaren Raum erwartet hatte. Eine Durchsicht früherer Daten förderte ähnliche, allerdings schwächere Schwingungen bereits im Oktober und November 2012 zutage. Eine Extrapolation der damit ermittelten Dichtewerte deutete schließlich darauf hin, dass sich Voyager 1 bereits seit August 2012 im interstellaren Raum befand. "Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes von unseren Stühlen gesprungen, als wir diese Schwingungen in den Daten gesehen haben", erinnert sich Don Gurnett von der University of Iowa, der zum Team des Instruments gehört, mit dem die entscheidenden Messungen gemacht wurden."Sie zeigten uns, dass sich die Raumsonde in einer ganz neuen Region befindet. Sie gleicht dem, was wir im interstellaren Raum erwarten würden und unterscheidet sich deutlich von der solaren Blase. Wir hatten ganz sicher die Heliopause durchquert, also die lange vermutete Grenze zwischen dem Plasma von der Sonne und interstellarem Plasma." Die neuen Plasma-Daten passen auch gut zu einer plötzlichen Änderung in der Dichte der energiereichen Partikel, die man erstmals am 25. August 2012 registriert hatte. Das Voyager-Team glaubt daher, dass die Sonde an diesem Tag die Heliosphäre verlassen und als erstes, von Menschen gebautes Objekt den interstellaren Raum erreicht hat. "Das Team hat hart gearbeitet, um eine robuste Sonde zu bauen und die begrenzten Ressourcen von Voyager sehr vorsichtig eingesetzt. Das hat sich ausgezahlt und zu einem weiteren historischen Meilenstein für die NASA und die Menschheit geführt", so Suzanne Dodd, die Voyager-Projektmanagerin am Jet Propulsion Laboratory der NASA. "Wir glauben, dass die wissenschaftlichen Instrumente an Bord von Voyager noch bis mindestens 2020 Daten liefern können. Wir sind sehr gespannt, was uns die Voyager-Instrumente als nächstes über den interstellaren Raum verraten." Das Missionsteam in Kalifornien empfängt oder sendet noch jeden Tag Daten zu den beiden Voyager-Sonden, die 1977 in einem Abstand von 16 Tagen gestartet wurden. Beiden Raumsonden erkundeten Jupiter und Saturn, Voyager 2 anschließend noch Uranus und Neptun. Voyager 2 ist gegenwärtig rund 15 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt. Wann Voyager 1 den vollkommen ungestörten interstellaren Raum erreichen wird, lässt sich nur schwer abschätzen. Auch wann Voyager 2 die Heliosphäre verlässt, kann das Team nicht mit Sicherheit sagen. Die Forscher glauben aber, dass es nicht mehr so lange dauern wird. Beiden Voyager-Sonden haben eine goldenen Schallplatte an Bord, die Bilder und Töne von der Erde enthält. Die Gesamtkosten für die Voyager-Mission belaufen sich bis September auf insgesamt rund 988 Millionen US-Dollar. Auch wenn Voyager 1 nunmehr die Heliosphäre verlassen hat und damit einen Bereich durchfliegt, den man mit gutem Grund als interstellaren Raum bezeichnen kann, befindet sie sich doch nach wie vor im Sonnensystem: So liegt beispielsweise noch die Oort'sche Wolke vor ihr, ein gewaltiges Reservoir von Kometenkernen, die in einem Abstand von bis zu über einem Lichtjahr (entsprechend 9,5 Billionen Kilometer) die Sonne umkreisen.
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