Beitrag der Straßenbeleuchtung untersucht
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ astronews.com
29. Oktober 2020
Aus dem Weltall betrachtet, üben die hell erleuchteten
Städte auf der nächtlichen Erde eine gewisse Faszination aus. Auf dem Boden
ärgert die Lichtverschmutzung aber nicht nur Astronomen. Wie hoch der Beitrag
der Straßenbeleuchtung zur Lichtverschmutzung ist, haben Forschende nun am
Beispiel der Stadt Tucson untersucht: Sie ist offenbar geringer, als man
zunächst vermuten würde.
Intelligente Straßenbeleuchtung in Tucson:
Blick in eine Straße zum Vergleich zwischen einer
Beleuchtungsstärke von 30 (oben) und 90 Prozent.
Bild: John Barentine [Großansicht] |
Satellitenbilder von nächtlich erleuchteten Orten und Straßen zeigen das
Ausmaß der "Lichtverschmutzung" auf der Welt. Doch wie viel des Lichts, das die
Satelliten auffangen, stammt wirklich von Straßenlaternen und nicht aus anderen
Quellen? Ein Team von Forschenden aus Deutschland, den USA und Irland hat diese
Frage am Beispiel der US-amerikanischen Stadt Tucson zum ersten Mal beantwortet
– dank der "Smart City"-Beleuchtungstechnologie, die es Städten ermöglicht, ihre
Beleuchtung zu dimmen. Das Ergebnis: Nur etwa 20 Prozent des Lichts in den
Satellitenbildern von Tucson stammt aus Straßenlaternen.
Das Team führte ein Experiment durch, in dem es die Helligkeit von
Straßenlaternen in der Stadt Tucson, Arizona, USA, verändern ließ und
beobachtete, wie dies die Wahrnehmung der Helligkeit der Stadt aus dem Weltraum
beeinflusste. Christopher Kyba vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ leitete
das Team. Er sagt, die Studie sei wichtig, denn sie zeige, dass Smart City
Technologien für Experimente im Stadtmaßstab eingesetzt werden können: "Wenn
Sensoren und Steuerungssysteme in einer ganzen Stadt installiert werden, ist es
möglich, Prozesse der Stadt zu verändern und die Auswirkungen auf die Umwelt zu
messen, sogar vom Weltraum aus."
An zehn Tagen im März und April 2019 änderten Stadtbedienstete in Tucson die
Helligkeitseinstellungen für etwa 14.000 der 19.500 Straßenlaternen der Stadt.
Normalerweise werden die meisten Straßenlaternen in Tucson am Abend mit 90
Prozent ihrer maximal möglichen Beleuchtungsstärke eingeschaltet und um
Mitternacht auf 60 Prozent gedimmt. Während des Experiments dämpfte die Stadt
die Beleuchtung stattdessen in einigen Nächten bis auf 30 Prozent, in anderen
regelte sie das Licht auf 100 Prozent hoch.
Die Lichter der Stadt wurden von dem Satelliten Suomi National Polar-orbiting
Partnership (NPP) beobachtet, der von den USA betrieben wird und für seine
globalen Karten des nächtlichen Lichts berühmt ist. Der Satellit nahm
wolkenfreie Bilder von Tucson auf: in vier Nächten während des Tests und in zwei
weiteren Nächten danach, mit regulärem Beleuchtungsschema. Durch den Vergleich
der Stadthelligkeit in den sechs verschiedenen Nächten fanden die Forschenden
heraus, dass in einer normalen Nacht nur etwa 20 Prozent des Lichts in den
Satellitenbildern von Tucson aus Straßenlaternen stammt. Die Ergebnisse haben
wichtige Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit, so der Mitverfasser der Studie,
Dr. John Barentine von der International Dark-Sky Association.
In einem zweiten Experiment, das zur gleichen Zeit durchgeführt wurde, haben
Barentine, Kyba und ihre Koautoren die Helligkeit des Himmels über Tucson von
der Stadt aus vermessen. Dabei haben sie ebenfalls untersucht, welchen Einfluss
die Variation der Beleuchtungsstärke von Straßenlaternen hat. So konnten sie
zeigen, dass auch der Großteil der Helligkeit des Himmels über Tucson aus
anderen Quellen stammen muss. "Zusammengenommen zeigen diese Studien, dass in
einer Stadt mit gut konzipierter Straßenbeleuchtung der größte Teil der
Lichtverschmutzung andere Ursachen hat, beispielsweise helle Fenster,
beleuchtete Schilder und Fassaden oder Sportplätze", erklärt Barentine.
Die Forschenden kommen zu dem Schluss, dass lokale und nationale Regierungen
deshalb über mehr als nur die Straßenbeleuchtung nachdenken müssen, wenn sie
versuchen, die Lichtverschmutzung zu reduzieren. Dem Team zufolge sind die
Veränderungen in der Helligkeit der Straßenbeleuchtung für Passanten kaum
wahrnehmbar, da sich die Augen der Menschen schnell an das Lichtniveau anpassen.
Die Forschenden berichten, dass die Stadt während des Tests keine Kommentare
oder Beschwerden über die veränderte Beleuchtung erhielt. Es gibt auch keine
Hinweise oder Andeutungen, dass die Reduzierung des Beleuchtungsniveaus als Teil
des Versuchs negative Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit hatte.
Kyba ist daher von der Idee begeistert, solche Experimente regelmäßiger und
in anderen Kommunen durchzuführen. "Anstatt die Beleuchtung jeweils spätnachts
auf immer das gleiche Niveau zu dimmen, könnte eine Stadt stattdessen an geraden
Tagen auf 45 Prozent und an ungeraden Tagen auf 55 Prozent dimmen", schlägt Kyba
vor. "Die Stadtbevölkerung würde keinen Unterschied feststellen, aber auf diese
Weise könnten wir messen, wie sich der Beitrag der verschiedenen Lichtarten im
Laufe der Zeit verändert."
Die Studie wurde heute in der Zeitschrift Lighting Research & Technology
veröffentlicht.
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