Nicht nur für Astronomen ein Problem
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Freien Universität Berlin astronews.com
29. November 2011
Amateurastronom wissen es: In der Nähe von Städten ist das Beobachten
von lichtschwachen Objekten am Himmel kaum möglich. Und jeder, der
einmal in ländlicher Abgeschiedenheit an den Nachthimmel geblickt hat,
ist beindruckt von der Fülle von Sternen. Lichtverschmutzung macht aber
nicht nur Sternenfreunden das Leben schwer - auch Tiere sind betroffen.
Nächtlicher Blick auf die Erde: In vielen
Regionen gibt es keine wirklich dunkle Nacht
mehr.
Bild: NASA / Goddard Space Flight Center
Scientific Visualization Studio |
Lichtverschmutzung in Städten verringert einer Studie der Freien
Universität Berlin und des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und
Binnenfischerei zufolge nicht nur die Sichtbarkeit der Sterne, sondern
auch die Wahrnehmung von wichtigen Signalen, mithilfe derer sich einige
nachtaktive Tierarten orientieren. In klaren, mondbeschienenen Nächten
erstreckt sich ein für das menschliche Auge unsichtbares Muster
polarisierten Lichts wie ein Kompass über den Himmel.
Die Lichtglocken über Großstädten in der Nacht sind nach Einschätzung
der Wissenschaftler verantwortlich dafür, dass nachtaktive Tiere wie
beispielsweise einige Käfer, Nachtfalter, Grillen und Spinnen dieses
Signal über weite Flächen nicht wahrnehmen können. Dies kann
Auswirkungen auf die evolutionäre Entwicklung von Arten haben und
Ökosysteme beeinträchtigen. Die Studie der Physiker und Ökologen wurde
kürzlich in der Fachzeitschrift Journal of Geophysical Research
veröffentlicht.
"Die Sichtbarkeit des Himmelskompass ist für viele Organismen abhängig
vom Grad der Polarisierung", sagt der federführende Autor der Studie,
Dr. Christopher Kyba vom Institut für Weltraumwissenschaften der Freien
Universität Berlin. "In einer natürlichen Umgebung liegt der Anteil an
polarisiertem Licht in der Regel zwischen 70 und 80 Prozent. Allein
durch Aerosole wird dieser Anteil in Berlin auf 55 Prozent reduziert."
Gemessen wurde mit einer Digitalkamera, die mit einem linearen
Polarisationsfilter ausgestattet war. Dabei zeigte sich, dass durch
Lichtverschmutzung der Anteil an polarisiertem Licht innerhalb der Stadt
weiter auf elf Prozent reduziert wird. Selbst in einer anscheinend
dunklen Gegend außerhalb Berlins wirkte sich noch der Einfluss der Stadt
mit einem Grad der Polarisierung von 30 Prozent aus.
Da die Wissenschaftler die Messungen in klaren Nächten und bei
ungewöhnlich hochstehendem Vollmond vorgenommen hätten, seien die
Auswirkung der Lichtverschmutzung in normalen Mondnächten vermutlich
deutlich schlimmer, erklärt Kyba. "Der vom Mondlicht erzeugte
Himmelskompass wird als wichtiges Navigationssignal für verschiedene
Tierarten angesehen", erklärte der Ökologe Dr. Franz Hölker, Autor der
Studie und Leiter des Forschungsprojekts "Verlust der Nacht". "Wir
zeigen in unserer Studie, dass die depolarisierende Wirkung der
städtischen Lichtglocken eine besondere Form von Lichtverschmutzung mit
globaler Reichweite darstellt."
Die Forscher stießen bei ihren Messungen auch auf ein unerwartetes
Ergebnis: So ist das Himmelsleuchten der Städte selbst teilweise
polarisiert. "Wir hatten vermutet, dass das Himmelsleuchten in Nächten
ohne Mondlicht nicht polarisiert ist, doch fanden wir einen Anteil an
polarisiertem Licht von rund neun Prozent", sagt Kyba. "Wir vermuten,
dass das nach oben gerichtete Licht durch Straßenzüge und Häuserfronten
kanalisiert wird." Sollte dies zutreffen, dann würde das künstliche
Licht in nordamerikanischen Städten, die in Rasterform gebaut sind, noch
stärker polarisiert sein.
"Ein einfacher Weg, diese Form von Lichtverschmutzung zu reduzieren, ist
die Vermeidung direkter Abstrahlung in den Nachthimmel und unnötiger
Lichtemissionen", sagt Kyba. Er empfiehlt, dass Unternehmen, Kommunen
oder Bürger, die Hilfe suchen, bei der Modernisierung ihrer
Außenbeleuchtung Kontakt zur International Dark Sky Association
aufnehmen. Die Studie wurde von zwei interdisziplinären Projekten
finanziert, MILIEU und "Verlust der Nacht". Letzteres wird vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit dem Ziel
gefördert, das Ausmaß von Lichtverschmutzung zu messen und dessen
Auswirkungen auf den Mensch und die Umwelt zu erforschen (astronews.com
berichtete). Auf Grundlage dieser Forschungsergebnisse sollen
Lösungsansätze für moderne Beleuchtungskonzepte und nachhaltige
Techniken entstehen.
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