Forscher untersuchen "Verlust der Nacht"
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Leibniz-Gemeinschaft astronews.com
7. Juni 2010
Das Phänomen der Lichtverschmutzung wird jedem deutlich, der fernab großer
Städte einmal an den Nachthimmel geschaut und plötzlich eine Vielzahl von
Sternen gesehen hat, die ihm zuvor nie aufgefallen waren. Doch die
zunehmende Beleuchtung ärgert nicht nur Astronomen. Eine interdisziplinäre
Wissenschaftlergruppe will sich dem Problem des "Verlusts der Nacht" nun
annehmen.
Nächtlicher Blick auf die Erde: In vielen
Regionen gibt es keine wirklich dunkle Nacht
mehr.
Bild: NASA / Goddard Space Flight Center
Scientific Visualization Studio |
Wissenschaftler aus sieben Instituten der Leibniz-Gemeinschaft
erforschen zusammen mit Instituten der FU Berlin, der TU Berlin und dem
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung die Folgen des "Verlusts der
Nacht" auf Mensch und Umwelt durch zunehmende künstliche Beleuchtung.
Das Projekt "Verlust der Nacht" wird vom Bundesministerium für Bildung
und Forschung (BMBF) mit etwa drei Millionen Euro gefördert. Am 11. Juni
2010 findet im Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
(IGB) die Auftaktveranstaltung statt.
Straßenlampen, beleuchtete Werbetafeln, taghelle Büroräume mitten in der
Nacht: Die künstliche Beleuchtung ist nachts allgegenwärtig. Doch welche
Auswirkung hat sie auf Menschen und Tiere? In dem gerade gestarteten
Projekt des Bundesforschungsministeriums für Bildung und Forschung mit
dem Titel "Verlust der Nacht" untersuchen erstmalig Forscher
unterschiedlicher Disziplinen diese komplexe Frage. Naturwissenschaftler
(Ökologie, Chronobiologie, Evolutionsökologie, Meteorologie,
Astronomie), Sozialwissenschaftler (Sozialforschung, Sozioökonomie,
Kultur- und Sozialgeschichte) und Ingenieurwissenschaftler
(Lichttechnik) forschen nach den ökologischen, gesundheitlichen sowie
kulturellen und sozioökonomischen Ursachen und Auswirkungen der
zunehmenden Beleuchtung der Nacht. Dabei nehmen sie vor allem Gewässer
und Uferzonen in Städten und ländlichen Gebieten in den Blick.
Die Forschungsergebnisse sollen wissenschaftlich abgesicherte
Indikatoren und Richtlinien für nachhaltige Beleuchtung liefern.
Außerdem soll der Schutz von Mensch und Natur stärker in den Fokus
rücken. Die Wissenschaftler wollen erste Beleuchtungskonzepte unter
Berücksichtigung sozialer, energiepolitischer, gesundheitlicher und
ökologischer Belange entwickeln. "Ein inter- und transdisziplinärer
Ansatz ist dazu zwingend erforderlich", so Dr. Franz Hölker vom
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, der den
Forschungsverbund leitet. "Wissenschaft, Kommunen und betroffene
Bevölkerung müssen kooperieren, um erstmalig auch wissenschaftliche
Grundlagen für eine Risikobewertung und Technikfolgenabschätzung zu
legen."
Hölker weist auf die zum Teil überraschenden Nebenwirkungen der
künstlichen Beleuchtung für die natürliche und soziale Umwelt hin: "Da
Licht in der Nacht positiv mit Werten wie Sicherheit, Wohlstand und
Modernität besetzt ist, neigen wir dazu, unsere Umgebung intensiv zu
beleuchten. Doch was unschätzbare Vorteile bringt, hat auch eine
Schattenseite: Das auch als 'Lichtverschmutzung' bezeichnete Phänomen
nimmt Schätzungen zufolge pro Jahr etwa um fünf bis sechs Prozent zu,
mit bisher weitgehend unbekannten Auswirkungen auf Mensch und Natur."
Diese Problematik ist noch so wenig erschlossen, dass es dem Verbund
auch darum geht, die Komplexität der Lichtverschmutzung ins Bewusstsein
zu rufen. Gerade die Disziplinen übergreifende Betrachtung des Themas
fördert erheblichen Forschungsbedarf zu Tage. So ist zwar bekannt, dass
Licht, vor allem der natürliche Rhythmus von Hell und Dunkel, die
Verhaltensmuster der meisten Lebewesen beeinflusst, doch ob, wie und
warum die einzelnen Lebensgemeinschaften im Wasser und an Land auf
künstliche Lichteinflüsse reagieren, ist weitgehend unbekannt.
"Während Luft-, Lärm- oder Gewässerverschmutzung seit Jahrzehnten als
ökologisch und gesundheitlich relevante Themen wissenschaftlich
untersucht werden, befindet sich die Lichtverschmutzung sowohl
gesellschaftlich als auch rechtlich nach wie vor im Dunkeln", so Hölker.
Der Sprecher des Leibniz-Forschungsverbundes "Verlust der Nacht" und
Direktor des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei,
Prof. Dr. Klement Tockner, fügt hinzu: "Es geht uns zunächst darum, die
negativen Auswirkungen künstlicher Beleuchtung zu reduzieren, ohne die
positiven Aspekte substantiell zu beeinträchtigen."
Die Bestandsaufnahme solle erreichen, dass verschiedene
gesellschaftliche Akteure – Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und
Verwaltung - gemeinsam dafür sorgen, dass das Licht künftig genau
dosiert und lokalisiert dorthin gelangt, wo es gebraucht wird. "Wo es
aber nicht benötigt wird, soll nach Möglichkeit auch kein Licht
hinkommen, um nachtaktive Lebewesen nicht zu stören", sagt Tockner.
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