Wie gut schlafen Stadt-Fische?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und
Binnenfischerei astronews.com
6. April 2020
Lichtverschmutzung stört nicht nur astronomische
Beobachtungen, sondern hat auch Einfluss auf den Schlaf von Mensch und Tier.
Entscheidend dabei ist das Hormon Melatonin. Es taktet die innere Uhr - durch
einen hohen Melatoninspiegel wird man abends müde. Schon geringe
Lichtverschmutzung kann diesen Rhythmus durcheinanderbringen. Dies zeigten nun
auch Untersuchungen mit Fischen.
Flussbarsche reagieren offenbar empfindlich
auf Lichtverschmutzung.
Bild: Michael Feierabend [Großansicht] |
Melatonin prägt den Tag-Nacht-Rhythmus beim Menschen und bei Wirbeltieren.
Organe, Gewebe und Zellen stellen abhängig von der Konzentration dieses Hormons
ihre innere Uhr. Dadurch steuert Melatonin auch Prozesse wie Fortpflanzung und
Wachstum. Über Lichtrezeptoren, beispielsweise auf der Netzhaut im Auge, nehmen
Wirbeltiere und der Mensch Unterschiede in der Helligkeit ihrer Umgebung wahr.
Wenn viel Licht auf die Rezeptoren trifft, wird die Bildung von Melatonin
unterdrückt, bei Dunkelheit hingegen wird viel Melatonin gebildet.
Künstliches Licht bei Nacht kann den Melatoninhaushalt stören. Das Team vom
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) untersuchte die
Melatoninbildung von europäischen Flussbarschen. Tagsüber herrschte für alle
Tiere Tageslicht, nachts variierte die Beleuchtung je nach Gruppe: Die
Kontrollgruppe verbrachte die Nacht in vollkommener Dunkelheit, die anderen drei
Gruppen waren Lichtintensitäten von 0,01, 0,1 und 1 Lux ausgesetzt. Nach zehn
Tagen bestimmten die Forschenden die Melatoninkonzentrationen im Abstand von
drei Stunden über 24 Stunden hinweg.
Das Ergebnis: Schon die geringste Beleuchtungsintensität von 0,01 Lux
verringerte die Melatoninbildung, bei den höheren Beleuchtungsintensitäten
reduzierte sich Melatonin stufenweise immer stärker. Die Beleuchtungsstärken,
die Lebewesen in der Nacht erfahren, sind in der Regel deutlich geringer: In
einer sternenklaren Nacht liegt die Beleuchtungsstärke bei weniger als 0,001
Lux. Nur in einer Vollmondnacht kann sie ein Maximum von 0,3 Lux erreichen. Die
Lichtglocke einer Stadt führt zu Beleuchtungsstärken von 1 Lux und mehr, eine
Straßenbeleuchtung sogar bis zu 150 Lux.
"Das Erstaunliche ist, dass die Intensitäten der Lichtglocke einer Stadt
ausreichen, um die Melatoninbildung bei Fischen zu unterdrücken", sagt Franziska
Kupprat vom IGB. Von dieser Art Lichtverschmutzung sind weltweit große Areale
betroffen. Denn das Licht von künstlicher Beleuchtung strahlt in den Himmel und
wird an Wolken und Partikeln reflektiert, wodurch eine große Lichtglocke
entsteht, die über den eigentlichen Beleuchtungsradius der Lichtquelle
hinausgeht. Auf die Rhythmik der Melatoninbildung hatte die
Beleuchtungsintensität keinen Einfluss. Bei allen Tieren stieg die
Melatoninbildung im Laufe des Nachmittags an und erreichte ihren Maximalwert in
der Nacht.
"Frühere Studien haben gezeigt, dass höhere Intensitäten von nächtlicher
Beleuchtung wie 10 und 100 Lux auch die Melatoninrhythmik der Flussbarsche
beeinflussen, da das nachts gebildete Melatonin so stark reduziert wurde, dass
kein Unterschied mehr zu den niedrigen Tageswerten messbar war", erläutert Dr.
Franz Hölker vom IGB.
Fische verschlafen einen Großteil ihres Lebens, man sieht es nur nicht, da
sie keine Augenlider haben. Wie auch bei anderen Lebewesen dient ihnen der
Schlaf zur Regeneration. Studienleiter Professor Werner Kloas vom IGB erläutert
die Auswirkungen eines gestörten Melatoninhaushalts: "Ob Stadt-Fische durch
Lichtverschmutzung unter einem Schlafdefizit leiden, können wir mit unseren
bisherigen wissenschaftlichen Methoden nicht bewerten. Wir vermuten es
allerdings, da Melatonin ein wichtiger Einflussfaktor für den Schlaf von
Wirbeltieren ist, auch von Fischen. Sicher ist, dass andere Körperfunktionen wie
die Immunabwehr, das Wachstum und die Fortpflanzung durch eine veränderte
Melatoninbildung gestört werden können."
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