Beobachtungsflug endete im Norden Kanadas
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
29. Juli 2024
Nach einem mehr als sechseinhalbtägigen Flug ist das
ballongetragenen Sonnenobservatorium Sunrise III in den kanadischen
Nordwest-Territorien gelandet. Das Bergungsteam hat das Teleskop inzwischen
erreicht und den Datenspeicher geborgen. Nun wartet das wissenschaftliche Team
gespannt auf die kalibrierten Daten. Erste Rohdaten sehen vielversprechend aus.
Sunrise III nach der Landung im Norden
Kanadas: Einige Solarpaneele haben die Landung
nicht überstanden, die entscheidenden
Hardwarekomponenten und die Datenspeicher sind
jedoch nach erstem Augenschein intakt.
Foto:
MPS (D. Maase) [Großansicht] |
Sechs Tage, 14 Stunden und 46 Minuten hat der Flug von Sunrise III
gedauert. Nach wochenlangem Warten auf günstige Startbedingungen war das
Observatorium am 10. Juli 2024 um 6.24 Uhr MESZ von der Ballon- und Raketenbasis
Esrange Space Center nahe der nordschwedischen Stadt Kiruna nördlich
des Polarkreises abgehoben. Auf einer Flughöhe von etwa 35 Kilometern erfassten
es stratosphärische Ostwinde und trugen es über Island und Südgrönland bis über
die kanadischen Nordwest-Territorien. Zwischen dem Mackenzie River und dem Great
Bear Lake ging Sunrise III am 16. Juli 2024 kontrolliert am Fallschirm
nieder.
"Wir freuen uns wahnsinnig, dass die Windbedingungen in der Stratosphäre uns
einen mehr als sechstägigen Flug ermöglicht haben", so Dr. Andreas Korpi-Lagg
vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen,
Projektmanager der Mission. Zusammen mit dem internationalen Sunrise-III-Team
hatte er den gesamten Flug im Göttingen Operations Center, dem
Kontrollzentrum der Mission am MPS, überwacht. Sunrise III verfügt über keinen
eigenen Antrieb; allein die Stratosphärenwinde bestimmen Flugdauer und -route.
Mit den ersten Daten, die schon während des Fluges in niedriger Qualität zu
Kontrollzwecken nach Göttingen übertragen wurden, ist das Sunrise-III-Team
hochzufrieden. Alle wissenschaftlichen Instrumente haben reibungslos
funktioniert. Da die Sonne derzeit besonders aktiv ist, konnte Sunrise III
mehrere Sonnenflecken, dunkle Gebiete auf der Sonnenoberfläche mit besonders
hoher magnetischer Feldstärke, und sogar einen Strahlungsausbruch beobachten.
Zudem ist dem Team ein Weltrekord gelungen: eine durchgängige Messung von mehr
als vier Stunden Dauer mit höchster Auflösung.
"Damit haben wir eines der wichtigsten technischen Ziele der Mission
erreicht", so Prof. Dr. Sami K. Solanki, Leiter der Sunrise-III-Mission und
Direktor am MPS. Während Weltraumobservatorien wegen der deutlich geringeren
Größe ihrer Teleskope in der Regel keine vergleichbare Auflösung erreichen,
führen bei erdgebundenen Teleskopen Luftbewegungen in der Atmosphäre meist zu
Unterbrechungen nach deutlich kürzeren Messdauern. Im Falle von Sunrise III
sorgt ein ausgeklügeltes Bildstabilisierungssystem dafür, dass das Observatorium
trotz der schwankenden Bewegungen der Gondel mit höchster Präzision Aufnahmen
der Sonne einfängt.
Im Rahmen einer abgestimmten Messkampagne hatten zeitgleich mit Sunrise
III zehn bodengebundene Sonnenteleskope auf der ganzen Welt, darunter etwa
das Daniel K. Inouye Solar Telesope (DKIST) auf Hawaii und GREGOR auf
Teneriffa, sowie die Raumsonden und Satelliten SDO, IRIS, Hinode, CHASE und
Aditya-L1 aus den USA, Japan, China und Indien die Sonne im Blick. "Wir sind
zuversichtlich, dass auf diese Weise ein einzigartiger Datenschatz entstanden
ist, der uns helfen wird, das Wesen unseres Sterns besser als je zuvor zu
verstehen", so Solanki. Nach Rückkehr der Datenspeicher wird die Kalibration der
Daten mehrere Monate in Anspruch nehmen, bevor die detaillierte
wissenschaftliche Auswertung beginnen kann.
Zunächst steht die weitere Bergung an. Bereits der erste Tag war
abenteuerlich. Von Yellowknife, der größten und einzigen Stadt in den
kanadischen Nordwest-Territorien, führte ein Flug per Cessna das Bergungsteam in
die nördlicher gelegene Gemeinde Norman Wells. Von dort ging es per Hubschrauber
weiter. "Es war gar nicht so leicht, Sunrise III zu finden", berichtet
Daniel Maase vom MPS, einer von drei MPS-Mitgliedern des Bergungsteams. "Wir
mussten uns zunächst etwa 200 Meter durch das Unterholz zum Fallschirm kämpfen.
Der war wegen seiner auffälligen orangen Farbe leichter zu entdecken. Und von
dort haben uns dann die Seile, die den Fallschirm am Observatorium halten, zum
Ziel geführt", ergänzt er.
Zu den ersten Handgriffen des Teams zählte das Bergen der Datenspeicher.
Diese enthalten die wertvollste Fracht von Sunrise III: die
wissenschaftlichen Daten, die während des Fluges von den drei wissenschaftlichen
Instrumenten aufgenommen wurden. Das Bergungsteam hat die Speicher bereits
ausgebaut und zurück nach Norman Wells transportiert. In den nächsten Tagen wird
das Team nun Komponenten des Teleskops, die wissenschaftlichen Instrumente und
weitere Hardware-Teile ausbauen und sichern sowie die Gondel zerlegen. Per
Hubschrauber und Flugzeug wird die Fracht nach Yellowknife transportiert. Von
dort machen sich die verschiedenen Hardwareteile dann auf die Reise (zum Teil im
Übersee-Container) zu ihren Heimatinstitutionen in Deutschland, den USA, Spanien
und Japan. Die Datenspeicher treffen bereits früher am MPS ein. Sie reisen
zusammen mit dem Bergungsteam im Handgepäck zurück.
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