Sonnenteleskop soll im Frühsommer wieder abheben
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
4. April 2022
Der nächste Stratosphärenflug des ballongetragenen
Sonnenobservatoriums Sunrise III ist für den Frühsommer dieses Jahres
geplant. Mit der Abfahrt der Flughardware in dieser Woche zum Startplatz am
Polarkreis begann die letzte und entscheidende Missionsphase. Sunrise
hat bereits bei zwei vorherigen Flügen einzigartige Daten von der Sonne
eingefangen.
Das ballongetragene Sonnenobservatorium
Sunrise III vor dem Start 2022.
Foto:
MPS (S. K. Solanki) [Großansicht] |
Seit Monaten schon laufen am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung
(MPS) in Göttingen und an den Partnereinrichtungen die Vorbereitungen für den
diesjährigen Flug von Sunrise III auf Hochtouren: Das 376 Kilogramm
schwere Teleskop, das Herzstück des Sonnenobservatoriums, sowie die Gondel
wurden komplett überholt; die wissenschaftlichen Instrumente und weitere Systeme
getestet und kalibriert und die Software auf den neusten Stand gebracht. Die
letzten Wochen vor dem Start führen das Team nun in die Kälte – zumindest
zunächst. Aktuell herrscht in Kiruna bitterer Dauerfrost mit Tiefsttemperaturen
bis zu -20 Grad Celsius. Bis Sunrise III Ende Mai startklar ist, dürfte es
deutlich milder sein. Die Sonne geht dann nördlich des Polarkreises nicht mehr
unter – optimale Bedingungen für Sonnenforschende.
"Der Flug von Sunrise dauert in der Regel etwa fünf bis sieben Tage,
je nach Windgeschwindigkeit. Um diese Zeit optimal zu nutzen, wollen wir ohne
Unterbrechung auf die Sonne schauen können. Das geht nur nördlich des
Polarkreises", erklärt Sunrise-III-Missionsleiter und MPS-Direktor Prof. Dr.
Sami Solanki die Wahl des Startplatzes im hohen Norden. Bei einer Reiseflughöhe
von etwa 35 Kilometern beeinträchtigen auch Wolken die Sicht nicht. Die langen
Beobachtungsreihen ermöglichen es, Prozesse und Vorgänge auf der Sonne, die sich
über mehrere Tage erstrecken, ungestört mitzuverfolgen.
In einer großen, eher schmucklosen Halle des Esrange Space Center
mit Blick auf den ausgedehnten Ballonstartplatz soll das Sonnenobservatorium nun
in den nächsten acht Wochen Gestalt annehmen. Die sieben Meter hohe Gondel
beherbergt dann neben dem Sonnenteleskop mit einem Hauptspiegeldurchmesser von
einem Meter auch die Instrumente SUSI (Sunrise UV Spectropolarimeter and Imager),
SCIP (Sunrise Chromospheric Infrared Spectro-Polarimeter) und TuMaG (Tunable
Magnetograph), die vom MPS, dem National Astronomical Observatory of Japan
(NAOJ) und dem Spanish Space Solar Physics Consortium (S3PC) unter
Leitung des Instituto de Astrofísica de Andalucía entwickelt und gebaut
wurden. Das System zur Bildstabilisierung stammt vom Institut für Sonnenphysik
in Freiburg. Die Gondel selbst wird vom Applied Physics Laboratory der
Johns Hopkins Universität in den USA zur Verfügung gestellt.
Startklar ist Sunrise III Ende Mai. Dann gibt das Wetter den
weiteren Zeitplan vor. Zum Startzeitpunkt dürfen keine Niederschläge fallen;
zudem muss es in den bodennahen Luftschichten windstill sein. "Wir hoffen sehr,
dass wir nicht wieder wie vor zwei Jahren bis Anfang Juli auf den Start warten
müssen", so Sunrise-III-Projektmanager Dr. Andreas Korpi-Lagg. Falls es doch zu
einem späten Start kommt, ist das Team gewappnet. In diesem Jahr werden alle
Arbeiten aus Göttingen koordiniert; nur wenige Teammitglieder werden vor Ort am
Polarkreis sein. "Das Göttingen Operations Center bietet eine bessere
technische Infrastruktur und erleichtert uns viele logistische Abläufe", so
Korpi-Lagg.
Der bevorstehende Flug ist der vierte der Sunrise-Mission. Die Flüge von
Sunrise I und II in den Jahren 2009 und 2013 lieferten
einzigartige Messdaten. So konnte Sunrise die Stärke des Magnetfelds in
den magnetischen Grundbausteinen der Sonne bestimmen sowie Strukturen in der
unteren Atmosphäre der 150 Millionen Kilometer entfernten Sonne erstmals mit
einer Auflösung von 50 Kilometern im ultravioletten Licht abbilden. Der Flug von
Sunrise III im Juli 2022 musste vorzeitig abgebrochen werden, weil sich
das Teleskop nicht zur Sonne ausrichten ließ. Wenige Stunden nach dem Start
landete das Observatorium am Fallschirm im hohen Norden Schwedens.
Die technischen Schwierigkeiten von damals sind nun behoben. "Die Landung vor
zwei Jahren war zum Glück wie aus dem Bilderbuch. Teleskop und Instrumente haben
alles prima überstanden", so Korpi-Lagg. Dennoch hatten Flug, Landung und vor
allem die mehrtägige Wartezeit in unwegsamem Gelände auf das Bergungsteam Spuren
hinterlassen. Entsprechend mussten alle Spiegel des Teleskops in den vergangenen
Monaten mit einer neuen, reflektierenden Schicht aus Aluminium bedampft werden.
Die Instrumente wurden gereinigt und alle Kabel ersetzt. Die Mühe hat sich
gelohnt. "Teleskop und Instrumente sind in einem tollen Zustand", freut sich
Sunrise-III-Projektwissenschaftler Dr. Achim Gandorfer. "Die Optik des Teleskops
ist sogar noch präziser justiert als vor zwei Jahren", fügt
Sunrise-III-Ingenieurin Bianca Grauf hinzu.
Beste Voraussetzungen also, um in diesem Sommer erneut den Blick auf die
Sonne zu richten. Da Sunrise in 35 Kilometern Höhe den Großteil der
Erdatmosphäre unter sich lässt, haben die Instrumente Zugang zur ultravioletten
Strahlung von der Sonne. Diese wird sonst von der Lufthülle der Erde
"geschluckt". "Die ultraviolette Strahlung der Sonne enthält vor allem
Informationen über die heißen Schichten oberhalb der sichtbaren
Sonnenoberfläche", so Solanki.
Sunrise III bietet die Möglichkeit, die Strukturen und Prozesse in
der unteren Sonnenatmosphäre genauer als je zuvor zu verfolgen. Der
Startzeitpunkt könnte dafür kaum besser sein: Aktuell nähert sich die Sonne
ihrem nächsten Aktivitätsmaximum an. Prozesse in der unteren Sonnenatmosphäre
treiben unter anderem die zahlreichen Sonneneruptionen an, die in den
vergangenen Wochen und Monaten auch zu Polarlichtern in vergleichsweise tiefen
Breiten geführt haben.
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