Faszinierende Einblicke in die Chromosphäre
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
24. September 2013
Drei Monate nach dem Flug des ballongetragenen
Sonnenobservatoriums Sunrise legen Wissenschaftler nun faszinierende
Einblicke in die zentrale Schicht der Sonnenatmosphäre, die Chromosphäre, vor.
Die Sunrise-Daten liefern erstmals hochaufgelöste Bilder dieser Region
zwischen der sichtbaren Oberfläche der Sonne und ihrer Korona in ultraviolettem
Licht.
Aufnahmen der
Chromosphäre bei einer Wellenlänge von 279,6
Nanometern. In der ruhigen Region (links) zeigt
sich ein typisches Muster: dunkle Gebiete umgeben
von hellen Rändern. Die hellen Punkte, die hier
und da aufblitzen, sind gut zu erkennen. In der
Nähe von Sonnenflecken (rechts) offenbaren sich
helle, langgestreckte Strukturen. Die Farben in
diesen Abbildungen stehen für die Intensität des
Lichtes. Gelb deutet auf eine hohe Intensität,
schwarz auf eine geringe Intensität hin.
Bild: MPS |
Die Chromosphäre gibt Sonnenforschern noch immer Rätsel auf. Wie ist es
möglich, dass dort im Schnitt die Temperatur mit zunehmendem Abstand vom Hitze
spendenden Kern der Sonne um etwa 6.000 Grad zunimmt? "Auf den ersten Blick
widerspricht ein solcher Temperaturverlauf jedem physikalischen Verständnis",
sagt Prof. Dr. Sami K. Solanki, Leiter der Sunrise-Mission und Direktor
am Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS). Es ist, als würde es in
einem beheizten Raum mit zunehmendem Abstand von der Heizung wärmer. "Offenbar
ist die Chromosphäre Schauplatz gewaltiger Energie-Umwandlungen", so Solanki.
"Vorgänge, die wir im Einzelnen noch nicht verstehen, müssen genügend Energie
zur Verfügung stellen, um das Sonnenplasma derartig aufzuheizen".
Daten des Erstfluges von Sunrise 2009 vor vier Jahren hatten
ergeben, dass akustische Wellen aus dem Inneren der Sonne einen beträchtlichen
Teil dieser Energie bereitstellen. Zudem hat sich in den vergangenen Jahren
gezeigt, dass die Chromosphäre sehr dynamisch ist: Heiße und kältere Regionen
können sich durchmischen und sind ständig in Bewegung.
"Um das Rätsel zu lösen, ist es nötig, einen möglichst genauen Blick auf die
Chromosphäre zu werfen - in allen zugänglichen Wellenlängenbereichen", erklärt
Solanki. Zusammen mit Kollegen des Kiepenheuer-Instituts für Sonnenphysik in
Freiburg, des High Altitude Observatory in Boulder und des
Instituto de Astrofísica de Andalucía in Granada ist es den MPS-Forschern
nun gelungen, ein entscheidendes Puzzleteil hinzuzufügen: erste hochaufgelöste
Beobachtungen der Chromosphäre in ultraviolettem Licht.
Möglich wurden diese Aufnahmen durch das Sonnenobservatorium Sunrise,
das von einem riesigen Helium-Ballon getragen aus einer Höhe von mehr als 37
Kilometern seinen Blick auf die Sonne richtet (astronews.com
berichtete). In dieser Flughöhe hat Sunrise den Großteil der
Erdatmosphäre unter sich gelassen. Diese Luftschichten "schlucken" die
ultraviolette Strahlung der Sonne und machen sie so für erdgebundene Teleskope
unzugänglich.
Anfang Juni dieses Jahres startete Sunrise aus dem nordschwedischen
Kiruna zu seinem zweiten Flug. Nach fünftägiger Reise landete das Observatorium
an einem Fallschirm auf der abgelegenen Halbinsel Boothia im Norden Kanadas.
"Natürlich untersuchen auch Raumsonden aus dem Weltall das ultraviolette Licht
der Sonne", so Solanki. Sie liefern jedoch eine geringere räumliche Auflösung.
Zudem bietet Sunrise einen weiteren, entscheidenden Vorteil: Der
Sunrise Filter Imager, eines der beiden wissenschaftlichen Instrumente des
Observatoriums, ist in der Lage, aus der gesamten Sonnenstrahlung ultraviolette
Anteile bestimmter Wellenlängen herauszufiltern - etwa Strahlung mit einer
Wellenlänge von 279,6 Nanometern. "Nur die Magnesium-Atome in der Chromosphäre
emittieren diese Strahlung", erklärt Dr. Tino Riethmüller vom MPS, Erstautor der
neuen Studie. "Obwohl Magnesium mit nur 0,0024 Prozent einen verschwindend
geringen Teil der Sonnenmasse ausmacht, bietet uns dieses Element einen direkten
Zugang zu dieser Region", ergänzt er.
Die neuen Daten zeichnen ein komplexes Bild der Chromosphäre: Dort, wo die
Sonne inaktiv und ruhig ist, zeigen sich dunkle Bereiche mit einem Durchmesser
von einigen Tausend Kilometern umgeben von hellen Rändern. Dieses Muster
entsteht durch die gewaltigen Plasmaströme, die aus dem Innern der Sonne
aufsteigen, an ihrer Oberfläche abkühlen und wieder hinabsinken. Auffällig sind
helle Punkte, die vereinzelt aufblitzen. In den ultravioletten Aufnahmen treten
sie deutlich kontrastreicher zu Tage als zuvor. Wissenschaftler glauben, dass
die hellen Punkte auf einzelne magnetische Flussröhren in der Photosphäre, die
Grundbausteine des solaren Magnetfeldes, hinweisen.
Das Magnetfeld ist von besonderem Interesse da es für die gesamte Aktivität
der Sonne verantwortlich ist. Neben diesen ruhigen Bereichen der Sonne richteten
die Forscher ihren Blick auch auf Regionen in direkter Nachbarschaft zu
Sonnenflecken. Solche zum Teil riesigen, dunklen Strukturen überziehen die
sichtbare Oberfläche der Sonne besonders zahlreich in Zeiten hoher
Sonnenaktivität. "Dort zeigen sich in unseren Aufnahmen helle, langgezogene
Strukturen, so genannte Fibrillen", so Riethmüller.
"Unsere ersten Auswertungen sind ausgesprochen vielversprechend", kommentiert
Solanki die neuen Ergebnisse. "Sie zeigen, dass die ultraviolette Strahlung aus
der Chromosphäre hervorragend geeignet ist, um feine Strukturen und Prozesse
sichtbar zu machen". Die Forscher hoffen nun, dass die bevorstehenden
Auswertungen der Sunrise-Daten weitere neue Erkenntnisse liefern
werden. Zudem setzen sie auf eine enge Zusammenarbeit mit Kollegen der
IRIS-Mission. Das Weltraumteleskop der amerikanischen Weltraumagentur NASA
startete am 28. Juni dieses Jahres, einige Wochen nach dem Flug von Sunrise, ins
All und untersucht ebenfalls die ultraviolette Strahlung der Chromosphäre und
der Korona.
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