Die magnetischen Grundbausteine der Sonne
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
12. November 2010
Im Sommer des vergangenen Jahres startete das Sonnenobservatorium
Sunrise von Nordschweden aus zu einem 130-stündigen Flug um den
Nordpol - als größtes Sonnenteleskop, das jemals den Erdboden verlassen
hat. Jetzt stellten Wissenschaftler die ersten Ergebnisse vor: Sie
konnten die kleinsten Bausteine des Sonnenmagnetfeldes sichtbar machen
und charakterisieren.
Diese Aufnahme
des Instruments IMaX zeigt die Granulation der
Photosphäre. In den hellen Bereichen strömt
heißes Plasma nach oben; in den dunklen sinkt das
abgekühlte Plasma wieder herab. Dazwischen
blitzen winzige, helle Punkte auf. Die einzelnen
Granulen haben eine Größe von einigen tausend
Kilometern. Bild:
MPS |
Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung
(MPS) ist es erstmals gelungen, die kleinsten Bausteine des
Sonnenmagnetfeldes sichtbar zu machen und zu charakterisieren. Die
Magnetfeldstärke in diesen winzigen, nur einige hundert Kilometer großen
Bereichen übertrifft die Stärke des Erdmagnetfeldes etwa um das
3.000-fache. Forscher des MPS, des Kiepenheuer-Instituts für
Sonnenphysik und weiterer Partnereinrichtungen werteten Messungen aus,
die ihnen im vergangenen Jahr mit Hilfe des Sonnenobservatoriums
Sunrise gelungen waren. Kein anderes Sonnenteleskop konnte die
genauen Eigenschaften dieser Strukturen bisher untersuchen. Diese und
weitere erste Ergebnisse der Mission Sunrise würdigt die Fachzeitschrift
The Astrophysical Journal jetzt in einer Sonderausgabe mit
zwölf Beiträgen des Sunrise-Teams.
Die Sonne ist ein turbulenter Ort: Heißes Plasma ist ununterbrochen in
Bewegung, steigt aus dem heißen Innern des Sterns auf, kühlt ab und sinkt wieder
hinab. An der sichtbaren Oberfläche der Sonne, in der so genannten Photosphäre,
machen sich diese brodelnden Ströme als einige tausend Kilometer große,
netzartige Strukturen bemerkbar: Unter den hellen, heißeren Bereichen steigt das
Plasma auf; an den dunklen, kühleren Rändern sinkt es hinunter. Wissenschaftler
bezeichnen diese Muster als Granulation.
Die Plasmaströme der Sonne sind untrennbar mit ihren magnetischen
Eigenschaften verknüpft. Denn die Bewegungsenergie der Ströme wandelt sich in
magnetische Energie um. Die Magnetfelder, die so entstehen, zeigen sich
beispielsweise in den dunklen Sonnenflecken, die zum Teil so groß sind wie die
Erde. Doch das Magnetfeld der Sonne kennt auch deutlich kleinere Strukturen.
Hinweise auf diese Strukturen liefern winzige, helle Punkte zwischen den
Granulen. Dort drängen die starken Magnetfelder das brodelnde Plasma nach außen,
so dass ein tieferer Blick in das Sonneninnere möglich ist. Wegen der höheren
Temperaturen im Innern erscheinen die so genannten "bright points" deshalb
heller. Obwohl die hellen Punkte in den Aufnahmen einiger großer Sonnenteleskope
sichtbar sind, ließen sich bisher ihre physikalischen Eigenschaften wie etwa die
Magnetfeldstärke nicht genau bestimmen.
"Ohne diese Kenntnisse fehlte eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein
grundlegendes Verständnis der magnetischen Vorgänge auf der Sonne", sagt Prof.
Dr. Sami K. Solanki, Direktor des MPS. Es war, als wolle man einen Ameisenhaufen
untersuchen, ohne die einzelnen Ameisen erkennen und beschreiben zu können. Erst
das Sonnenobservatorium Sunrise, das als internationales Projekt unter
Leitung des MPS gebaut und betrieben wurde, vereinigte die entscheidenden
Eigenschaften: eine hohe räumliche Auflösung von etwa 100 Kilometern und
hochpräzise Instrumente, die unter anderem die Stärke der Magnetfelder messen
können.
Bei seinem Flug im Juni vergangenen Jahres trug ein mit Helium gefüllter
Ballon das Observatorium bis auf eine Höhe von 37 Kilometern in die
Stratosphäre. Dort hatte das Teleskop den Großteil der Erdatmosphäre - und somit
die störenden Luftverwirbelungen - unter sich gelassen. Mit einem
Spiegeldurchmesser von einem Meter ist Sunrise das größte
Sonnenteleskop, das jemals den Erdboden verlassen hat. Anders als erdgebundene
Teleskope konnte das Observatorium zudem die ultraviolette Strahlung der Sonne
untersuchen, die in der Erdatmosphäre absorbiert und somit aus dem Sonnenlicht
herausgefiltert wird.
"Die Instrumente von Sunrise konnten Strukturen von nur hundert Kilometern
Größe auflösen", erklärt Solanki. Das ist als würde man eine Ein-Euro-Münze aus
30 Kilometern Entfernung untersuchen. Durch diese hohe Auflösung war es erstmals
möglich, die hellen Punkte in der Photosphäre zu charakterisieren. Mit bis zu
1,8 Kilogauss ist das Magnetfeld in diesen Bereichen bis zu 3.000-mal so stark
wie das der Erde. Die Temperatur liegt dort etwa 1.000 Grad höher als in der
nichtmagnetischen Umgebung. "Theoretische Berechnungen legen nahe, dass diese
heißen, magnetischen Strukturen einzelnen magnetischen Flussröhren entsprechen",
so Dr. Andreas Lagg vom MPS. Diese Flussröhren sind die Basiseinheiten des
Sonnenmagnetfeldes. In der Photosphäre verlaufen ihre Feldlinien senkrecht zur
Sonnenoberfläche, wie in einer Röhre.
Zudem konnten die Wissenschaftler erstmals die Helligkeit der hellen Punkte
auch im Ultravioletten (UV) bestimmen. Diese ist etwa fünf Mal stärker als in
der Umgebung. "Nur so ist es möglich, den Beitrag der hellen Flecken zu den
Helligkeitsschwankungen der Sonne abzuschätzen", so Tino Riethmüller vom MPS. Da
die Erdatmosphäre die UV-Strahlung fast vollständig absorbiert, spielt dieser
Teil des Sonnenlichts eine wichtige Rolle bei der Erwärmung der oberen
Luftschichten. Dieses Wissen ist deshalb entscheidend für die Klimaforschung.
Denn nur so kann es gelingen, den Anteil der globalen Erwärmung, der vom
Menschen verursacht wird, vom Einfluss der Sonne zu trennen. Die
Helligkeitsschwankungen der Photosphäre, die Sunrise wie keine Mission zuvor
sichtbar macht, spiegeln zudem detailliert die Temperaturverläufe an der
Sonnenoberfläche wieder.
Das Sonnenobservatorium Sunrise startete im Juni vergangenen Jahres
unter der Leitung des MPS von der Weltraumbasis Esrange im nordschwedischen
Kiruna zu seinem 130-stündigen Flug um den Nordpol. Neben einem Sonnenteleskop
und ausgeklügelten Mechanismen der Bildstabilisierung trug das Observatorium
zwei wissenschaftliche Instrumente an Bord, welche die Magnetfelder der Sonne
untersuchen: SuFI (Sunrise Filter Imager) wurde unter Leitung des MPS entwickelt
und gebaut; IMaX (Imaging Magnetograph eXperiment) entstand in einem spanischen
Konsortium unter der Leitung des Instituto de Astrofisica de Canarias.
Zu den weiteren Kooperationspartnern der Mission zählen das Kiepenheuer-Institut
für Sonnenphysik in Freiburg und das High Altitude Observatory in den
USA.
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