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Sonnenteleskop zum Beobachtungsflug gestartet
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
11. Juli 2024
Das ballongetragene Sonnenobservatorium Sunrise III
ist gestartet. Gestern Morgen um 6.24 Uhr hob es vom Esrange Space Center
in der Nähe der nordschwedischen Kleinstadt Kiruna ab. Der Beobachtungsflug soll
mehrere Tage dauern und dem Team einen detaillierten Blick auf die Sonne
ermöglichen. Parallel finden auch Beobachtungen von der Erde aus und aus dem All
statt.
Sunrise III steigt in den Himmel.
Foto:
MPS (D. Germerott) [Großansicht] |
"Wir sind wahnsinnig erleichtert, dass der Start geglückt ist und bisher
alles reibungslos läuft", berichtet Sunrise-III-Projektmanager Dr. Andreas
Korpi-Lagg, der den Start am Göttingen Operations Center (GOC), dem
Kontrollzentrum der Mission am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung
(MPS), verfolgt hat, vom aktuellen Stand der Dinge. Ende Mai und Anfang Juni
hatten einige Startversuche wegen ungünstiger Wind- und Wetterbedingungen
abgebrochen oder abgesagt werden müssen; eine weitere Startmöglichkeit ergab
sich erst jetzt wieder. Noch viel länger hätte sich der Start nicht verzögern
dürfen; die Stratosphärenwinde, die Sunrise III nach Kanada tragen
sollen, zeigen schon erste Zeichen von Instabilität. Für einen sicheren Flug von
Sunrise III sollte es, gemäß Aussage der beteiligten NASA Meteorologen,
jedoch noch gut reichen. Sunrise III hatte noch gestern seine
endgültige Flughöhe erreicht und bisher funktionieren alle Systeme und
Instrumente wie erwartet. Das Observatorium dürfte schon bald erste
wissenschaftliche Messdaten einfangen.
Am Dienstagabend gegen 21 Uhr MESZ begannen die Vorbereitungen, sowohl auf
der Ballon- und Raketenbasis Esrange Space Center in der Nähe der
nordschwedischen Kleinstadt Kiruna im Norden Schwedens, als auch in den
Kontrollzentren in Göttingen und am Applied Physics Laboratory der
Johns Hopkins Universität in Maryland, USA. Zunächst öffnet sich das Tor
der Ballonhalle, in der das internationale Sunrise-III-Team das Observatorium
seit April auf seinen Flug vorbereitet hat. Gegen 22.30 Uhr manövrierte das
riesige Kran- und Startfahrzeug, genannt Hercules, die dreieinhalb Tonnen
schwere Last vorsichtig durch das Tor. Erst im Freien montierten Mitglieder des
Sunrise-III-Teams dann die letzten Solarpaneele, die während des Flugs die
Stromversorgung sicherstellen. Auch dämpfende Elemente aus Wellpappe, die den
Aufprall der späteren Landung abschwächen sollen, und Behälter mit Ballast, der
zur Höhenregulierung während des Fluges abgeworfen werden kann, werden erst
jetzt angebracht. Langsam steigt der Heliumballon in die Höhe. Danach
transportiert Hercules seine Fracht sanft schaukelnd aufs Startfeld.
Die Wetterbedingungen erzwingen dort zunächst eine längere Wartezeit; dann
gab das Team der Columbia Scientific Balloon Facility, einer Abteilung
der amerikanischen Weltraumbehörde NASA, die Start, Flug und Landung des
Observatoriums verantwortet, grünes Licht für die letzte Phase der
Vorbereitungen. Über zwei seitliche Schläuche strömten insgesamt 1050 Kilogramm
Helium in den Ballon, der zuvor auf dem Startfeld ausgelegt worden war. Anfangs
mutet er etwas schlapp an, wird sich beim Aufstieg in die Stratosphäre jedoch
soweit ausdehnen, dass er etwa 130 Meter im Durchmesser misst. Gegen 6.20 Uhr
war dann alles bereit. Auf ein Kommando hin lösten die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der Balloon Facility die Verankerung des Ballons und
beinahe behäbig stieg er in die Höhe. Um sicherzustellen, dass er nicht seitlich
am Observatorium zerrt, setzte sich Hercules in Bewegung. Erst als der Ballon
genau über dem Observatorium steht, gab das Startfahrzeug seine Last frei. Unter
dem Applaus der Umstehenden vor Ort und dem erleichterten Jubel in Göttingen
entschwanden Observatorium und Ballon in den Himmel.
Die Forschungsreise, die Sunrise III nun antritt, bietet dem
Observatorium einen einzigartigen Blick auf unseren Stern. Da die Sonne zu
dieser Jahreszeit am Polarkreis nicht untergeht, kann Sunrise III im
optimalen Fall rund um die Uhr Messdaten aufzeichnen. In mehr als 35 Kilometer
Höhe beeinträchtigen Luftturbulenzen die Sicht kaum. Zudem hat Sunrise III
in dieser Höhe Zugang zur ultravioletten Strahlung von der Sonne. Dieser
Teil der Sonnenstrahlung wird von den Luftschichten der Erdatmosphäre
größtenteils absorbiert und steht Sonnenteleskopen auf der Erde deshalb nicht
zur Verfügung. Aktuell sind auf der Sonnenoberfläche mehrere große Gruppen von
Sonnenflecken zu sehen. Solche Gebiete können Ausgangspunkte von
Sonneneruptionen sein.
Die ultraviolette Strahlung, die Sunrise III auswertet, entsteht in
erster Linie in der bis zu 10.000 Grad Celsius heißen Chromosphäre der Sonne. In
der weiter außen liegenden Korona herrschen mancherorts sogar Temperaturen von
mehr als eine Million Grad. Wie es der Sonne gelingt, ihre äußere Hülle auf
solch unvorstellbare hohe Temperaturen aufzuheizen und von dort zum Teil heftige
Teilchen- und Strahlungsausbrüche ins All zu schleudern, ist noch immer nicht
vollständig verstanden. Verschiedene Wellenphänomene, Umschichtungen im
magnetischen Feld der Sonne und kleinere Strahlungsausbrüche sind nur einige der
Prozesse, die eine Rolle spielen könnten. Die dazugehörigen Vorgänge in der
Region von knapp unterhalb der Sonnenoberfläche bis in die obere Chromosphäre
sichtbar zu machen und genau zu untersuchen, ist Aufgabe von Sunrise III.
Die drei wissenschaftlichen Instrumente SUSI (Ultraviolett-Spektropolarimeter),
TuMag (Spektropolarimeter im sichtbaren Bereich) und SCIP (Infrarot-Spektropolarimeter)
sowie ein ausgeklügeltes System zur Bildstabilisierung bieten zusammen die
bisher beste Höhenauflösung dieses Bereichs: Besser als je zuvor wird es möglich
sein, einzelne Prozesse und Strukturen einer genauen Höhe über der
Sonnenoberfläche zuzuordnen. "Sunrise III wird uns helfen, die
dynamischen Vorgänge in der Sonnenatmosphäre besser als je zuvor zu verstehen",
so Prof. Dr. Sami K. Solanki, Leiter der Sunrise-III-Mission und Direktor am
MPS. Dabei bekommt Sunrise III in den nächsten Tagen Unterstützung:
Zehn bodengebundene Sonnenteleskope auf der ganzen Welt, darunter etwa das
Daniel K. Inouye Solar Telescope auf Hawaii und GREGOR auf Teneriffa, sowie
die Raumsonden und Satelliten IRIS, Hinode, CHASE und Aditya-L1 aus den USA,
Japan, China und Indien blicken im Rahmen einer koordinierten Messkampagne
zeitgleich auf die Sonne.
In den nächsten Tagen treiben die in dieser Saison letzten stabilen
stratosphärische Ostwinde das Sonnenobservatorium Sunrise III, das über
keinen eigenen Antrieb verfügt, westwärts über den Atlantik. Je nach
Windgeschwindigkeit dauert der Flug fünf bis sieben Tage. Dann erreicht
Sunrise III den Norden Kanadas und damit die Region, in der gelandet werden
soll. Die genaue Landestelle bestimmen die Flugbahn, die Topographie und die
lokalen Wetterbedingungen. Mit Sicherheit liegt sie jedoch soweit im Norden,
dass Sunrise III am Fallschirm gefahrlos über unbewohntem Gebiet
niedergehen kann. Mitglieder des Sunrise-III-Teams werden das Observatorium und
seinen Datenschatz dort bergen. Das abenteuerliche Konzept war bereits zweimal
erfolgreich. Die Flüge von Sunrise I und Sunrise II lieferten
2009 und 2013 wertvolle Daten. Der Flug von Sunrise III musste 2022
wenige Stunden nach dem Start wegen technischer Schwierigkeiten abgebrochen
werden.
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