Materie fast so schnell wie das Licht
von Stefan Deiters astronews.com
12. Juni 2007
Mithilfe eines automatischen Teleskops konnten ESO-Astronomen erstmals messen, wie schnell Materie durch
Explosionen beschleunigt wird, die für sogenannte Gamma-Ray-Bursts
verantwortlich sind. Die Forscher ermittelten für das Material eine
Geschwindigkeit von 99,9997 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Die Messung ist
ein wichtiger Schritt zum besseren Verständnis dieser Ausbrüche im
Gammastrahlenbereich.

Das Rapid-Eye Mount (REM) 0.6-Meter Teleskop der
ESO im chilenischen La Silla.
Foto: ESO / P. Aniol |
Gamma-Ray-Bursts, also kurze, heftige Strahlungsausbrüche im
Gammastrahlenbereich, sind vermutlich mit den energiereichsten Explosionen im
Universum verbunden. Sie künden oft vom Ende eines massereichen Sterns in einer
Hypernova und
können es an Leuchtkraft für eine kurze Zeit fast mit dem gesamten Universum
aufnehmen. Sie sind allerdings äußerst kurzlebig, dauern manchmal nur Sekunden
oder wenige Minuten.
Astronomen war schon länger klar, dass sich das explodierende Material, um in
so kurzer Zeit diese ungeheuren Mengen an Energie
auszustrahlen, nahezu mit Lichtgeschwindigkeit bewegen muss, also mit etwa
300.000 Kilometer pro Sekunde. Jetzt gelang es aber erstmals, diese Geschwindigkeit
auch tatsächlich nachzuweisen.
Gamma-Ray Bursts können nicht mit dem menschlichen Auge wahrgenommen werden,
sondern müssen durch für Gammastrahlen empfindliche Satelliten aufgespürt
werden. Wenn das durch die Explosion beschleunigte Material auf umgebendes Gas
trifft, wird auch dieses zum Leuchten angeregt. Dieses "Nachglühen" des
Gammastrahlen-Ausbruchs lässt sich gut von der Erde mit Teleskopen im Optischen
und nahen Infraroten beobachten und kann mehrere Wochen anhalten. Um möglichst
viel von dem Ausbruch und der sich ändernden Helligkeit mitzubekommen, ist aber
Schnelligkeit entscheidend. So entstanden auf der ganzen Welt automatische
Teleskope, die eine bestimmte Himmelsposition sofort ansteuern können, wenn ein
Satellit einen Gamma-Ray-Burst meldet.
Am 18. April und 7. Juni letzten Jahres hatte der Satellit SWIFT wieder einen
hellen Gammastrahlen-Ausbruch in 9,3 bzw. 11,5 Milliarden Lichtjahren Entfernung entdeckt und die Daten auch an das
REM-Teleskop der ESO im chilenischen La Silla übermittelt. Das Teleskop begann automatisch
den Himmelsbereich ins Visier zu nehmen und verfolgte die Entwicklung der
Helligkeit der beiden Bursts. Dank der geringen Größe des
Teleskops ist es äußerst beweglich und konnte den betreffenden Himmelsbereich
sehr schnell ansteuern und mit den Beobachtungen beginnen. So gelang es, auch
Daten über die Helligkeit unmittelbar nach der Explosion zu gewinnen. REM
benötigte nach der Alarmierung nur 39 bzw. 41 Sekunden bis es die Arbeit
aufnehmen konnte.
"Dank der Entwicklung von sich schnell drehenden bodengestützten Teleskopen
wie das 0,6-Meter REM-Teleskop können wir nun sehr
detailliert studieren, was unmittelbar nach einer dieser gewaltigen kosmischen
Katastrophen passiert", erläutert Emilio Molinari, der die Beobachtergruppe
leitete. Bei beiden Gamma-Ray-Bursts konnten die Astronomen verfolgen, wie sich
die Helligkeit des Nachglühens zunächst erhöhte, dann ein Maximum erreichte, um
dann wieder allmählich abzuklingen. Das ist der normale Verlauf des Nachglühens
eines solchen Ereignisse, allerdings wird das Maximum der Strahlungsintensität
im Optischen und Infraroten nur sehr selten beobachtet.
Durch die Messung dieses Maximums aber ist es möglich, Rückschlüsse auf die
Geschwindigkeit des Materials zu ziehen, das während der Explosion ins All
geschleudert wurde: Bei beiden Gamma-Ray-Bursts betrug diese 99,9997 Prozent
der Lichtgeschwindigkeit. "Das Material bewegt sich also mit einer
Geschwindigkeit, die sich nur um einen drei Millionenstel Teil von der
Lichtgeschwindigkeit unterscheidet", unterstreicht Stefano Covino, der auch an
der Arbeit beteiligt war. "Einzelne Teilchen können durchaus noch näher an die
Lichtgeschwindigkeit herankommen, hier aber ist das äquivalent von 200 Erdmassen
auf diese Geschwindigkeit beschleunigt worden."
Die Bestimmung dieser Geschwindigkeiten ist für die Wissenschaftler für das
Verstehen der Gamma-Ray-Bursts von entscheidender Bedeutung. Bislang war dieser
Wert nur recht ungenau bekannt. Die nächste Aufgabe sehen die Astronomen nun klar
vor sich: "Die nächste Frage ist, was das für ein 'Antrieb' ist, der Materie auf
diese ungeheuren Geschwindigkeiten beschleunigen kann", so Covino.
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