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Schwarzes Loch ohne Heimat
von Stefan
Deiters
astronews.com
15. September 2005
Durch die Zusammenarbeit von zwei der leistungsfähigsten Teleskope die den
Astronomen derzeit zur Verfügung stehen gelang ein überraschender Fund: Die
Forscher entdeckten mit dem Hubble-Weltraumteleskop und dem Very Large
Telescope der ESO einen Quasar, also ein supermassereiches Schwarzes Loch, zu dem offenbar
keine Galaxie gehört. Oder besteht die Wirtsgalaxie der Schwerkraftfalle
überwiegend aus Dunkler Materie?
Hubble-Aufnahme des Quasars HE0450-2958. Das Bild wurde (im
Gegensatz zum Bild unten, das den gleichen Ausschnitt
zeigt) bearbeitet, um den Quasar (heller Punkt in der Bildmitte)
besser erkennen zu können. Besser sichtbar ist auch die Galaxie
in der Nähe (oben) und die Gaswolke (direkt unter dem Quasar).
Deutlich wird in der bearbeiteten Aufnahme auch, dass es sich
bei dem hellen Fleck in der unteren Bildhälfte um einen
Vordergrundstern handelt.
So sehen Quasare normalerweise aus:
Um den Quasar HE1239-2426 in 1,5 Milliarden Lichtjahren ist
deutlich eine Galaxie zu erkennen, die eine Spiralstruktur hat. Bilder:
NASA / ESA, ESO, Frédéric Courbin (Ecole Polytechnique Federale
de Lausanne, Schweiz) und Pierre Magain (Universite de Liege,
Belgien) |
Das internationale Astronomenteam hatte eigentlich vor, eine Reihe von
Quasaren zu untersuchen, also sehr leuchtkräftige Objekte in meist großer
Entfernung, die ihre Energie von einem supermassereichen Schwarzen Loch
beziehen, das sich inmitten einer Galaxie verbirgt und enorme Menge von Materie
verschlingt - so zumindest die Standardansicht über das Wesen der Quasare. Bei
19 von insgesamt 20 untersuchten relativ nahen Quasaren konnten die Forscher
dann auch bestätigen, dass die supermassereichen Schwarzen Löcher von einen
Galaxie umgeben war. Doch beim Quasar HE0450-2958 in fünf Milliarden Lichtjahren
Entfernung war beim besten Willen keine Galaxie zu entdecken.
Supermassereiche Schwarze Löcher, also Schwerkraftfallen die die viele
Millionenfache Masse unserer Sonne haben können, befinden sich in den Zentren
der meisten Galaxien. Auch unsere Milchstraße beherbergt in ihrem Zentrum
ein solches Schwerkraftmonster, das allerdings vergleichsweise harmlos ist, da
es zurzeit nur geringe Mengen an Materie zu verschlingen scheint. Bei einigen
Galaxien ist das anders: Hier verschlingt das Schwarze Loch enorme Mengen an
Gas, Staub und ganzen Sternen und die dabei freiwerdenden Energien lassen die
Zentren dieser Galaxien so hell strahlen, das sie oft die gesamte Galaxie
überblenden. Deswegen wurden diese Objekte Quasare genannt, weil man sie anfangs
für punktförmige, quasi-stellare Objekte hielt.
Dank moderner Teleskope gelang es aber inzwischen hinter das Geheimnis dieser
Quasare zu kommen und die zugehörigen Galaxien zu entdecken. Und das Tandem aus
Hubble-Weltraumteleskop und Very Large Telescope (VLT) der ESO erwies sich dabei
als gutes Team: Die scharfen Hubble-Bilder wurden ergänzt durch spektroskopische
Daten des VLT, das gleichzeitig die Quasare und einen Referenzstern anvisierte,
um so das Quasarlicht von dem Licht der vermuteten Wirtsgalaxie unterscheiden zu
können.
Doch im Falle von HE0450-2958 half auch diese ausgefeilte Technik nichts: Um
den Quasar war keinerlei Galaxie auszumachen. Für die Forscher bedeutet das,
dass die Wirtsgalaxie dieses Quasars entweder sechs Mal leuchtschwächer sein
muss als
die Galaxien um andere Quasare oder aber sehr deutlich kleiner. "Durch die
Kombination von Hubble und VLT sind wir sicher, dass wir eine normale
Wirtsgalaxie entdecken müssten", sagt Pierre Magain von der Université de
Liège in Belgien, einer der an der Studie beteiligten Astronomen. "Deswegen
bleibt uns kein anderer Schluss als der, dass dieser Quasar nicht von einer
massereichen Galaxie umgeben ist."
Allerdings entdeckten die Forscher in der Nähe des Quasars eine Gaswolke mit
einem Durchmesser von 2.500 Lichtjahren. Sie leuchtet durch die intensive
Strahlung des Quasars und nicht durch Sterne, die sich im Inneren der Wolke
verbergen. Die Astronomen vermuten, dass es diese Wolke ist, die das
supermassereiche Schwarze Loch mit Material versorgt und es so zum Quasar werden
lässt.
Und noch etwas spürten die Wissenschaftler auf: Ganz in der Nähe befindet
sich eine merkwürdige Galaxie, die so aussieht, als hätte sie gerade eine
Kollision hinter sich. Die Astronomen schließen dies aus der hohen Rate, mit der in diesem
System Sterne entstehen. "Die Entdeckung eines Quasars ohne Wirtsgalaxie, einer
Gaswolke und einer Galaxie, in der gerade intensive Sternentstehung stattfindet
spricht dafür, dass wir hier wirklich auf einen außergewöhnlichen Quasar gestoßen
sind", so Frédéric Courbin von der Ecole Polytechnique Federale de Lausanne
in der Schweiz. "Vermutlich hat es hier vor rund 100 Millionen eine Kollision
gegeben, die für all das verantwortlich ist."
Jetzt versuchen die Forscher
herauszufinden, wie das, was sie rund um HE0450-2958 sehen, zu den aktuellen Theorien passt.
Möglicherweise wurde die Wirtsgalaxie bei der vermuteten Kollision vollständig
zerstört, was allerdings recht unwahrscheinlich erscheint. Oder war das Schwarze Loch
ein Einzelgänger, das durch die Scheibe der Galaxie gewandert ist und dabei Gas
mitgerissen hat? Doch wie kann man dann die so dramatischen Störungen der
Galaxie erklären? Oder aber, und das ist sicherlich die faszinierendste These,
besteht die Wirtsgalaxie des Quasars am Ende gar überwiegend aus Dunkler
Materie? Sie könnte damit praktisch eine Frühphase in der normalen
Galaxienentwicklung darstellen, die in diesem Fall nur einige Milliarden Jahre
später stattfand, als bei den meisten anderen Galaxien. Die Forscher gehen
nämlich davon aus, dass auch die meisten sichtbaren Galaxien einen
beträchtlichen Teil dunkler Materie aufweisen.
Zur Zeit scheint nur eines sicher zu sein: Der Quasar HE0450-2958, von dem
das Team in der heutigen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature berichtet,
wird die Astronomen noch einige Zeit beschäftigen.
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STScI, Space Teleskope Science
Institut
Spacetelescope.org, the
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ESO, Europäische Südsternwarte |
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