Eine Supernova zum Zuschauen
von
Hans Zekl
für
astronews.com
27. Februar 2006
Am 18. Februar 2006 registrierte der
NASA-Satellit Swift einen ungewöhnlich langen Gamma-Ray Burst.
Ursache dafür war offenbar eine Supernova, die in den nächsten Tagen
ihre maximale Helligkeit erreichen wird. Mit den laufenden Beobachtungen dürfte ein lang gehegter Wunsch der Astronomen
in Erfüllung gehen, nämlich das Ende eines Sterns von Anfang an in
allen Wellenlängenbereichen zu untersuchen. Auch Amateurastronomen können dabei helfen.

Die Himmelsregion vor dem von Swift beobachteten
Gamma Ray Burst (oben) und eine Aufnahme des Ereignisses
(unten). Der Burst ist durch zwei Striche markiert.
Fotos: SDSS (oben), NASA / Swift / UVOT (unten) |
Seit der Entdeckung herrscht große Aufregung in der Forschergemeinde. Bisher
wurden Supernovae nämlich immer erst einige Tagen nach dem Beginn des
Ereignisses entdeckt - nachdem die Explosionswolke deutlich heller geworden war.
An den großen Teleskopen auf der Erde und im Weltraum laufen inzwischen
Beobachtungsprogramme, damit den Astronomen keine Einzelheit der Sternexplosion
entgeht.
Swift registrierte den Gammastrahlenausbruch am 18. Februar um 4 Uhr
43 Minuten und 30 Sekunden. In weniger als 3 Minuten richtete der Satellit seine
UV- und optischen Teleskope auf die Ausbruchsstelle im Sternbild Widder und
beobachtete das Nachleuchten. Gleichzeitig wurden Astronomen auf der ganzen Welt
alarmiert und schwenkten eine Armada an Fernrohren auf die übermittelten
Koordinaten.
Zu Beginn sah es aber danach aus, als würden sie etwas anderes als den Beginn des
Todeskampfs eines massereichen Sterns sehen. Gammastrahlenausbrüche dauern
normalerweise nicht lange, allenfalls wenige Minuten. Doch dieser am 18. Februar
leuchtete rund 30 Minuten auf. Deshalb vermuteten die Forscher zunächst, dass ein
Ereignis in unserer Milchstraße dafür verantwortlich ist.
Aber weitere
Beobachtungen zeigten, dass der Ausbruch in einer Galaxie stattfand, die 470
Millionen Lichtjahren entfernt ist und in der sich viele neue Sterne bilden.
"Die helle Röntgenquelle die Swift fand
änderte sich etwa 40 Minuten lang nur wenig, ganz im Gegensatz zu den schnellen
Abnahmen normaler Gamma-Ray Bursts. Es wird schwierig sein, ein physikalisches
Modell zu finden, das die Beobachtung erklären kann," fasst Julian Osborn von
der University of Leicester das Besondere dieses Ausbruchs zusammen.
GRB 060218 - die
Ausbrüche werden nach dem Datum benannt -
ist der zweitnächste jemals registrierte Gammastrahlenausbruch. Neben seiner
ungewöhnlich langen Dauer war er auch relativ schwach. So schwach, dass Swift
ihn übersehen hätte, wenn sich das Ereignis in einer Entfernung von einigen
Milliarden Lichtjahren abgespielt hätte, wie es bei den meisten Gamma-Ray-Bursts
der Fall ist. Nur 1998 wurde eine Explosion beobachtet, die noch näher war
- GRB 980425. Damals
stellte sich heraus, dass sie mit einer Supernova verbunden war, SN 1998bw. Auch
dieses Ereignis war relativ schwach, doch lieferte es den Forschen genügend
Daten, um eine theoretische Vorstellung über die Entstehung dieser Art von
Gamma-Ray-Bursts zu entwickeln.
Auch diesmal deutet einiges auf eine Supernova hin. Alicia
Soderberg vom Calaifornia Institute of Technology und ihre Kollegen
entdeckten inzwischen mit dem 8,1 Meter Gemini South Telescope in Chile
exakt an den Koordinaten des Bursts eine Supernova-Explosion, die den Namen SN
2006aj erhielt. Die Strahlung der Supernova überstrahlt inzwischen das
Nachglühen des Gamma-Ray-Bursts. Auch ein europäisches Team aus Italien und
England entdeckten mit dem Very Large Telescope der ESO in Chile die
Signatur einer sich entwickelnden Supernova.
Damit wird das gängige Modell zur Erklärung der langen Gammastrahlenausbrüche
weiter gestützt, das Anfang der 1990er Jahre von Stan Woosley und Andrew MacFadyen entwickelt wurde. Gamma Ray Bursts können
danach entstehen, wenn der Kern eines massereichen Sterns zu einem Schwarzen
Loch oder einen Neutronenstern kollabiert. Nachstürzendes Gas sammelt sich in
einer Akkretionsscheibe um den extrem verdichteten Kern. Materie wird durch das
dabei "aufgewickelte" Magnetfeld beschleunigt und in zwei Jets mit fast
Lichtgeschwindigkeit nach außen transportiert.
Stoßwellen innerhalb der Jets produzieren dann die
Gammastrahlung. Der Stern selbst explodiert als Supernova vom Typ Ib oder Ic.
Die Typen unterscheiden sich durch ihr Spektrum: In den Spektren von
Supernova-Explosionen vom Typ Ib ist kaum oder gar kein Wasserstoff zu finden,
obwohl Wasserstoff das häufigste Element im Universum ist. Beim Typ Ic fehlt
auch noch der Hinweis auf Helium, dem zweithäufigsten Element. SN 2006aj ist
wie SN 1998bw vom Typ Ic - genau wie es das Modell vorhersagt.
Ob die beiden schwachen Gammastrahlenausbrüche von 1998 und
2006 eine eigene Klasse darstellen, ist unklar. Nach dem gängigen Modell, sind
die Gammaausbrüche nur zu sehen, wenn wir ziemlich genau von vorne in einen Jet
hineinschauen. Möglicherweise aber blickt man bei schwachen Ausbrüchen in einem
leichten Winkel auf den Jet. Doch ein Problem bleibt: Nicht jede Supernova
erzeugt einen Gammastrahlenausbruch. Wahrscheinlich geschieht dies nur bei einem
Prozent aller Explosionen. Woosley vermutet, dass die Rotation des
Ursprungsterns eine entscheidende Rolle spielt. Gammaausbrüche entstehen danach
nur, wenn der Stern sich relativ schnell um seine Achse drehte.
Neben den Profis können auch gut ausgerüstete
Amateurastronomen ihren Beitrag zur Beobachtung dieses kosmischen Ereignisses
liefern. Vermutlich wird die Supernova um den 5. März eine maximale Helligkeit
von 16 Größenklassen erreichen. "Für die Wissenschaft
ist es sehr wichtig, den genauen Zeitpunkt der größten Helligkeit zu bestimmen,"
so Aaron Price von der American Association of Variable Star Observers
(AAVSO) in der Zeitschrift Sky & Telescope. "Amateure
sind dafür besonders geeignet, da sie über den ganzen Globus verteilt sind und
Beobachtungen praktisch lückenlos durchführen können." Die Koordinaten der
Supernova: RA 03:21:39,7, Dek: +16 52' 02'' (2000.0).
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