Zwei Bursts passen nicht ins Bild
Redaktion / idw / Universität
Heidelberg
astronews.com
22. Dezember 2006
Eigentlich dachten die Astronomen, sie wären endlich hinter
das Geheimnis der lange Zeit so mysteriösen Gammastrahlen-Ausbrüche gekommen.
Doch in der aktuellen Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Nature
berichten Forscher von der Entdeckung zweier dieser Gamma-Ray-Bursts, die
entgegen der Erwartung nicht von einer Supernova-Explosion begleitet wurden.
Auch zwei deutsche Astronomen waren an der Entdeckung beteiligt.

SWIFT-Röntgenaufnahme des "Nachglühens" des Gamma-Ray-Bursts
GRB060614. Foto:
NASA / Swift Team |
Zwei junge Astrophysiker am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg
haben an der Entdeckung zweier kosmischer Gammastrahlen-Ausbrüche (auf Englisch
Gamma-ray Bursts, oder kurz GRBs) mitgewirkt, die entgegen der Erwartung
nicht von einer Supernova-Explosion begleitet wurden. Diese Beobachtung stellt
eine Herausforderung dar für das klassische Modell dieser hochenergetischen
Phänomene, deren Strahlung von weit entfernten Galaxien zu uns kommt.
Es gibt zwei Sorten dieser nur kurze Zeit dauernden Gammastrahlen-Ausbrüche
(Millisekunden bis zu wenigen Minuten): die "kurzen" werden mit dem Verschmelzen
zweier kompakter Objekte mit Massen ähnlich der der Sonne erklärt (Dauer: unter
zwei Sekunden), die "langen" dagegen (Dauer über zwei Sekunden) sollten dann
entstehen, wenn ein Stern mit der vielfachen Masse der Sonne am Ende seines
Lebens in Form einer Supernova explodiert. Diese neue Entdeckung - lange
Gammastrahlen-Ausbrüche ohne Supernova - führt zu der Erkenntnis, dass der
Anteil der GRBs ohne gleichzeitige Supernova-Explosion viel größer sein muss,
als bisher vermutet.
Gammastrahlen-Ausbrüche (GRBs) sind Phänomene sehr hoher Energie, die in
Zusammenhang stehen mit der Explosion eines massereichen Sternes am Ende seines
Lebenszyklus oder mit dem Verschmelzen zweier kleinerer Sterne. Die in den
letzten Jahren gesammelten Daten legten den Schluss nahe, dass die kurzen GRBs
beim Zusammenstoß und anschließenden Verschmelzen zweier Himmelskörper mit
sonnen-ähnlichen Massen auftreten, während die langen GRBs auf einen sehr
massereichen Vorgängerstern hindeuten, der in Form einer Supernova explodierte
(dieses Modell wird auch "Kollapsar" genannt).
Bis jetzt wurde diese Theorie in allen Fällen eines langen
Gammastrahlen-Ausbruchs durch den Nachweis einer entsprechenden Supernova
bestätigt, während bei den kurzen GRBs bisher keine Hinweise auf eine
Supernova-Explosion gefunden wurden.
Aber dieses einfache Modell scheint nun durch zwei neue Beobachtungen
herausgefordert zu werden. An diesem Donnerstag berichtet ein von Johan Fynbo
geleitetes Team, dem auch zwei Astrophysiker vom Zentrum für Astronomie der
Universität Heidelberg angehören, von der Entdeckung zweier
Gammastrahlen-Ausbrüche langer Dauer, für die keine gleichzeitige
Supernova-Explosion ermittelt werden konnte, trotz sehr vieler und lange
belichteter Aufnahmen, die auch schwache Supernova-Signaturen hätten finden
müssen.
Die zwei Ereignisse, die die Namen GRB060505 und GRB060614 tragen (nach den
Daten, an denen sie gemessen wurden), wurden mit dem Satelliten-Teleskop
Swift entdeckt; ihre jeweilige Dauer betrug 4 Sekunden bzw. 102 Sekunden.
Sehr kurz danach erfolgte Messungen mit optischen Teleskopen in Chile und Hawaii
wiesen nach, dass sich die Objekte in relativ nahen Galaxien befinden. Bei allen
bisherigen solchen langen Gammastrahlen-Ausbrüchen hatte man in den
darauffolgenden Tagen eine Supernova-Explosion identifizieren können. Dieser
Nachweis gelang in diesen beiden Fällen nicht.
Zwei einfache Hypothesen könnten das Fehlen einer Supernova-Explosion
erklären. Zum einen könnten diese beiden GRBs Extremfälle von kurzen
Gammastrahlen-Ausbrüchen darstellen. Allerdings sind sie deutlich länger als
irgendein vorher beobachteter kurzer GRB, und ihre Positionen am Himmel in
Sternentstehungsregionen naher Galaxien spricht sehr zugunsten von massereichen
Vorgänger-Sternen.
Eine zweite Möglichkeit besteht darin, dass die Entfernungen dieser beiden
GRBs viel größer sind, als man denkt, und ihre Himmelsposition nur zufällig mit
den beiden Vordergrundgalaxien übereinstimmt. Es ist allerdings extrem
unwahrscheinlich, dass diese Interpretation gleich in beiden Fällen zutreffen
sollte. Diese zwei neuen Beobachtungen führen in jedem Fall dazu, die klare
Trennung zwischen kurzen und langen Gamma-Ray-Bursts aufzugeben, und
damit auch die eindeutigen Beziehungen zu den Massen der Vorgängersterne. Dies
würde auch bedeuten, dass das Fehlen einer Supernova nicht notwendigerweise
einen massereichen Vorfahren ausschließt.
Da mit diesen beiden nun gleich zwei solche Kandidaten unter den sechs
nächstgelegenen Gamma-ray Bursts sind, kann man erwarten, dass der Anteil der
langen Gammastrahlen-Ausbrüche ohne Supernova viel höher ist, als bisher
angenommen. Damit bedeutet diese Messung eine große Herausforderung für das
gegenwärtige Verständnis der physikalischen Mechanismen von
Gammastrahlen-Ausbrüchen. Offensichtlich sind sehr viel mehr Beobachtungen
solcher Ereignisse notwendig, um mögliche Modelle zu bestätigen oder besser
abzustimmen.
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