|
Starker Vulkanismus führte zu Erneuerung der Mondkruste
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
23. Dezember 2024
Die Kruste des Mondes ist nach seiner Entstehung nochmal zum
Teil aufgeschmolzen und hat die Forschung dadurch bei der Altersbestimmung in
die Irre geführt - das ist das Ergebnis einer jetzt vorgestellten Studie. Danach
war der Erdtrabant vor 4,35 Milliarden Jahren durch starken Vulkanismus geprägt.
Ursache war seine elliptische und deutlich engere Umlaufbahn um die Erde.
Wenige hundert Millionen Jahre nach seiner
Entstehung war der Mond heftiger vulkanischer Aktivität
ausgesetzt. Der Abstand zwischen Erde und Mond war damals
deutlich kleiner als heute.
Bild: MPS / Alexey Chizhik
[Großansicht] |
Wenige hundert Millionen Jahre nach seiner Entstehung dürfte der Mond
Schauplatz so ungeheurer vulkanischer Aktivität gewesen sein, dass seine gesamte
Kruste mehrfach aufschmolz und sich komplett umwälzte. Statt auf seiner heutigen
Bahn kreiste der Erdtrabant damals in größerer Nähe um die Erde. Die dabei
entstehenden Gezeitenkräfte heizten sein Inneres auf und lieferten so den
"Antrieb" für den heftigen Vulkanismus. Nur der Jupitermond Io, der bei Weitem
vulkanisch aktivste Körper im Sonnensystem, bietet vergleichbare Bedingungen.
Die neuen Überlegungen, die ein internationales Forschungsteam von der
University of California Santa Cruz, vom Max-Planck-Institut für
Sonnensystemforschung (MPS) und vom Collège de France in der
vergangenen Woche vorstellten, lösen bisherige Widersprüche und Ungereimtheiten
das Alter des Mondes betreffend.
Der Mond gibt sein Alter offenbar nur ungern preis. Versuche seinem Geheimnis
auf die Schliche zu kommen, liefern Schätzungen, die zum Teil einige hundert
Millionen Jahre auseinanderliegen: Während einige Forschende vermuten, dass
unser kosmischer Begleiter vor 4,35 Milliarden Jahren entstand, datieren andere
seine Geburtsstunde auf einen Zeitpunkt vor 4,51 Milliarden Jahren. Eine der
auffälligsten Ungereimtheiten dabei ist von steinerner Natur: Fast alle
Gesteinsproben vom Mond deuten auf das jüngere Mondalter. Aber einzelne, seltene
Kristalle aus Zirkoniumsilikat, sogenannte Zirkone, sind deutlich älter. Wie ist
das möglich? In der aktuellen Studie gelingt es der Forschungsgruppe, diesen
Widerspruch zu lösen. Demnach schmolzen Teile der Kruste des Erdtrabanten nach
seiner Entstehung noch einmal auf; nur wenige Zirkone konnten diesen extremen
Bedingungen unverändert trotzen.
Die Geschichte des Mondes beginnt mit einer gewaltigen Kollision. In den
frühen Tagen des Sonnensystems krachte ein etwa Mars-großer Brocken in die noch
junge Erde. Der Zusammenprall erzeugte so viel Hitze, dass unser Planet
vollständig aufschmolz, und schleuderte eine riesige Menge an Material ins All.
Daraus ballte sich der Mond zusammen, zunächst bedeckt von einem riesigen Ozean
aus heißem, flüssigem Gestein. In den folgenden Jahrmillionen kühlte der neu
entstandene Körper ab und entfernte sich auf seinen Kreisbahnen immer weiter von
der Erde, bis er seine heutige Umlaufbahn in einem Abstand von etwa 384.400
Kilometern erreichte. "Uns interessiert besonders die Phase, als der Abstand
zwischen Erde und Mond in etwa ein Drittel der heutigen Entfernung betrug",
erklärt Prof. Dr. Francis Nimmo von der University of California Santa Cruz.
Zu diesem Zeitpunkt kam es zu verschiedenen Veränderungen in Lage und Form der
Mondumlaufbahn. Unter anderem wurde sie elliptischer, so dass innerhalb jeder
Umrundung die Geschwindigkeit des Mondes sowie sein Abstand zur Erde merklich
variierte. Die so wirkenden Kräfte "walkten" sein Inneres so stark durch, dass
er aufheizte.
Eine ähnliche Situation ist noch heute vom Jupitermond Io bekannt, der
ebenfalls auf leicht elliptischer Umlaufbahn um den Gasriesen reist. Die
gewaltigen Gezeitenkräfte des Jupiters machen den kleinen Mond so zum vulkanisch
aktivsten Körper im Sonnensystem. Der frühe Erdmond dürfte ihm kaum
nachgestanden haben. Den Berechnungen des Teams zur Folge reichte der Wärmefluss
aus dem Innern des Mondes aus, um den gesamten Mantel aufzuschmelzen und
umzuwälzen. Zwar bedeckte in dieser Phase zu keinem Zeitpunkt ein Magmaozean den
kompletten Mond. Aber im Laufe mehrerer Millionen Jahre entlud sich die Hitze
aus dem Innern nach und nach überall und verflüssigte Teile des Krustengesteins
– möglicherweise sogar mehrfach. An manchen Stellen drang die heiße Lava an die
Oberfläche, an anderen blieb sie unterhalb und erhitzte das darüber liegende
Gestein.
Für die Altersbestimmung des Krustengesteins ist diese vulkanische
Vorgeschichte maßgeblich. Wie auch irdisches Gestein enthält Mondgestein seit
seiner Entstehung radioaktive Isotope. Das sind Spielarten bestimmter Atome, die
radioaktiv zerfallen. Da ihre Zerfallszeiten bekannt sind, lässt sich aus der
heutigen Konzentration auf das Alter des Gesteins schließen. Das Entscheidende:
Solange das Gestein heiß ist, kann es Isotope mit seiner Umgebung austauschen.
Wenn es abkühlt, friert seine aktuelle Zusammensetzung ein. Die eingeschlossenen
radioaktiven Isotope beginnen zu zerfallen, die geologische Uhr zu ticken. "Der
starke Vulkanismus dürfte die geologische Uhr des Mondes neu gestartet und somit
verstellt haben", erklärt Prof. Dr. Thorsten Kleine, Direktor am MPS. "Das
Mondgestein verrät deshalb nicht sein ursprüngliches Alter, sondern nur, wann es
das letzte Mal stark erhitzt war", fügt er hinzu.
Zeugnis der weiter zurückliegenden Vergangenheit liefern nur einige wenige
hitzebeständige Zirkone, wie die Rechnungen der Forscher zeigen. An einigen
Stellen, an denen die Lava nicht bis zur Oberfläche drang, dürften sie so kühl
geblieben sein, dass ihre innere Uhr nicht beeinträchtigt wurde. "In ihrer
Vielfalt verraten uns die Gesteinsproben vom Mond seine gesamte, bewegte
Geschichte. Sie berichten von seiner Entstehung und seinem späteren heftigen
Vulkanismus. Wir haben bisher diese Hinweise nur nicht richtig gelesen", so
Kleine. Der Mond selbst dürfte demnach zwischen 4,43 und 4,51 Milliarden Jahre
alt sein. Der heftige Vulkanismus prägte ihn vor etwa 4,35 Milliarden Jahren.
Die neuen Erkenntnisse lösen auch viele weitere Widersprüche, die Forschende
bisher umgetrieben hatten. So sprachen gegen ein hohes Alter des Mondes seine
vergleichsweise wenigen Krater. In so langer Zeit hätte unser Nachbar eigentlich
mehr Einschläge kosmischer Brocken "einsammeln" müssen. Der spätere Vulkanismus
bietet nun eine Erklärung. "Lava aus dem Innern des Mondes könnte die frühen
Einschlagsbecken aufgefüllt und so unkenntlich gemacht haben", so Prof. Dr.
Alessandro Morbidelli vom Collège de France. Vor ein weiteres Rätsel
stellte Forschende die Zusammensetzung des Mondmantels. Das ist die
Gesteinsschicht, die sich direkt unterhalb der Mondkruste anschließt. Ihre
Zutatenliste weicht von der der Erde in entscheidenden Punkten ab. War das
Innere des Mondes jedoch ein zweites Mal aufgeschmolzen, könnten einige Stoffe
vom Mantel in den darunterliegenden Eisenkern entschwunden sein. "Durch die
neuen Ergebnisse fügen sich alle Puzzleteile, die zuvor nicht zusammenpassen
wollten, zu einem stimmigen Gesamtbild der Mondentstehung zusammen", so Kleine.
Die Ergebnisse der Studie wurden in der Zeitschrift Nature
veröffentlicht.
|
|
|