Neue Datierung der Mondentstehung
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bayreuth astronews.com
17. April 2014
Wissenschaftlern ist es gelungen, die Entstehung des Mondes
durch den Zusammenprall mit einem etwa marsgroßen Objekt mithilfe eines neuen
Verfahrens zu datieren, das unabhängig vom radioaktiven Zerfall ist. Der
Erdtrabant ist danach frühestens 63 Millionen Jahre und spätestens 127 Millionen
Jahre nach den Planeten entstanden.
Der Mond entstand vermutlich durch den
Zusammenstoß eines marsgroßen Objekts mit der
jungen Erde.
Bild: NASA/JPL-Caltech |
Wie alt ist der Mond? Berechnungen, die auf radiometrischen Methoden beruhen,
haben bisher zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt, die von 30 bis 100
Millionen Jahre nach der Entstehung der Planeten des Sonnensystems reichen. Ein
internationales Forscherteam um Prof. Dr. David Rubie am Bayerischen Geoinstitut
(BGI), einem Forschungszentrum der Universität Bayreuth, hat jetzt ein völlig
neues Verfahren entwickelt und angewendet, um die Entstehungszeit des Mondes zu
bestimmen – unabhängig vom radioaktiven Zerfall von Atomkernen im Mondgestein.
Das Ergebnis der Studie lautet: Der Mond ist frühestens 63 Millionen Jahre
und spätestens 127 Millionen Jahre nach unserem Sonnensystem entstanden;
genauer: nachdem sich aus der gasförmigen "Urwolke" die ersten Planeten
herausgebildet haben. Dieser Prozess ereignete sich, darin ist sich die
Planetenforschung heute einig, vor rund 4,6 Milliarden Jahren. Die zu Beginn des
Monats im Wissenschaftsmagazin Nature vorgestellte Altersbestimmung des
Mondes bestätigt somit einige, aber nicht alle bisherigen Datierungen. Sie
widerlegt insbesondere diejenigen Berechnungen, welche die Entstehung des Mondes
deutlich früher - nämlich rund 30 Millionen Jahre nach dem Ursprung des
Sonnensystems - ansetzen wollten.
Die Forschungsarbeiten, die schließlich zur neuen Altersbestimmung des Mondes
geführt haben, zielten zunächst darauf ab, genauere Erkenntnisse über die
Entstehung von Merkur, Venus, Erde und Mars zu gewinnen. Diese Planeten werden
als "terrestrische Planeten" oder auch als "innere Planeten" des Sonnensystems
bezeichnet. Sie haben sich dadurch herausgebildet, dass viele Tausende von
planetarischen Kleinkörpern um die Sonne rotierten und dabei allmählich zu
größeren Massen zusammengewachsen sind.
Diese Akkumulation, die für die Entwicklungsgeschichte der terrestrischen
Planeten bestimmend gewesen ist, haben die Wissenschaftler in über 250
Computersimulationen nachgeahmt. Außer Rubie waren daran auch Astrophysiker und
Planetologen aus Frankreich und den USA an diesen Untersuchungen beteiligt;
insbesondere Dr. Seth A. Jacobson, der sowohl am BGI als auch am
Observatoire de la Côte d’Azur in Nizza tätig ist, sowie Prof. Dr.
Alessandro Morbidelli in Nizza.
Wie war es auf der Grundlage der Simulationen möglich, das Alter des Mondes
neu zu bestimmen? Die Wissenschaftler konnten dabei an eine Hypothese anknüpfen,
die in der Fachwelt als gut begründet gilt und sich weitgehend durchgesetzt hat:
Im Verlauf der Entstehungsgeschichte der terrestrischen Planeten ist ein
planetarer Körper – ungefähr von der Größe des Mars – auf den Vorläufer der Erde
geprallt, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits als Planet mit festem
Gesteinsmantel herausgebildet hatte. Infolge dieses Aufpralls wurden riesige
Wolken von Staub und Gesteinsbrocken in die Erdumlaufbahn geschleudert.
Hier akkumulierten sie zu einer immer größeren Masse: dem Mond. Gleichzeitig
aber löste der aufgeprallte planetare Körper auf der Erde erhebliche
Schmelzprozesse aus. Dabei wurde Eisen, das im Mantel der Erde eingelagert war,
geschmolzen und sank aufgrund seiner hohen Dichte zur Mitte der Erde, wo es den
Erdkern bildete.
Nicht nur Eisen, sondern auch diejenigen chemischen Elemente, die als "siderophil"
(eisenliebend) bezeichnet werden, weil sie vorzugsweise zusammen mit Eisen
auftreten, wurden aus dem Mantel gelöst. Sie wanderten ebenfalls in den Erdkern.
Es handelt sich dabei unter anderem um Gold, Iridium, Ruthenium, Rhenium, Osmium
und Platin. Dies bedeutet: Während sich in der Erdumlaufbahn der Mond bildete,
waren im Erdmantel keine oder fast keine siderophilen Elemente mehr vorhanden.
Nun enthält aber der heutige Erdmantel erhebliche Anteile von siderophilen
Elementen. Über deren Herkunft ist man sich in der Planetenforschung und in der
Astrophysik einig. Nach dem "Giant impact", dem Aufprall des planetaren Körpers,
sind fortlaufend größere und kleinere Gesteinsmengen aus dem Sonnensystem auf
der Erde niedergegangen. Im Laufe von Jahrmillionen haben sie die Masse der Erde
stetig vergrößert, und sie haben dabei auch den Erdmantel wieder mit
siderophilen Elementen "aufgefüllt".
Die geochemische Forschung kann diese Anteile siderophiler Elemente im
Erdmantel mit hoher Genauigkeit bestimmen. Aufgrund von empirischen Daten und
theoretischen Berechnungen hat sich herausgestellt: Die Zunahme der Erdmasse
nach dem "Giant impact" ist proportional zum Anstieg der siderophilen Elemente
im Erdmantel verlaufen. Deshalb lässt sich aus den heutigen Konzentrationen
dieser Elemente im Erdmantel zuverlässig ableiten, wie viel die Erde in den
Millionen von Jahren nach dem großen Aufprall zugenommen hat; oder anders
gesagt: wie groß die Gesamtmasse der Gesteinsmengen ist, die danach auf die Erde
eingestürzt sind. Neuesten geochemischen Berechnungen zufolge sind weniger als
ein Prozent der heutigen Erdmasse auf diesen Zuwachs zurückzuführen.
Genau an diesem Punkt setzt das Team um Rubie an. Die Planetologen und
Astrophysiker haben die Forschungsarbeiten, in denen sie die Herausbildung der
terrestrischen Planeten im Sonnensystems simuliert haben, im Hinblick auf die
Frage ausgewertet: Wann hat es ein Zeitfenster gegeben, in dem sich die Erdmasse
in dieser Weise vergrößern konnte? Einen solchen Zeitraum haben die
Wissenschaftler tatsächlich entdeckt. Und weil der "Giant impact" sich
unmittelbar vor diesem Zeitraum ereignet haben muss, lässt sich auch die
Entstehung des Mondes entsprechend datieren: nicht eher als 63 Millionen Jahre
nach dem Ursprung des Sonnensystems, aber auch nicht mehr als 127 Millionen
Jahre später.
"Unsere Simulationen haben uns in Verbindung mit der geochemischen Forschung
eine geologische Uhr in die Hand gegeben, mit der wir planetengeschichtliche
Prozesse wie die Entstehung des Mondes völlig unabhängig von radiometrischen
Verfahren datieren können", erklärt Rubie. "Wir sind also nicht mehr länger
abhängig von der Messung und Interpretation des radioaktiven Zerfalls in Atomen
- und kommen zugleich zu genaueren Ergebnissen."
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