32 Jahre nach der ersten Landung von Menschen auf dem Mond
birgt der Erdtrabant immer noch so manches Geheimnis. Beleg dafür ist die
dreitägige Konferenz in Berlin, auf der rund 70 Wissenschaftler über die
neusten Forschungsergebnisse über den Mond diskutieren und neue Missionen
beraten.
Birgt noch manches Geheimnis: der Erdmond. Foto:
NSSDC/NASA |
Die erste bemannte Landung auf dem Mond liegt
mehr als 32 Jahre zurück, und dennoch ist der Mond für irdische
Wissenschaftler in vielerlei Hinsicht immer noch ein Rätsel.
Wichtige Fragen sind nämlich nach wie vor unbeantwortet: Ist der
Mond wirklich nur ein Teilstück unseres Heimatplaneten, der bei
einer Kollision mit einem anderen Himmelskörper herausgerissen
wurde? Hat sich neben Kruste und Mantel auch ein Kern
gebildet, wie in der Erde? Warum sind die Unterschiede in einigen
Elementhäufigkeiten - wie beispielsweise dem Eisen - so deutlich?
Wann setzte der Vulkanismus ein, wann endete er? Welche
Bewandtnis hat es mit einer auffälligen, ringförmigen
Konzentration radioaktiver Elemente auf der Mondvorderseite?
Welche ist die wahre Ursache für die auf der Mondrückseite fast
doppelt so mächtige Geisteinskruste? Wie sicher ist das
Vorhandensein von Eis in den tiefen Kratern an Nord- und
Südpol?
Diese und andere Fragen stehen im Mittelpunkt der
internationalen Tagung "New Views of the Moon, Europe", die
vom 14. bis 16. Januar im Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof stattfindet. Dort werden
etwa 70 Wissenschaftler über jüngere Forschungsergebnisse des
vergangenen Jahrzehnts diskutieren und erörtern, welche
Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind. Viele Erkenntnisse der
Mondwissenschaft sind schließlich auch für die Deutung von
Prozessen in der Frühgeschichte unseres Heimatplaneten Erde
bedeutend. Ferner geht es bei dieser Konferenz auch um die
Ausrichtung von zukünftigen Forschungsaktivitäten.
Für die Wissenschaft ist der Erdtrabant nach wie vor Gegenstand
intensiver Forschungstätigkeiten, denn auch 30 Jahre nach den
sechs bemannten Apollo-Mondlandungen dauert die
wissenschaftliche Auswertung von knapp 400 Kilogramm zur
Erde gebrachtem Mondgestein noch an. Es liefert wertvolle
Informationen über die thermische Frühgeschichte des Mondes,
seine geochemische und mineralogische Entwicklung und der chronologischen
Abfolge verschiedener geologischer Prozesse. Einhergehend mit Altersbestimmungen
der Mondoberfläche auf der Basis von statistischen Erhebungen der
Einschlagskrater- Häufigkeiten konnten beispielsweise DLR-Wissenschaftler
Auftreten und Häufigkeit von Vulkanausbrüchen in den ersten drei Milliarden
Jahren der Mondgeschichte eingrenzen.
Durch moderne Technologien auf unbemannten Raumsonden
wurden im letzten Jahrzehnt der Wissenschaft neue, wichtige
Daten und Fakten geliefert. Sicherlich die spektakulärste jüngere
Entdeckung war der Nachweis von Wassereis-Vorkommen in den
von immerwährendem Schatten verdunkelten Abhängen einiger
Krater an Nord- und Südpol, der anhand von Daten eines Neutronenspektrometers an
Bord der US-Raumsonde Lunar
Prospector im Jahr 1998 geführt werden konnte. Wahrscheinlich
rührt dieses Wasser von Kometen her, die im Laufe der Milliarden
Jahre auf die exponierte Mondoberfläche einstürzten; das
geschätzte Volumen könnte sich auf mehrere Milliarden
Kubikmeter belaufen, genug also, um zukünftigen permanenten
Besiedlungen als begrenzte Ressource zur Verfügung zu stehen.
Die NASA-Raumsonde Galileo lieferte auf ihrem Weg zum
Jupiter während ihrer beiden nahen Vorbeiflüge am Mond 1990
und 1992 die ersten so genannten Multispektraldaten in
Wellenlängen des sichtbaren und nahen Infrarotlichts von der
erdabgewandten Seite des Trabanten, womit Aussagen zur
mineralogischen Beschaffenheit der Mondoberfläche getroffen
werden konnten. Damit konnte die Theorie untermauert werden,
dass sich nach weniger als hundert Millionen Jahren eine erste
solide Mondkruste auf einem global geschmolzenen, glühenden
Ozean, einer ""Ursuppe" aus kalziumreichen Feldspatmineralien
bildete.
Galileo und insbesondere die US-Raumsonde Clementine lieferten auch die ersten zusammenhängenden,
multispektralen Bilddatensätze des zweitgrößten
Einschlagbeckens unseres Sonnensystems, des South-Pole
Aitken-Beckens in der südlichen, der Erde abgewandten
Mondhemisphäre. Dieses vier Milliarden Jahre alte Überbleibsel
einer gewaltigen kosmischen Katastrophe weist einen
Durchmesser von über zweieinhalbtausend Kilometern auf. Dieser
Impakt durchschlug die mehrere Kilometer mächtige Mondkruste,
löste aber zur Überraschung der Wissenschaftler kaum
Vulkanismus aus - die Gründe hierfür sind weitgehend ungeklärt.
Bei der Berliner Mond-Tagung werden Wissenschaftler die
Bedeutung dieser und zahlreicher weiterer Erkenntnisse intensiv
diskutieren. Im Vordergrund steht dabei die Frage, was die
jüngeren Ergebnisse für die gegenwärtig gültigen Modelle zur
Entstehung des Mondes, seiner Frühgeschichte oder seiner
thermischen Entwicklung bedeuten. Auch wird die Wichtigkeit
einzelner Ergebnissen für die frühgeschichtliche Entwicklung
unserer Erde erörtert werden.
Schließlich werden zahlreiche Wissenschaftler ihre geplanten
Experimente für Mondmissionen vorstellen. Hierbei sind
insbesondere zu nennen die für 2003 geplante Mission SMART-
1 der europäischen Weltraumbehörde ESA sowie die beiden japanischen
Missionen Lunar-A und SELENE (2002 bzw.
2003). Auch wenn der Mond zur Zeit nur von wissenschaftlichem
Interesse ist, so ist dennoch vorstellbar, dass er einst das Ziel von
kommerziellem Abbau seltener Bodenschätze wie beispielsweise
dem Leichtwerkstoff Titan, oder aber eines Heliumisotops zur
"sauberen" Energiegewinnung mittels Kernfusion sein wird oder
gar der Ort permanenter menschlicher Besiedlungen sein könnte.
Denn schließlich ist der ständig um uns kreisende Begleiter "nur"
knapp vierhunderttausend Kilometer entfernt – verglichen mit
allen anderen Himmelskörpern geradezu ein kosmischer
Katzensprung.