Ein Kind von
Gaia und Theia
Redaktion
astronews.com
9. Juli 2003
Die Entstehungsgeschichte des Mondes beschäftigt
Forscher schon seit langem: Jetzt haben
Geowissenschaftler vom Mineralogischen Institut der Universität Münster
und vom Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie aus Untersuchungen an Erd-
und Mondgestein sowie Meteoriten die Herkunft des Erdtrabanten bestimmt:
Demnach ist der Mond vor 4,53 Milliarden Jahren durch die Kollision
zwischen der Erde und einem Kleinplaneten entstanden und besteht zumindest
zur Hälfte aus Erdmaterial.
Besteht mindestens zur Hälfte aus Erdmaterial: der Erdmond. Foto:
NSSDC/NASA |
Der nächtliche Sternenhimmel hat die Menschheit schon seit Jahrtausenden
fasziniert und dazu bewegt, sich Gedanken über die Herkunft des scheinbar
größten Himmelsgestirns, des Mondes (in der griechischen Mythologie Selene
genannt), zu machen. Schon früh erkannten die Menschen, dass der Mond um die
Erde (in der griechischen Mythologie Gaia genannt) kreist und bekannte
Naturphänomene wie Ebbe und Flut sowie gelegentlich eine Sonnenfinsternis
erzeugt. Lange ging man davon aus, dass sich die Erde mit ihrer großen
Anziehungskraft den Mond "eingefangen" hat und dieser sich deswegen heute auf
einer Umlaufbahn um die Erde bewegt.
Seit den ersten Mondlandungen verfügen die Wissenschaftler über
Gesteinsproben vom Mond. Untersuchungen dieser Proben belegen, dass der Mond in
seiner chemischen Zusammensetzung der Erde zwar sehr ähnlich ist, sich im Detail
aber von ihr auch etwas unterscheidet. So hat der Mond beispielsweise einen viel
geringeren Gehalt an Eisen als die Erde. Aus diesem Grund vermuten
Planetenforscher heute, dass der Erdtrabant durch einen Zusammenprall der Erde
mit einem Kleinplaneten entstand. Dieser hypothetische marsgroße Planet wird
Theia genannt. Theia ist in der griechischen Mythologie die Mutter der
Mondgöttin Selene. Seit mehr als 20 Jahren rätseln die Wissenschaftler darüber,
wann diese katastrophale Mondgeburt stattfand und wie viel Mondmaterial jeweils
von den beiden Elternplaneten, Theia und Gaia, stammt.
Geowissenschaftler vom Mineralogischen Institut der Universität Münster und
vom Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie konnten diese Frage jetzt durch
genaue Messungen des Gehalts der seltenen chemischen Elemente Niob (Nb) und
Tantal (Ta) in Gesteinen von der Erde, vom Mond und in Meteoriten klären. Diese
beiden Elemente verhalten sich fast wie "eineiige Zwillinge": Sie reagieren
chemisch fast gleich und werden nicht von einander getrennt. Deshalb kommen Nb
und Ta überall im Sonnensystem im gleichen Verhältnis vor.
Der Münsteraner Carsten Münker und seine Kollegen konnten nun zeigen, dass in
der siliziumreichen Hülle der Erde etwa 30 Prozent Niob - im Vergleich zum
Tantal - fehlt und dass sich das "fehlende" Niob im metallischen Erdkern
befindet. Die Untersuchungen von Meteoriten aus dem Asteroidengürtel und vom
Mars belegen wiederum, dass in diesen Himmelskörpern kein Niob in der
Silikathülle fehlt. Der Grund für diesen Unterschied zwischen der Erde und den
anderen Himmelskörpern liegt daran, dass sich Niob nur bei extrem hohen Drücken
im Metallkern löst. Nur die Erde hatte die dafür nötige Größe, so dass bei der
Bildung des Eisenkerns ein derart hoher Druck entstehen konnte, der ausreichend
war, um einen Teil des Niobs im Kern aufzunehmen. Interessanterweise fanden die
Forscher nun heraus, dass auch im Mond etwas Niob fehlt, und das, obwohl er viel
kleiner als die Erde oder der Mars ist. Über die Menge an Niob, die im Mond
fehlt, kommen die Forscher zu dem Ergebnis, dass mindestens die Hälfte des
Mondes von der an Niob verarmten Silikathülle der Erde stammen muss.
Aus diesen wichtigen Beobachtungen ergibt sich folgendes Szenario für die
Entstehung von Erde, Mond und dem gesamten Sonnensystem: Vor etwa 4,56
Milliarden Jahren begann das Sonnensystem sich aus einem solaren Nebel zu
formen. Innerhalb weniger Millionen Jahre sammelte sich das meiste Material
(etwa 99 Prozent) in seinem Zentrum und bildete die Sonne. Aus dem verbleibenden
einem Prozent formten sich die Planeten. Nach etwa 30 Millionen Jahren hatte die
Erde schon fast ihre heutige Größe erreicht und verfügte bereits über einen
eisenreichen Metallkern und einen siliziumreichen Mantel. Das Ende der Bildung
dieses metallischen Kernes wurde ebenfalls kürzlich am Institut für Mineralogie
in Münster datiert. Ungefähr zeitgleich kollidierte ein etwa marsgroßer
Himmelskörper (Theia) mit der Erde. Durch die Gewalt des Zusammenstoßes wurde
dieser Kleinplanet zerstört, doch auch von der Erde wurden Teile der
siliziumreiche Hülle weggesprengt. Dieses Trümmermaterial durchmischte sich im
Orbit um die Erde. Es enthielt weniger Eisen als die Erde, da ihr eisenreicher
Metallkern von der Zerstörung weitgehend verschont blieb. Aus diesem Schutt
eines Kleinplaneten und Teilen der Erdhülle ballte sich dann der Mond zusammen.
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