Edelgase aus dem Erdmantel im Mondbasalt
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der ETH Zürich astronews.com
17. August 2022
Für die Entstehung des Mondes wird eine gewaltige Kollision
der noch jungen Erde mit einem anderen planetengroßen Objekt verantwortlich
gemacht. Eine neue Studie liefert nun neue Indizien für diese Theorie: In einem
Meteoriten vom Mond wurde Neon und Helium nachgewiesen. Es handelt sich um den
ersten eindeutigen Beweis, dass der Mond Edelgase aus dem Erdmantel geerbt hat.
Dünnschliff einer Meteoriten-Probe, LAP
02436, Lunar Mare Basalt mit Glas, das die
solaren Edelgase enthält.
Bild: ETH Zürich / Patrizia Will [Großansicht] |
Der Mond fasziniert Menschen seit jeher. Doch erst zur Zeit von Galileo
Galilei begannen Wissenschaftler, ihn richtig zu untersuchen. Im Laufe von
Jahrhunderten stellten Forschende verschiedene Theorien über die Entstehung des
Mondes auf. Nun fügen Züricher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der
Geologie und Petrologie der Entstehungsgeschichte des Mondes ein weiteres
Puzzleteil hinzu.
In einer neuen Studie zeigt das Team, dass der Mond die Edelgase Helium und
Neon aus dem Erdmantel geerbt hat. Die neuen Erkenntnisse beeinflussen die
derzeit favorisierte "Giant Impact"-Theorie, mit der Wissenschaftler die
Mondentstehung erklären. Diese Theorie geht davon aus, dass der Mond durch eine
massive Kollision zwischen der frühen Erde und einem anderen Himmelskörper
entstanden ist. "Unsere Entdeckung bedeutet, dass in der Giant-Impact-Theorie
auch die Edelgase als Faktor einzubeziehen sind", sagt Henner Busemann,
Professor am Institut für Geochemie und Petrologie der ETH Zürich.
Für die Studie hat Busemanns Doktorandin Patrizia Will sechs Proben von
Mondmeteoriten analysiert. Die Meteoriten wurden von der NASA in der Antarktis
gesammelt und der Forscherin für ihre Untersuchungen zur Verfügung gestellt.
Will bestimmte in diesen Meteoritenproben unter anderem den Gehalt der Edelgase
Neon und Helium. Diese waren in einer viel größeren Menge vorhanden als erwartet
und nur im separierten Glas, was den Sonnenwind als Quelle für die Edelgase
ausschloss. Sie mussten also aus dem Innern des Mondes kommen und damit letzten
Endes von der Erde vererbt sein. "Dass wir zum ersten Mal Edelgase in
basaltischen Materialien vom Mond gefunden haben, die nicht aus dem Sonnenwind
stammen können, ist eine aufregende Entdeckung", freut sich Will.
Aufgrund ihrer neuen Erkenntnisse stellen sich die Forschenden den Vorgang so
vor: Der junge Mond war vulkanisch aktiv. Magma quoll empor, und erstarrte rasch
an der Oberfläche. Durch die rasche Abkühlung bildeten sich Glaspartikel, in
welchen die mitgeführten Edelgase Neon und Helium konserviert wurden. Rasch
deckten weitere Lavaströme diese Magmaschicht zu und schirmten sie vor
kosmischer Strahlung ab, insbesondere vor Sonnenwinden. Dies verhinderte, dass
sich chemische Elemente, die im Sonnenwind enthalten sind, in den Glaspartikeln
einlagern und deren chemischen Fingerabdruck, die sogenannte Isotopensignatur,
verändern konnten.
Aber wie gelangte das magmatische Mondmaterial mit den Edelgasen auf die
Erde? Da der Mond nicht durch eine Atmosphäre geschützt ist, schlagen ständig
Asteroiden auf seiner Oberfläche ein. Ein solcher Einschlag war wahrscheinlich
stark genug, um Bruchstücke aus den abgeschirmten Lavaschichten des Mondes
herauszuschleudern. Diese Gesteinsfragmente gelangten als Meteoriten zur Erde.
Viele werden in den Wüsten Nordwestafrikas oder, wie in diesem Fall, in der
Antarktis gefunden.
Ihre Untersuchungen haben die Forschenden im Edelgaslabor der ETH Zürich
durchgeführt. Dort steht ein hochmodernes Edelgas-Massenspektrometer. Mit dem
Instrument konnte das Forscherteam Glaspartikel von weniger als einem Millimeter
Größe aus den Meteoriten messen. Es ist so empfindlich, dass es als weltweit
einziges Instrument in der Lage ist, so geringe Konzentrationen von Helium und
Neon nachzuweisen. Es wurde auch dafür eingesetzt, um diese Edelgase in Körnern
des Murchison-Meteoriten nachzuweisen. Die Körner sind rund sieben Milliarden
Jahre alt.
Zu wissen, wo man in der NASA-Sammlung von rund 70’000 Meteoriten suchen
muss, ist bei einem solchen Projekt entscheidend. "Ich bin fest davon überzeugt,
dass es einen Wettlauf um die Untersuchung schwerer Edelgase und Isotope in
diesem Meteoritenmaterial geben wird", sagt Busemann, einer der weltweit
führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der extraterrestrischen
Edelgasgeochemie. Er rechnet damit, dass Forschende bald auch in den
Mondmeteoriten nach Edelgasen wie Xenon und Krypton sowie nach weiteren
flüchtigen Elementen wie Wasserstoff oder Halogenen suchen werden.
"Obwohl Edelgase für das Leben nicht notwendig sind, wäre es interessant zu
wissen, wie sie die brutale und gewaltsame Entstehung des Mondes überlebt haben.
Dieses Wissen könnte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der Geochemie
und Geophysik helfen, neue Modelle zu entwickeln, die allgemeiner zeigen, wie
solche höchst flüchtigen Elemente die Entstehung von Planeten in unserem
Sonnensystem und darüber hinaus überleben können", so Busemann.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift
Science Advances erschienen ist.
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