Einzelfontänen nur eine optische Täuschung?
von Stefan Deiters astronews.com
7. Mai 2015
Zu den faszinierendsten Entdeckungen der Saturnsonde Cassini
dürften die Fontänen des Mondes Enceladus zählen. In einer neuen Studie äußern
Forscher jetzt jedoch die Vermutung, dass es sich
dabei nicht etwa um einzelne Fontänen, sondern eher um einen Vorhang aus
zusammenhängenden
Eruptionen handelt. Nur durch eine optische Täuschung würden diese manchmal wie einzelne Fontänen erscheinen.
Simulation der Eruptionen auf Enceladus:
Statt einzelner Fontänen könnten die Eruptionen
einen regelrechten Vorhang entlang der Frakturen
bilden. Die meisten auf Bildern erkennbaren
Einzelfontänen wären danach eine optische
Täuschung.
Bild: NASA / JPL-Caltech / SSI / PSI
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Bevor die Sonde Cassini den Ringplaneten Saturn erreichte, galten dessen
Eismonde als vergleichsweise langweilige Objekte. Das änderte sich allerdings,
als man auf Cassini-Bildern von Enceladus Fontänen entdeckte, die aus der
Südpolarregion des Mondes ins All schießen. Sie stammen alle aus einem Bereich
mit langen tiefen Furchen im Eis, die die Wissenschaftler inzwischen
"Tigerstreifen" getauft haben. Unter der eisigen Oberfläche des Saturnmonds
vermuten die Astronomen zudem einen Ozean aus flüssigem Wasser.
Eine neue Analyse der Daten von Cassini wirft nun ein anderes Licht auf die
Fontänen von Enceladus. Joseph Spitale vom Planetary Science Institute in Tucson
im US-Bundesstaat Arizona und seine Mitarbeiter glauben, dass es sich bei den
meisten auf Enceladus beobachteten Eruptionen nicht um einzelne Fontänen,
sondern eher um einen regelrechten Vorhang aus eruptiven Ereignissen handelt.
Die auf den Bildern erkennbaren Einzelfontänen wären danach nur eine optische
Täuschung.
"Wir glauben, dass es sich beim größten Teil der sichtbaren Aktivität um
eruptive Vorhänge handelt, die von den Frakturen in der Tigerstreifen-Region
ausgehen und nicht um einzelne Geysire, die entlang der Frakturen ins All
schießen", erklärt Spitale. "Bei einigen deutlich erkennbaren Fontänen könnte es
sich tatsächlich um solche handeln, in den meisten Fällen aber lässt sich die
auf den Bildern erkennbare Aktivität ohne solche einzelnen Fontänen erklären."
Für ihre Untersuchung achteten Spitale und sein Team besonders auf das
schwache Hintergrundleuchten, das auf den meisten Bildern zu erkennen ist. Die
hellsten Eruptionen, die wie Einzelfontänen aussehen, erinnerten sie mehr an
kurzzeitig vor diesen Hintergrund überblendete Strukturen.
Die Wissenschaftler
modellierten dann Eruptionen, die kontinuierlich aus den Tigerstreifen ins All
strömen und so eine Art Vorhang bilden. Ein besonders hell erscheinender
Bereich, der wie eine einzelne Fontäne erscheint, ist dabei immer dort zu
sehen, wo der Betrachter auf eine "Falte" im Vorhang blickt. Diese Falten
entstehen, weil die Frakturen auf der Oberfläche des Mondes nicht gerade,
sondern geschlängelt sind.
"Der Blickwinkel spielt eine entscheidende Rolle dabei, wo man eine solche
Phantom-Fontäne sieht", erklärt Spitale. "Würde man die Perspektive ändern und
sich um den Südpol von Enceladus bewegen, könnte man sie auftauchen und wieder
verschwinden sehen." Die Phantom-Fontänen, die in den Simulationen des Teams zu
erkennen sind, stimmen dabei gut mit den Fontänen überein, die man auf den
Bildern von Cassini sieht. Die Daten, so die Forscher, würden darauf hindeuten,
dass es auf Enceladus weitaus weniger einzelne Fontänen gibt, als man bislang
angenommen hat. Die meisten dieser Fontänen seien eine optische Täuschung.
"Unser Wissen über Enceladus entwickelt sich beständig weiter und wir
erwarten dabei auch immer Überraschungen", so Linda Spilker,
Cassini-Projektwissenschaftlerin am Jet Propulsion Laboratory der NASA, die an
der Studie nicht beteiligt war. "Diese kleine Eiswelt wird immer faszinierender,
insbesondere, wenn wir versuchen, mehr über den Ozean im Untergrund und die
geophysikalische Aktivität zu erfahren."
Über ihre Studie berichten die Wissenschaftler in der heute erscheinenden
Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature.
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