Einzelne Antiprotonen eiskalt eingefangen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Düsseldorf astronews.com
14. August 2024
Warum gibt es Materie im Universum und praktisch keine Antimaterie? Der
Forschungskollaboration BASE am CERN in Genf ist
auf dem Weg zur Beantwortung dieser Frage ein experimenteller Durchbruch gelungen. Er kann dazu
beitragen, die Masse und das magnetische Moment von Antiprotonen so präzise wie
noch nie zu vermessen – und so mögliche Materie-Antimaterie-Asymmetrien zu
erkennen.
Die "Maxwell-Daemon-Kühldoppelfalle",
die im Rahmen der BASE-Kollaboration entwickelt
wurde. Mit ihr können Antiprotonen sehr schnell
auf Temperaturen abgekühlt werden, die für
Hochpräzisionsmessungen notwendig sind. Bild:
BASE-Kollaboration / Stefan Ulmer [Großansicht] |
Nach dem Urknall vor über 13
Milliarden Jahren war das Universum voll hochenergetischer Strahlung. Aus ihr
entstanden ständig Paare von Materie- und Antimaterieteilchen – beispielsweise
Protonen und Antiprotonen. Trifft ein solches Paar wieder zusammen, zerstrahlen
die Teile erneut zu reiner Energie. In der Summe sollten also exakt gleiche
Mengen Materie und Antimaterie entstehen und wieder zerstrahlen - und das Universum weitgehend materielos sein. Offensichtlich gibt es aber ein
Ungleichgewicht – eine Asymmetrie –, denn es gibt materielle Objekte. Es ist
eine winzige Menge mehr Materie als Antimaterie entstanden, im Widerspruch zum
Standardmodell der Teilchenphysik.
Die Physik versucht deshalb seit Jahrzehnten das Standardmodell zu erweitern.
Dafür benötigt man auch präziseste Messung
fundamentaler physikalischer Größen. Hier setzt die BASE-Kollaboration ("Baryon
Antibaryon Symmetry Experiment") an, an der die Universitäten in Düsseldorf,
Hannover, Heidelberg, Mainz, Tokio und der ETH Zürich beteiligt sind sowie die
Forschungslabore CERN in Genf, GSI in Darmstadt, das MPI für Kernphysik in
Heidelberg, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig und RIKEN
in Wako / Japan.
"Die zentrale Frage, der wir nachgehen wollen: Sind Materie-
und ihre zugehörigen Antimaterieteilchen exakt gleich schwer und haben sie die
exakt gleichen magnetischen Momente, oder gibt es winzige Abweichungen?",
erläutert Prof. Dr. Stefan Ulmer, Sprecher von BASE. Er ist Professor am
Institut für Experimentalphysik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und forscht zusätzlich am CERN und am
RIKEN. Die Physikerinnen und Physiker wollen mit extrem hoher Auflösung den sogenannten Spin-Flip
– Quantenübergänge des Protonenspins – bei einzelnen, ultrakalten und damit
extrem energiearmen Antiprotonen messen; also das Umklappen des
Eigendrehimpulses. "Aus den gemessenen Übergangsfrequenzen können wir unter
anderem das magnetische Moment der Antiprotonen – also sozusagen deren winzige
innere Stabmagnete – vermessen", erläutert Ulmer, und: "Wir wollen so mit bisher
unerreichter Genauigkeit schauen, ob diese Stabmagnete in Protonen und
Antiprotonen dieselbe Stärke aufweisen."
Einzelne Antiprotonen für die Messungen
so zu präparieren, dass entsprechende Messgenauigkeiten erreicht werden, ist
eine äußert aufwändige experimentelle Aufgabe. Hierbei hat die
BASE-Kollaboration nun einen entscheidenden Fortschritt erzielt. "Wir benötigen Antiprotonen mit einer maximalen
Temperatur von 200 mK, also extrem kalte Teilchen", erläutert Dr. Barbara Maria
Latacz vom CERN. "Nur so sind verschiedene
Spin-Quantenzustände unterscheidbar. Mit bisherigen Techniken dauerte es 15
Stunden, um Antiprotonen, die wir aus dem Beschleunigerkomplex des CERN
beziehen, so weit abzukühlen. Mit unserer neuen Kühlmethode verkürzen wir diese
Zeit auf acht Minuten."
Erreicht haben die Forschenden dies, indem sie quasi
zwei sogenannte Penningfallen zu einem Gerät zusammenschlossen, zu einer
"Maxwell-Daemon-Kühldoppelfalle". Mit ihr ist es möglich, nur die kältesten
Antiprotonen gezielt zu präparieren und für die nachfolgende Spin-Flip-Messung
zu nutzen; wärmere Teilchen werden aussortiert. So entfällt die Zeit, um wärmere
Antiprotonen abzukühlen. Die erhebliche kürzere Kühlzeit ist notwendig, um die
nötige Messstatistik in wesentlich kürzerer Zeit zu erhalten, so dass die
Messunsicherheiten weiter gesenkt werden können. "Wir brauchen
mindestens 1000 einzelne Messzyklen. Mit unserer neuen Falle heißt dies, dass
wir rund einen Monat Messzeit benötigen – im Vergleich zu knapp zehn Jahren mit
der alten Technik, was experimentell nicht realisierbar wäre", so Latacz.
"Mit der
BASE-Falle konnten wir bereits messen, dass sich die magnetischen Momente von
Proton und Antiproton um maximal ein Milliardstel – wir sprechen von 10-9 –
unterscheiden. Wir konnten die Fehlerrate der Spin-Identifikation um mehr als
einen Faktor 1.000 verbessern. In der nächsten Messkampagne hoffen wir, die
Genauigkeit im magnetischen Moment auf 10-10 verbessern zu können."
Zu den weiteren Plänen meint Ulmer: "Wir wollen eine mobile Teilchenfalle bauen,
mit der wir am CERN in Genf erzeugte Antiprotonen in ein neues Labor an der HHU
transportieren können. Dieses ist so eingerichtet, dass wir hoffen dürfen, die
Messgenauigkeit um mindestens einen weiteren Faktor 10 zu verbessern."
Die Ergebnisse wurden in einem Fachartikel veröffentlicht, der in der
Zeitschrift Physical Review Letters erschienen ist.
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