Kein Unterschied zu Materie messbar
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik astronews.com
19. Januar 2017
Eigentlich hätten sich Materie und Antimaterie kurz nach
dem Urknall gegenseitig auslöschen müssen. Da wir aber existieren, ist klar, dass
damals irgendetwas passiert sein muss, wodurch wir heute in einem
Materie-Universum leben. Physiker versuchen herauszufinden, ob es Unterschiede
zwischen Materie und Antimaterie gibt. Aber auch die jüngsten Messungen liefern
darauf keinen Hinweis.
BASE-Experiment am Antiprotonen-Entschleuniger
am CERN in Genf.
Bild: Stefan Sellner, RIKEN/BASE [Großansicht] |
So offensichtlich es ist, dass Materie existiert, ebenso rätselhaft ist noch
immer ihre Herkunft. Wissenschaftler suchen daher nach dem kleinen Unterschied
zwischen einem Teilchen und seinem Antiteilchen, der die Existenz von Materie
erklären könnte. Die BASE-Kollaboration am Forschungszentrum CERN hat bei dieser
Suche neue Maßstäbe gesetzt, indem sie eine wichtige Eigenschaft des Antiprotons
mit höchster Genauigkeit vermessen konnte. Der g-Faktor, ein Maß für das
magnetische Moment, wurde dabei gegenüber früheren Messungen um den Faktor sechs
verbessert.
Die Idee, dass so etwas wie Antimaterie existieren müsste, kam Ende der
1920er Jahre auf. Nur wenige Jahre später wurden erstmals Positronen, die
Antiteilchen von Elektronen, entdeckt. Während Positronen auf der Erde
natürlicherweise vorkommen, müssen Antiprotonen, die Antiteilchen von Protonen,
allerdings künstlich erzeugt werden.
Der Speicherring "Antiproton Decelerator" des Genfer CERN produziert gekühlte
Antiprotonen in großer Menge für ganz unterschiedliche Antimaterie-Studien. Bei
den Experimenten der BASE-Gruppe, an der die Abteilung "Gespeicherte und
Gekühlte Ionen" des Max-Planck-Instituts für Kernphysik (MPIK) in Heidelberg
beteiligt ist, werden tiefgekühlte Antiprotonen einzeln in einer
elektromagnetischen Teilchenfalle untersucht.
Der Aufbau besteht aus drei sogenannten Penningfallen: Eine Vorratsfalle
bewahrt eine Wolke von Antiprotonen für den Versuch auf und liefert einzelne
Teilchen an eine Falle, die zur kontinuierlichen Messung des Magnetfelds dient,
und an die eigentliche Analysefalle. Die Analysefalle wiederum wird von einer
extrem großen "magnetischen Flasche" überlagert, einem Magnetfeld mit einer
Inhomogenität von 300 Kilotesla pro Quadratmeter.
Diese ultrastarke magnetische Flasche ist notwendig, um überhaupt die
Spin-Flip-Technik anwenden zu können, die der Nobelpreisträger Hans Georg
Dehmelt für die Vermessung des magnetischen Moments des Elektrons und des
Positrons entwickelt hat. "Die Herausforderung ist in unserem Fall aber
wesentlich größer, weil das magnetische Moment des Protons und des Antiprotons
im Vergleich dazu etwa 660 Mal kleiner ist", schreiben die BASE-Wissenschaftler.
Das Experiment zur Bestimmung der magnetischen Eigenschaften des Protons
hatte Prof. Dr. Klaus Blaum im Rahmen seiner Helmholtz-Hochschul-Nachwuchsgruppe
2005 in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Jochen Walz an der Universität Mainz ins
Leben gerufen. Mit einer Hochpräzisionsmessung des Protons aus dem Jahr 2014
nimmt die Arbeitsgruppe unangefochten die Spitzenstellung auf diesem
Forschungsfeld ein.
Die Vermessung des Antiprotons folgt diesem Beispiel. Der g-Faktor wurde
anhand von sechs Messungen mit einer Genauigkeit von 0,8 Millionstel bestimmt.
Der Wert von 2,7928465(23) ist sechs Mal genauer als der bisherige Rekordhalter
einer anderen CERN-Forschungsgruppe aus dem Jahr 2013. Noch im Jahr 2011 war das
magnetische Moment des Antiprotons nur auf drei Nachkommastellen genau bekannt.
Das neue Ergebnis stimmt innerhalb der erreichten experimentellen Unsicherheit
mit dem 2014 in Mainz gemessenen g-Faktor des Protons von 2,792847350(9)
überein.
"Das bedeutet, dass wir innerhalb der experimentellen Messunsicherheit keinen
Unterschied zwischen Protonen und Antiprotonen ausmachen können. Auf diesem
Niveau stimmt unsere Messung mit den Erwartungen des Standardmodels überein",
erklärt Stefan Ulmer, Sprecher der BASE-Kollaboration am CERN und früherer
Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Walz.
Proton und Antiproton erscheinen somit weiterhin spiegelsymmetrisch und
bieten vorerst noch keinen Ansatzpunkt für eine Erklärung, weshalb Materie
überhaupt existiert und sich nicht in den ersten Augenblicken des Urknalls
zerstrahlt hat. Die BASE-Kollaboration will in Zukunft aber noch einen Schritt
weiter gehen und die Präzision ihrer Messungen weiter erhöhen, indem sie mit
einer Doppelpenningfalle arbeitet. Diese schwierigere Technik kam für die
Mainzer Proton-Messungen 2014 zum Einsatz und bietet eine tausendfach höhere
Genauigkeit.
"Die Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie ist so offenkundig,
irgendetwas muss passiert sein, das im Rahmen der modernen Physik bisher nicht
verstanden ist. Unsere große Motivation ist es, Ansätze zu finden, die zur
Lösung dieses spannenden Rätsels beitragen", erklärt Ulmer zu den weiteren
Vorhaben. Außer dem Max-Planck-Institut für Kernphysik sind an den
Forschungsprojekten auch das japanische Forschungszentrum RIKEN, die Johannes
Gutenberg-Universität Mainz, die Leibniz Universität Hannover und das GSI
Helmholtz-Zentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt beteiligt.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in Nature
Communications erschienen
ist.
|