Materie-Antimaterie-Symmetrie erneut bestätigt
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik astronews.com
14. November 2016
Teilchen und Antiteilchen sollten sich nach dem
Standardmodell der Teilchenphysiker exakt gleich verhalten. Würde man eine
Abweichung dieser Symmetrie entdecken, könnte dies ein Hinweis zur Klärung der
Frage sein, warum es heute im Universum praktisch keine Antimaterie mehr gibt. Neue
Messungen haben die Symmetrie aber nun erneut bestätigt.
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Schema des experimentellen Aufbaus, mit dem
am CERN das Verhältnis von Antiproton- zu
Elektron-Masse bestimmt wird.
Bild: Masaki Hori / MPQ
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Nach dem Standardmodell der Elementarteilchenphysik existiert zu jedem Teilchen
ein Antiteilchen, das sich exakt gleich verhalten sollte. "Anti-Menschen" in
einer Anti-Welt würden somit die gleichen physikalischen Gesetze beobachten und
überhaupt die gleichen Erfahrungen machen wie wir. Diese Annahme ist jedoch nur
schwer zu überprüfen, da es fast unmöglich ist, Messungen an Antimaterie
vorzunehmen: wenn immer ein Antiteilchen auf sein materielles Gegenstück trifft,
vernichten sich die beiden Teilchen gegenseitig unter Freisetzung von Energie.
Ein Team von Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) in
Garching und der Universität Tokio hat jedoch zusammen mit Kollegen aus Italien
und Ungarn einen Weg gefunden, diese Hürde zu nehmen. In einem Experiment am
Europäischen Zentrum für Hochenergiephysik CERN in Genf fingen die
Wissenschaftler Antiprotonen in Heliumatomen ein. Da die Heliumatome aufgrund
neuer Kühltechniken fast zum Stillstand kommen, ließen sich an den so gefangenen
Antiprotonen hochgenaue spektroskopische Untersuchungen durchführen. "Wir
erreichen für das Verhältnis von Antiprotonen- zu Elektron-Masse eine
Genauigkeit von 800 zu einer Billion (1012)", sagt Dr. Masaki Hori,
Leiter der Forschungsgruppe Antimatter Spectroscopy, die mit der
Abteilung Laserspektroskopie von Prof. Theodor W. Hänsch am MPQ assoziiert ist.
1997 bauten Forscher des MPQ in Zusammenarbeit mit weiteren europäischen,
amerikanischen und japanischen Gruppen eine neue Anlage namens Antiprotonen
Decelerator (Antiprotonen Abbremser) am CERN. Hier werden die in
Teilchenkollisionen bei hohen Energien erzeugten Antiprotonen gesammelt,
zirkulieren in einer ringförmigen Vakuumkammer von 190 Metern Umfang und werden
dort schrittweise abgebremst, bevor sie den Experimenten zugeführt werden.
Im Rahmen des Projekts ASACUSA (für "Atomic Spectroscopy and Collisions using
Slow Antiprotons"), zu der Hori als einer der Projektleiter gehört, werden
Antiprotonen auf ein Helium-Target gelenkt. Gewöhnliches Helium besteht aus
einen Atomkern, der von zwei Hüllenelektronen umrundet wird. Wenn die
Antiprotonen auf das Heliumgas treffen, ersetzen ungefähr drei Prozent der
negativ geladenen Antiteilchen eines der Hüllenelektronen. Das Antiproton
befindet sich in einer hoch angeregten Umlaufbahn in einer Entfernung von etwa
100 Pikometern (10-10 Metern) von dem Heliumkern.
Um seine Masse zu bestimmen, führen die Wissenschaftler hochpräzise
spektroskopische Untersuchungen durch. Dazu bestrahlen sie die antiprotonischen
Heliumatome mit Laserlicht, dessen Frequenz genau so eingestellt ist, dass das
Antiproton von einer Energiebahn auf die nächste hüpft. Vergleicht man diese
Frequenz mit theoretischen Berechnungen, dann lässt sich daraus die Masse des
Antiprotons im Verhältnis zur Masse des Elektrons ableiten.
Die ständige thermische Bewegung der antiprotonischen Atome ruft jedoch
prinzipielle Ungenauigkeiten hervor: Atome, die sich dabei auf den Laser zu
bewegen, sehen aufgrund der Dopplerverschiebung eine andere Frequenz als Atome,
die sich davon weg bewegen. Der große Fortschritt, über den das ASACUSA-Team
jetzt berichtete, wurde durch ein neues Kühlverfahren erzielt, das die Atome auf
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt, zwischen 1,5 und 1,7 Kelvin, bringt.
"Wir benutzten dabei die Methode der 'Buffergas-Kühlung'", erklärt Hori. "Es ist
überraschend, dass dieses Verfahren überhaupt funktioniert. Denn normalerweise
würde man annehmen, dass die Atome des Buffergases, wenn sie mit den zur Hälfte
aus Antimaterie bestehenden Heliumatomen zusammenstoßen, annihilieren. Hier wird
die Annihilation aber dadurch verhindert, dass die Antiprotonen von dem
verbliebenen Hüllenelektron sicher abgeschirmt werden."
Die neuen Messungen, die auf zwischen 2010 und 2104 genommenen Daten von rund
zwei Milliarden Atomen beruhen, zeigten, dass das Antiproton 1836,1526734(15)
Mal so schwer ist wie das Elektron (die Zahl in der Klammer entspricht der
Ungenauigkeit einer Standardabweichung). Dieser Wert steht in exzellenter
Übereinstimmung mit einer kürzlich erfolgten Messung des Verhältnisses von
Proton- zu Elektron-Masse.
Die Physiker glauben, dass in der Natur eine fundamentale Symmetrie herrscht,
die sogenannte C(harge)P(arity)T(ime)-Invarianz (das steht für
Ladungskonjugation, Raumspiegelung und Zeitumkehr). Das sogenannte CPT-Theorem
postuliert, dass eine "Antiwelt", in der alle Materie im Universum durch
Antimaterie ersetzt, rechts und links vertauscht und überdies der Fluss der Zeit
umkehrt wird, von unserer realen Welt nicht zu unterscheiden ist.
Könnte experimentell ein noch so kleiner Unterschied zwischen Materie und
Antimaterie festgestellt werden, so würde das einen Bruch dieser fundamentalen
Symmetrie bedeuten. Und diese Beobachtung könnte vielleicht zu einer Erklärung
führen, warum das Universum, in dem wir leben, vollständig aus Materie besteht,
obwohl doch bei seiner Entstehung im Urknall Materie und Antimaterie in gleicher
Menge erzeugt wurden.
"Wir sind zuversichtlich, dass wir die Genauigkeit unserer Messungen noch
steigern können. Dafür wollen wir die Buffergas-Kühlung mit der
Zwei-Photon-Spektroskopie kombinieren, die schon für sich die durch den
Dopplereffekt hervorgerufenen Ungenauigkeiten reduziert", blickt Hori in die
Zukunft. Zu diesem Zweck wird am CERN schon das nächste Experiment mit Namen
ELENA geplant.
Über ihre Ergebnisse berichtete das Team in einem Fachartikel in der
Wissenschaftszeitschrift Science.
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