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ANTIMATERIE
Forscher werfen Blick in Gegenwelt
Redaktion
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30. Oktober 2002

Nach der allgemein anerkannten Theorie verdanken wir unsere Existenz im wesentlichen der Tatsache, dass im Urknall etwas mehr Materie als Antimaterie entstanden ist. Wie es allerdings zu diesem Überschuss kommen konnte, ist der Wissenschaft bis heute ein Rätsel. Forscher am europäischen Teilchenphysik-Zentrum CERN könnten jetzt der Lösung ein wenig näher gekommen sein: Ihnen gelang es, einen ersten Blick in das Innere von Antiwasserstoff-Atomen zu werfen.

Erstmals ist es Forschern am europäischen Teilchenphysik-Zentrum CERN gelungen, einen Blick in das Innere von Antiwasserstoff-Atomen zu werfen. Der spektakuläre Nachweis der Antiwasserstoff-Atome gelang durch ein eindeutiges, störungsfreies Signal. Die Wissenschaftler sind jetzt in der Lage, pro Stunde mehr Antiwasserstoff-Atome zu erzeugen als jemals zuvor nachgewiesen wurden. In einer Veröffentlichung in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Physical Review Letters berichten die Forscher von mehr als 1400 kalten Antiwasserstoff-Atomen.

Wasserstoff ist das einfachste Atom und besteht aus einem Elektron und einem Proton. Der Antimaterie-Partner des Protons ist das Antiproton, der des Elektrons das Positron. Aus diesen Antimaterie-Bausteinen setzt sich das Antiwasserstoff-Atom zusammen. Die elementaren Teilchen und ihre entsprechenden Antiteilchen haben dieselbe Masse und dieselbe Ladung, aber ein entgegengesetztes Ladungsvorzeichen. Wenn ein Teilchen mit seinem Antiteilchen zusammenstößt, vernichten sie sich gegenseitig. Dabei wird die Energie freigesetzt, die der Masse entspricht.

Die gegenwärtig akzeptierte Theorie besagt, dass das Antiwasserstoff-Atom und das gewöhnliche Wasserstoff-Atom identische Eigenschaften haben. Diese Vorhersage wurde allerdings noch nie experimentell überprüft. Neuere Modelle lassen geringe Unterschiede zwischen Antiwasserstoff und Wasserstoff zu. Die Aufklärung dieser wichtigen Frage wird ein zentraler Bestandteil der zukünftigen Untersuchungen sein.

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Im Rahmen der ATRAP-Kollaboration am europäischen Teilchenphysik-Zentrum CERN in der Nähe von Genf arbeiten Wissenschaftler der Harvard-Universität, des Forschungszentrums Jülich, des CERN, des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik sowie der Ludwig-Maximilians-Universität in München und der York-Universität in Toronto in dieser Frage zusammen. Im Lauf des Jahres hat die Kollaboration mehrere Methoden zur Erzeugung von Antiwasserstoff geprüft, um optimale Voraussetzungen für physikalische Untersuchungen dieses Atoms zu schaffen.

Inzwischen können die Forscher pro Stunde nicht nur mehr Antiwasserstoff-Atome erzeugen als jemals zuvor nachgewiesen wurden - es ist ihnen sogar gelungen, erstmals einen flüchtigen Blick in das Innere jener Atome zu werfen, die ganz aus Antimaterie bestehen. Die Temperatur der erzeugten Antiwasserstoff-Atome lag dabei nur wenige Grad über dem absoluten Nullpunkt (minus 273 Grad Celsius).

Diese Temperatur reicht fast aus, um die Antiatome in Magnetfeldern für Präzisionsmessungen genügend lange zu speichern. Die Möglichkeit, viele Antiwasserstoff-Atome zu speichern, wird Laserexperimente erlauben, die winzige Unterschiede zwischen Antiwasserstoff und Wasserstoff offenbaren könnten. Mit solchen Messungen lassen sich grundlegende Theorien prüfen und vielleicht sogar das Rätsel lösen, warum unser Universum ausschließlich aus Materie besteht und nichts auf die Existenz einer Welt aus Antimaterie deutet.

Wie aber gelang es den ATRAP-Forschern die Antiwasserstoff-Atome zu studieren? Die Grundidee ist - wie so oft - recht einfach: Wenn man ein Antiwasserstoff-Atom zwischen die beiden Pole einer Batterie bringt, wird die positive Ladung des Positrons zum negativen Pol gezogen, während die negative Ladung des Antiprotons vom positiven Pol der Batterie angezogen wird. Ist die Batteriespannung groß genug, zerbirst das Atom. Bei hinreichend weitem Abstand von Positron und Antiproton im Antiwasserstoff-Atom genügt eine kleine Spannung, um das Atom auseinander zu reißen.

Sind Positron und Antiproton dagegen näher beieinander, muss eine höhere Spannung angelegt werden, um das Antiwasserstoff-Atom zu zerlegen. Die quantenmechanischen Zustände der Atome unterscheiden sich in dem mittleren Abstand von Antiproton und Positron. Sie verraten dem Physiker wichtige Details über die Struktur des Antiwasserstoffs. Bei welchen elektrischen Feldern werden die Antiwasserstoff-Atome in der Apparatur zerlegt? Die Untersuchung dieser Frage gab den Forschern einen ersten Hinweis auf solche atomaren Zustände.

Indem sie die Antiwasserstoff-Atome in der beschriebenen Weise zerlegen, können die ATRAP-Wissenschaftler Störsignale beim Nachweis der Antiatome vollkommen unterdrücken - eine Methode, die so niemals zuvor angewandt wurde. Bei herkömmlichen Experimenten entstehen typischerweise Störereignisse, die nicht von echten Antiwasserstoff-Signalen unterschieden werden können. Dies erlaubte lediglich eine Abschätzung des Mittelwerts der falschen Ereignisse. Einzelne Signale können nicht "wahr" oder "falsch" zugeordnet werden. In dem jetzt erreichten störungsfreien Nachweis dagegen ist jedes beobachtete Antiwasserstoff-Signal "echt".

Am CERN untersucht neben ATRAP noch ein zweites Experiment die Antiwasserstoff-Atome: ATHENA. Die in beiden Versuchen verwendeten Antiprotonen liefert der "Antiprotonen-Abbremser" (engl. Antiproton Decelerator) am CERN. Die Positronen stammen von einer radioaktiven Quelle mit "ß+-Zerfall". Wie kürzlich in der Zeitschrift Nature berichtet, wurde die Erzeugung von Antiwasserstoff im ATHENA-Experiment dadurch nachgewiesen, dass die produzierten Antiwasserstoff-Atome auf gewöhnliche Materie treffen und ihre Existenz dann durch die gleichzeitige Vernichtung der Bestandteile (Antiprotonen und Positronen) verraten.

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CERN
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