Suche nach dem kleinen Unterschied
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der TU München astronews.com
7. September 2015
Eines der großen Mysterien in der theoretischen Physik ist, dass
es uns überhaupt gibt: Warum verschwand die Antimaterie fast vollständig aus
unserem Universum, die Materie aber nicht? Am Genfer CERN versucht man, hinter
dieses Geheimnis zu kommen. Nun legten Forscher die bisher genaueste Messung der
Eigenschaften von leichten Atomkernen und ihrer Antikerne vor.
Simulation der Kollision von Blei-Ionen bei
ALICE.
Bild: CERN [Großansicht] |
Wie sah das Universum kurz nach seiner Entstehung aus? Mit dieser Frage
beschäftigt sich das Experiment ALICE (A Large Ion Collider Experiment) am CERN
in der Schweiz. Am größten Teilchenbeschleuniger der Welt, dem Large Hadron
Collider (LHC), lassen die Forscher Blei-Ionen bei bislang höchsten
Strahlenergien kollidieren. Dabei entstehen Temperaturen, die 100.000-fach höher
sind als im Zentrum der Sonne.
"Man erzeugt einen Zustand, der dem nach dem Urknall sehr ähnlich ist", erklärt
Laura Fabbietti, Physik-Professorin an der Technischen Universität München.
Dieser Materiezustand, das sogenannte Quark-Gluon-Plasma (QGP,) entstand
vermutlich eine Mikrosekunde nach dem Urknall, zu einem Zeitpunkt, an dem das
Universum sich mit großer Geschwindigkeit ausdehnte. Das im Labor erzeugte
Plasma ist nur für den Bruchteil einer Sekunde stabil, aber die Forscher haben
die Gelegenheit, in dieser kurzen Zeit einen Blick in die Vergangenheit des
Universums zu werfen.
Darüber hinaus hilft das ALICE Experiment den Wissenschaftlern, einem der
größten Rätsel der Menschheit auf den Grund zu gehen. Laut dem CPT-Theorem (charge,
parity, time, auf Deutsch Ladung, Parität, Zeit) besteht in unserem Universum
eine fundamentale Symmetrie zwischen Teilchen und Antiteilchen. Das bedeutet, es
sollte keinen Unterschied geben zwischen unserem Universum und einem, in dem
alle Teilchen durch Antiteilchen ersetzt werden - wenn dabei auch das Universum
in Zeit und Raum gespiegelt wird.
Und doch muss es einen Unterschied geben. Denn beim Urknall hätte theoretisch
gleich viel Materie und Antimaterie entstehen müssen. Treffen die Teilchen und
Antiteilchen aufeinander, vernichten sie sich gegenseitig. Trotzdem ist im
Universum fast nur noch Materie zu finden - es muss also ein Ungleichgewicht
gegeben haben.
Physiker suchen nach einer Verletzung des CPT-Theorems, die helfen würde die
existierende Materie-Antimaterie Asymmetrie zu erklären. "ALICE versucht, durch
hoch präzise Messungen der Eigenschaften von Teilchen und deren Antiteilchen,
die in Teilchenkollisionen am LHC produziert werden, einen Unterschied zu
finden", erklärt Dr. Torsten Dahms, der gemeinsam mit Fabbietti die zwei
experimentellen ALICE-Gruppen an der TU München leitet.
Die Forscher untersuchten in der aktuellen Studie das Verhältnis der Masse zur
Ladung von Helium-3-Kernen sowie Deuterium-Kernen (bei Deuterium handelt es sich
um schweren Wasserstoff) und den jeweiligen Antiteilchen. Ladung und Masse
werden durch die Messung der Teilchenspuren und deren spezifischen
Energieverlust innerhalb eines Gasdetektors namens TPC bestimmt. Die TPC ist
damit das Herz des ALICE Detektorsystems.
Die jetzt in
Nature Physics veröffentlichten Ergebnisse sind die bisher
genauesten Messungen auf diesem Gebiet und bestätigen für den Moment das
CPT-Theorem. Damit die Untersuchungen noch genauer werden können, wird gerade an
Verbesserungen der ALICE-Detektoren gearbeitet. "Im Moment können wir 500
Kollisionen pro Sekunde aufzeichnen", erklärt Fabbietti. "Bald sollen es 50.000
Kollisionen pro Sekunde sein."
Die TUM-Wissenschaftler arbeiten an einem Upgrade der TPC-Auslese, die deutlich
schneller werden soll. Dazu werden unter anderem hochmoderne GEM-Folien (GEM
steht für Gas Electron Multiplier) eingesetzt, die außerdem eine bessere
Ortsauflösung bieten. Die TUM-Forscher leiten innerhalb einer internationalen
Kollaboration das GEM-TPC Upgrade Projekt für ALICE. Die Installation der neuen
Detektoren ist für 2018 geplant.
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