Plasma aus Materie und Antimaterie im Labor
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik astronews.com
4. Mai 2015
Plasma gilt als vierter Zustand der Materie und kommt im
Universum an den unterschiedlichsten Stellen vor. Bei der Entstehung von
Gammablitzen, den sogenannten Gamma-ray Bursts, können beispielsweise
extrem schnelle Jets aus einem Elektron-Positron-Plasma ins All schießen. Jetzt
ist es gelungen, ein solches Plasma auch im Labor herzustellen.
Bei der Entstehung von Gammablitzen können
Jets aus einem Elektron-Positron-Plasma ins All
schießen.
Bild: ESO / A.
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Im täglichen Leben begegnet uns die Materie in drei Zuständen: fest, flüssig,
gasförmig. Hinzu kommt als weitere Form das durch seine Eigenschaften
ausgezeichnete Plasma: Ein insgesamt neutrales aber ionisiertes Gas, das aus
positiven Ionen und freien Elektronen besteht und das auch als vierter Zustand
der Materie bezeichnet wird.
Eine Gruppe von Experimentalphysikern der Queen’s University Belfast
hat jetzt in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung Theoretische Quantendynamik
des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Kernphysik erstmals ein neuartiges
Plasma im Labor hergestellt, das ausschließlich aus Elektronen und ihren
Antiteilchen (Positronen) besteht.
Das Positron ist das Antiteilchen zum Elektron, das mit diesem alle
Eigenschaften gemeinsam hat, bis auf die Ladung mit entgegengesetztem
Vorzeichen. Ultrarelativistische Jets aus einem Elektron-Positron-Plasma - also
Jets, deren Partikel sich fast mit Lichtgeschwindigkeit bewegen - treten in
verschiedenen astrophysikalischen Szenarien unter extremen Bedingungen auf, so
beispielsweise in den Quellen von Gammablitzen oder Gamma-ray Bursts.
Somit stellen sie ein einzigartiges Werkzeug zum Test von bisher unerforschten
Gebieten der Physik dar und bieten zugleich tiefere Einblicke in die
Eigenschaften des frühen Universums.
Die Möglichkeit der Erzeugung dieses speziellen Materiezustands erlaubt die
genaue Untersuchung solcher Phänomene unter kontrollierten Bedingungen. Dieses
Ziel hat nun ein Team von Experimentalphysikern um Dr. Gianluca Sarri und Prof.
Matthew Zepf von der Queen’s University Belfast in intensiver
Zusammenarbeit mit Antonino Di Piazza und Christoph H. Keitel aus der Abteilung
für Theoretische Quantendynamik des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in
Heidelberg erreicht. Das Experiment wurde an der Astra Gemini Laser Facility
des Rutherford Appleton Laboratory im britischen Oxfordshire
durchgeführt.
Ein ultrarelativistischer Elektronenstrahl, erzeugt durch Beschleunigung im
elektromagnetischen "Fahrwasser" eines hochintensiven optischen Laserpulses,
trifft dabei auf ein festes Ziel aus Blei, das sogenannte Target. Die
eingeschossenen Elektronen wechselwirken in komplizierter Weise mit den Kernen
und Elektronen der Bleiatome und erzeugen ein Paket aus ultrarelativistischen
Elektronen und Positronen, das nach dem Austritt aus dem Target auf dessen
Rückseite nachgewiesen werden kann.
Dabei hängt der jeweilige Anteil von Elektronen und Positronen von der Dicke
des Targets ab. Die Dichte des Plasmas erwies sich als ausreichend hoch, um
kollektive Effekte zu zeigen. "Unsere Hauptaufgabe war, die wesentlichen
Mechanismen zur Produktion eines Elektron-Positron-Pakets zu identifizieren,
dessen Bildung und Entwicklung innerhalb des Festkörpertargets möglichst
prägnant und einfach zu beschreiben und so die zugrundeliegende Physik zu
ergründen", sagt Antonino Di Piazza.
Heraus kam ein überraschend simples Modell, das - neben allen möglichen
Wechselwirkungen innerhalb des Targets - nur zwei fundamentale Prozesse der
Quantenelektrodynamik beinhaltet, die beide in Gegenwart der durch die Atomhülle
abgeschirmten elektromagnetischen Felder der Targetkerne auftreten: die
Bremsstrahlung von Elektronen und Positronen und die
Elektron-Positron-Paarerzeugung durch Photonen.
Sowohl analytische als auch numerische Rechnungen stimmen sehr gut mit den
experimentellen Resultaten für die relativen Anteile von Elektronen und
Positronen in dem erzeugten Plasmastrahl überein. Absolute Ausbeuten an
Elektronen und Positronen werden durch das Modell ebenfalls gut vorhergesagt.
Um noch mehr Details der experimentellen Befunde theoretisch zu
reproduzieren, hat Sarri auch den verfügbaren integrierten
Monte-Carlo-Simulationscode für Teilchenphysik FLUKA genutzt. Dieser beinhaltet
unter anderem auch die Wechselwirkung der Elektronen und Positronen
untereinander und mit den Targetatomen sowie Hochenergieprozesse wie die
Erzeugung von Myon-Antimyon-Paaren (den nächst schwereren "Verwandten" von
Elektronen/Positronen unter den Elementarteilchen). Diese Mechanismen reduzieren
die Ausbeute gegenüber dem einfachen analytischen Modell um rund 25 Prozent.
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler jetzt in der Zeitschrift
Nature Communications.
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