Proton und Antiproton genau vermessen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik astronews.com
18. August 2015
Im Urknall entstanden gleiche Mengen an Materie und
Antimaterie, die sich später dann größtenteils wieder auslöschten. Allerdings
blieb - glücklicherweise - ein wenig Materie übrig. Warum dies so ist, versuchen
Teilchenphysiker mit aufwendigen Experimenten herauszufinden. Jetzt haben sie
Proton und Antiproton mit neuer Genauigkeit vermessen.
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Gibt es Unterschiede zwischen Materie und
Antimaterie, die die Existenz des Universums
erklären könnten?
Bild: STScI / NASA |
Dass es unsere Welt gibt, ist alles andere als selbstverständlich. Denn im
Urknall ist genauso viel Materie wie Antimaterie entstanden. Warum nur die
Materie übrig geblieben ist, die sich heute etwa in den Himmelskörpern des
Universums findet, möchten Forscher unter anderem des Heidelberger
Max-Planck-Instituts für Kernphysik in einem japanisch-deutschen
Kooperationsprojekt namens BASE klären. In ihren Experimenten am CERN in der
Schweiz haben die Wissenschaftler nun festgestellt, dass die Massen von Proton
und Antiproton bis auf elf Nachkommastellen identisch sind. Sie setzen damit ein
neues Limit für die Symmetrie zwischen Materie und Antimaterie.
Das Weltbild der Teilchenphysiker ist noch nicht perfekt, und das wissen diese
ganz genau. Doch sie sehen derzeit noch nicht, wie sie die Unzulänglichkeiten
beheben könnten. Zwar kann das Standardmodell der Teilchenphysik die Existenz
aller bekannten Elementarteilchen und viele ihrer Beziehungen untereinander
erklären, manche Beobachtungen aber passen dazu einfach nicht.
So begründet das Standardmodell nicht die Asymmetrie zwischen Materie und
Antimaterie: Obwohl sie zu Beginn des Universums in gleichen Mengen entstanden
sind und sich größtenteils gegenseitig wieder ausgelöscht haben - denn das
geschieht, wenn Materie auf Antimaterie trifft -, ist heute noch reichlich
Materie im Universum vorhanden.
Also wollen Physiker das theoretische Gebäude des Standardmodells so ausbauen
oder gar neu errichten, dass es nicht länger an verschiedenen Stellen wackelt.
Daher suchen sie zunächst nach detaillierten experimentellen Hinweisen auf die
konkreten Schwachstellen, zum Beispiel nach Unterschieden zwischen Materie und
Antimaterie. Genau diese zu finden, ist das Ziel des Projektes namens BASE, kurz
für Baryon Antibaryon Symmetry Experiment. Baryon und Antibaryon nennen
Physiker Teilchen, die sich wie das Proton und Antiproton aus drei
Elementarteilchen, nämlich Quarks beziehungsweise Antiquarks zusammensetzen.
Auf ihrer Suche nach noch so kleinen Differenzen zwischen Materie und
Antimaterie haben die BASE-Forscher nun das Verhältnis von Ladung zu Masse im
Proton und Antiproton gemessen und haben die beiden Teilchen somit gewissermaßen
gewogen. Damit haben sie den Vergleich zwischen Materie und Antimaterie in
diesem System um einen Faktor vier genauer gemacht. "Wir haben festgestellt,
dass das Verhältnis von Ladung zu Masse bis auf 69 Billionstel Bruchteile
identisch ist", sagt Stefan Ulmer, Wissenschaftler am CERN und Sprecher des
BASE-Projektes.
Mit dem Ergebnis bestätigen die Physiker Theorien, denen zufolge es zwischen
Materie und Antimaterie keine Masseunterschiede geben dürfte. Fänden die
Forscher eine Massedifferenz, stellte das nicht nur das Standardmodell infrage,
sondern auch noch grundlegendere Theorien der Teilchenphysik. "Aber die Natur
ist immer für Überraschungen gut", sagt Klaus Blaum, Direktor am
Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg und einer der Partner von BASE.
"Daher müssen wir alle Möglichkeiten nutzen, die Modelle so präzise wie möglich
zu überprüfen."
Um das Proton und das Antiproton so extrem genau zu wiegen, haben sich die
Forscher eine ausgeklügelte Methode einfallen lassen: Sie fangen die geladenen
Teilchen in einer Penningfalle, in der die Partikel durch elektrische und
magnetische Felder festgehalten werden. Das Magnetfeld zwingt die Teilchen dabei
auf eine Kreisbahn, die ein Partikel etwa 30 Millionen Mal pro Sekunde
durchläuft. Zum Vergleich: Auf einem Kettenkarussell brauchen wir fünf bis zehn
Sekunden für einen einzigen Umlauf.
So schnell die geladenen Teilchen auch in der Penningfalle sind, die Zahl ihrer
Umläufe können die Forscher sehr präzise messen. Da die Frequenz ihrer Rotation
vom Verhältnis ihrer Ladung zu ihrer Masse abhängt, lässt sich dieser Wert auf
diese Weise sehr gut bestimmen. Allerdings gibt es bei den Experimenten des
Base-Projektes eine Komplikation, die vielleicht nicht jeder erwartet: "Es ist
heute noch sehr schwierig, eine Spannung auf die elfte Stelle nach dem Komma
genau einzustellen", erklärt Blaum.
Genau das müsste den Forschern aber gelingen, wenn sie das Proton und das
Antiproton in der Penningfalle einzeln schleudern wollten. Dann müssten sie das
elektrische Feld in der Falle mit einer negativen Spannung erzeugen, um das
positiv geladene Proton einzufangen. Das negativ geladene Antiproton müssten sie
entsprechend mit einer positiven Spannung einpferchen, deren Betrag sehr genau
mit dem der zuvor verwendeten negativen Spannung übereinstimmt.
Da es derzeit kaum möglich ist, für beide Teilchen elektrische Felder gleicher
oder zumindest sehr genau bekannter Stärke zu erzeugen, haben sich die Physiker
auch hier einen Kniff einfallen lassen. Sie messen Proton und Antiproton in
einem Experiment mit einem einzigen elektrischen Feld. Dafür müssen sie das
Proton jedoch mit zwei Elektronen versehen und so in ein negativ geladenes
Wasserstoff-Ion verwandeln. Denn nur so lässt es sich wie das ebenfalls negativ
geladene Antiproton mit einer positiven Spannung bändigen.
"Es wäre zwar noch besser, wenn wir am Proton selbst messen könnten“, sagt Blaum.
Die Masse des Elektrons und seine Bindungsenergie seien aber sehr genau bekannt,
sodass sich aus dem Ladungs-Masse-Verhältnis des Wasserstoff-Ions sehr gut der
entsprechende Wert des Protons und dessen Masse ermitteln ließen. "Uns ist auf
diese Weise die weltbeste Messung des Massevergleichs von Proton und Antiproton
gelungen."
Mit ihren Experimenten haben die Forscher im Vergleich zwischen Materie und
Antimaterie also eine neue Stufe erreicht. "Die Forschung mit
Antimaterie-Teilchen hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht",
erklärt Rolf Heuer, Generaldirektor des CERN. "Der Grad an Präzision, den Base
erreicht hat, beeindruckt mich."
Die Fertigkeiten, die sich die BASE-Forscher in ihren bisherigen Messungen
angeeignet haben, wollen sie nun nutzen, um weiter nach Unterschieden zwischen
Materie und Antimaterie zu fahnden. "Sehr vielversprechend, um Differenzen
zwischen Materie und Antimaterie aufzuspüren, sind die magnetischen Momente des
Protons und Antiprotons", so Ulmer. Das magnetische Moment des Protons haben die
Forscher bereits vermessen. Jetzt wollen sie den entsprechenden Wert des
Antiprotons ermitteln. "Wir haben gerade wieder angefangen zu messen", berichtet
Ulmer. So hoffen die Forscher bald brauchbare Hinweise zu finden, warum unsere
Welt existiert.
Über ihre Ergebnisse berichteten die Astronomen in der vergangenen Woche in der Fachzeitschrift
Nature.
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