Reiche Ernte in langer Polarnacht
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
8. Dezember 2021
Die NASA-Gastwissenschaftlerin Jess Bunchek hat im
Antarktisgewächshaus EDEN ISS des DLR eine reichhaltige Ernte eingefahren. Die
Botanikerin sammelte dabei umfangreiche Daten über die Aufzucht von Pflanzen
unter extremen Bedingungen. Die Messungen und Erfahrungen sollen auch mit
NASA-Experimenten zur Pflanzenzucht auf der Internationalen Raumstation ISS
verglichen werden.
Jess Bunchek, NASA-Gastwissenschaftlerin im Gewächshaus EDEN ISS des
Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) nähert sich dem Ende ihrer
Mission in der Antarktis. Bunchek hat fast ein Jahr lang als Mitglied der 41.
Überwinterungsexpedition auf der deutschen Neumayer III-Station gelebt und
gearbeitet, die vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) betrieben wird. Sie hat
extreme Kälte und neun Wochen Polarnacht überstanden. Ohne Erde und mit
künstlichem Licht züchtete sie in dieser Zeit zahlreiche Gemüse- und
Kräutersorten. Das vollständig autarke Gewächshaus lieferte eine reichliche
Ernte für die monatelang isolierte Überwinterungscrew, darunter Brokkoli,
Blumenkohl und Kohlrabi.
Der gemeinsame Testlauf von DLR und NASA zeigt eine Perspektive für frische
Nahrung bei zukünftigen Missionen zu Mond und Mars sowie für klimatisch
anspruchsvolle Regionen auf der Erde. "Noch nie konnten wir mit EDEN ISS so
viele verschiedene Gemüse- und Kräutersorten während einer Überwinterungsmission
züchten", sagt Dr. Daniel Schubert, Leiter des Projekts vom DLR-Institut für
Raumfahrtsysteme. "Jess Bunchek hat hier großes Geschick und großen Einsatz
gezeigt, so dass wir viele neue Sorten ausprobieren konnten, darunter einige der
NASA."
Im Laufe des Jahres hatte Bunchek Erfolg beim Anbau verschiedener Pflanzen
und Früchte, von denen einige auch schon auf der Internationalen Raumstation ISS
gezüchtet wurden, darunter verschieden Senfsorten und Salate. Die "Española
Improved"-Chili-Paprika sorgte im Rahmen von Buncheks Mission in der Antarktis
für Würze und Vitamin C auf dem Speiseplan, ebenso wie unter ganz anderen
Bedingungen an Bord der Internationalen Raumstation ISS im Rahmen des
NASA-Experiments Plant Habitat-04.
Bunchek baute auch Tomaten, Gurken, Bohnen, Erbsen, Blattgemüse,
Brunnenkresse, Rucola, Brokkoli sowie Blumenkohl, Mangold, Spinat, Kohlrabi, Pak
Choi und Radieschen an. Außerdem züchtete sie verschiedene Kräutersorten,
darunter Minze, Basilikum, Petersilie, Schnittlauch, Rosmarin, Thymian und
Oregano. "Ich bin erleichtert, wie gut die Pflanzen bisher gewachsen sind",
freut sich die Botanikerin. "EDEN ISS ist einzigartig und bahnbrechend. Wir
sammeln eine große Menge an Daten über die Leistung und Widerstandsfähigkeit des
Systems, die Gesundheit und Produktion der Pflanzen, deren Umwelt und
Mikrobiologie, zur Lebensmittelsicherheit, Ernährung und Psychologie der
Besatzung sowie über die benötigten Betriebsmittel wie Strom und Wasser ebenso
wie die benötigte Arbeitszeit."
"Wir hoffen sehr, auf Jess' Erfahrungen mit EDEN ISS aufzubauen, um ein
besseres Verständnis zu erlangen, was für den Anbau von frischen Lebensmitteln
auf zukünftigen Missionen zum Mond und Mars erforderlich ist," unterstreicht Ray
Wheeler, Senior-Wissenschaftler am Kennedy Space Center der NASA.
Während Buncheks Aufenthalt gab es einige starke Stürme, darunter einen, der
die stärksten jemals in der Region gemessenen Winde aufwies. Bei starken Stürmen
musste sie in der Station Neumayer III bleiben und konnte nicht nach draußen, um
die 400 Meter zum Gewächshaus zu gehen. An solchen Tagen wurde das Gewächshaus
EDEN ISS vollständig aus dem Kontrollzentrum am DLR-Institut für
Raumfahrtsysteme in Bremen überwacht und gesteuert. "Ähnlich wie in der
Landwirtschaft müssen wir akzeptieren, dass das Wetter und das Klima die
bestimmenden Faktoren sind", sagt Bunchek. "Das ist genau der Grund, warum ich
hier bin, um zu lernen, wie wir Technologien einsetzen können, um unter extremen
Bedingungen nahrhaftes Gemüse gedeihen zu lassen - sei es für eine Besatzung im
Weltraum oder für Gemeinschaften, die mit dem Klimawandel zu kämpfen haben."
Eine der von ihr durchgeführten Studien befasst sich mit der psychologischen
Wirkung von frischem Obst und Gemüse und der Möglichkeit, Pflanzen anschauen und
anfassen zu können. Die NASA-Astronauten auf der Internationalen Raumstation ISS
haben bereits ähnliche Umfragen unter der Besatzung durchgeführt und mehrere
Studien zum Anbau von Pflanzen in der Veggie-Einheit für Gemüsezucht absolviert.
"Wir werden nun in der Lage sein, die Eindrücke der Astronauten auf der
Raumstation, die mit Veggie und dem Advanced Plant Habitat arbeiten, mit den
Eindrücken der überwinternden Besatzungsmitglieder der Neumayer Station III zu
vergleichen, die mit dem EDEN-Gewächshaus interagieren", so Bunchek. "Mit einer
kleinen Überwinterungsbesatzung und einer langen Isolationszeit ist Neumayer III
ein großartiges Analog-Umfeld zum Weltraum für diese Art von Studien."
Dr. Tim Heitland, ehemaliger Neumayer-Überwinterer sowie Stationsleiter und
heute medizinischer Koordinator am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum
für Polar- und Meeresforschung (AWI) ergänzt: "Extreme Kälte, wütende Stürme und
die Polarnacht: Die Antarktis ist einer der faszinierendsten Lebensräume auf
unserem Planeten. Gleichzeitig ist sie das ideale Testgebiet für den Gemüseanbau
unter weltraumähnlichen Bedingungen. Wie viele andere wissenschaftliche Projekte
profitiert EDEN ISS von den Ressourcen der Station, und auf der anderen Seite
sind die Überwinterungsteams nach wie vor begeistert von der regelmäßigen
Versorgung mit frischem Gemüse."
Bei der Zusammenarbeit mit den Forscherinnen und Forschern aus Deutschland
hat Bunchek festgestellt, dass die Unterschiede zwischen den Generationen größer
sind als zwischen den Herkunftsländern. "Ich habe viel von meinen Kameraden
gelernt, und ich hoffe, dass sie eine wichtige Lebensweisheit von mir gelernt
haben: die unendlichen Essenskombinationen mit Erdnussbutter."
Anfang 2022 wird Jess Bunchek die Antarktis verlassen und nach rund 14
Monaten in die Zivilisation zurückkehren. Als sie nach der Polarnacht zum ersten
Mal die Sonne sah, war sie sprachlos. "Es wird verrückt sein, selbst die
grundlegendsten Bedingungen wie Regen, Gewitter, Felsen, Erde – und die Nacht –
neu zu erfahren und zu erleben, denn mittlerweile befinden wir uns hier in der
Antarktis im nicht endenden 'Polartag'."
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