Neue Ideen für Gewächshäuser im All
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
26. August 2019
Mit dem Gewächshaus EDEN-ISS haben Wissenschaftler über
mehrere Monate lang den Anbau von Gemüse in der Antarktis getestet. Das
Gewächshaus sorgte für eine willkommene Ergänzung des Speiseplans auf der
Antarktisstation Neumayer III. Nun soll das Konzept auch im All ausprobiert
werden. Die NASA hat derweil Samen in die Antarktis geschickt.

Die Wissenschaftler des EDEN-ISS-Projekts
haben als Ergebnis ihrer Forschungen ein neues
Designkonzept für ein Weltraumgewächshaus
entworfen. Dieses Gewächshaus ist für einen Start
mit einer Falcon 9-Rakete konzipiert und
entfaltbar, um mit ausreichend Raum auf Mond und
Mars Nahrung für die Astronauten bereitzustellen.
Die Anbaufläche beträgt rund 30 Quadratmeter.
Bild: LIQUIFER Systems Group[Großansicht] |
Die Nahrungsmittelproduktion der Zukunft in Wüsten und kalten Regionen sowie
unter den lebensfeindlichen Bedingungen von Raumfahrtmissionen zum Mond oder
Mars ist Forschungsantrieb für das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt
(DLR) geleitete Antarktis-Gewächshaus-Projekt EDEN-ISS. Ein Jahr verbrachte
DLR-Wissenschaftler Paul Zabel im ewigen Eis mit der Gemüsezucht ohne Erde und
unter künstlichem Licht. Dabei war er Teil der Überwinterungscrew der vom
Alfred-Wegener-Institut (AWI) betriebenen Antarktisstation Neumayer III. Die
Crew erprobte den Anbau unter für Pflanzen und Menschen lebensfeindlichen
Bedingungen.
Am vergangenen Freitag hat das EDEN-ISS-Team nun die Ergebnisse des Projekts
präsentiert. Die Forscher waren erstaunt, dass sie mit deutlich weniger Energie
auskamen und eine so umfangreiche Ernte einfuhren, die zudem sichtbar das
Wohlbefinden und die Stimmung des Überwinterungsteams stärkte. Der
Arbeitsaufwand für Betreuung und Wartung müssen aber noch deutlich gesenkt
werden, um zukünftig wertvolle Astronautenzeit zu sparen. Der Betrieb des
Antarktisgewächshauses geht derzeit weiter und ist offen für Forschungsgruppen
weltweit.
Aus den Ergebnissen und Erfahrungen des EDEN-ISS-Projekts ist ein neues
Gewächshauskonzept für Mond und Mars entstanden: Entfaltbar und kompakt für den
Start mit einer Falcon-9-Rakete. "Für zukünftige astronautische
Langzeitmissionen müssen Nahrungsmittel vor Ort angebaut werden. EDEN-ISS hat
die Machbarkeit eines Weltraumgewächshauses in der Antarktis bewiesen und damit
gezeigt, dass diese Technik auch für die Nahrungsmittelproduktion auf Mond und
Mars eingesetzt werden kann", sagt Prof. Hansjörg Dittus, DLR-Vorstand für
Raumfahrtforschung und -technologie. "Das jetzt vorgestellte Konzept für ein
Weltraumgewächshaus ist eine wertvolle Grundlage, auf der wir weitere
Forschungsarbeit aufbauen wollen."
"In einem Jahr Antarktis mit unserem Gewächshaus haben wir sehr anschaulich
gesehen, wie sich auf kleinstem Raum genug Nahrung generieren lässt, um die
Verpflegung einer sechsköpfige Crew mit einem Drittel frisch angebauter
Lebensmittel zu kombinieren", sagt EDEN-ISS-Projektleiter Dr. Daniel Schubert
vom DLR-Institut für Raumfahrtsysteme. Das sei eine sinnvolle Ergänzung der
Grundnahrungsmittel, die von der Erde mitgebracht werden.
"Insgesamt haben wir in neuneinhalb Monaten 268 Kilogramm Nahrung auf nur
12,5 Quadratmetern produziert, dabei unter anderem 67 Kilogramm Gurken, 117
Kilogramm Salat und 50 Kilogramm Tomaten", resümiert DLR-Überwinterer Dr. Paul
Zabel. "Der Geschmack des frischen Gemüses und dessen Geruch haben einen
bleibenden Eindruck bei der Überwinterungscrew hinterlassen und sich sichtbar
positiv auf die Stimmung im Team über die lange Zeit der Isolation ausgewirkt".
Ein Zusammenhang, der auch psychologisch erforscht wird.
Die Leistungsaufnahme des Gewächshauses während der antarktischen
Analogmission betrug im Durchschnitt 0,8 Kilowatt pro Quadratmeter Anbaufläche
und war damit weniger als halb so groß wie bisher für Weltraumgewächshäuser mit
2,1 Kilowatt pro Quadratmeter angenommen. "Dies ist ein wichtiger Aspekt für
einen späteren Weltraumbetrieb und lässt uns zuversichtlich in die Zukunft
dieser Idee schauen", so Projektleiter Schubert.
Drei bis vier Stunden benötigte Zabel durchschnittlich pro Tag für den Anbau
der Pflanzen: "Etwa zwei Drittel der Zeit war ich mit Betrieb und Wartung der
Gewächshaustechnik beschäftigt, ein weiteres Drittel benötigte ich für Aussaat,
Ernte und Pflege. Für ein zukünftiges Weltraumgewächshaus muss der Aufwand
wertvoller Astronautenzeit noch deutlich reduziert werden." Hinzu kam die für
Experimente benötigte Zeit von ungefähr vier bis fünf Stunden pro Tag. Das
aeroponische Anbausystem, sprich mit Nährlösung ohne Erde, ließ die Pflanzen gut
gedeihen. Einige Pumpen bereiteten zwischenzeitlich Schwierigkeiten und die
Biofilme in den Nährstofftanks waren unerwartet stark, was aber behoben werden
konnte.
Als Ergebnis haben die Wissenschaftler des EDEN-ISS-Projekts nun ein neues
Designkonzept für ein Weltraumgewächshaus entworfen. Dieses Gewächshaus ist für
einen Start mit einer Falcon 9-Rakete konzipiert und entfaltbar, um mit
ausreichend Raum auf Mond und Mars Nahrung für die Astronauten bereitzustellen.
"Die Anbaufläche beträgt rund 30 Quadratmeter und ist damit fast dreimal so groß
wie im Antarktis-Gewächshauscontainer. Mit diesem System lassen sich rund 90
Kilogramm frische Nahrung pro Monat züchten, was bei einer Präsenz von sechs
Astronauten einem halben Kilogramm Frischgemüse pro Tag und Astronaut
entspricht", erklärt Schubert.
Das Konzept kann darüber hinaus mit einem Biofilter-System verbunden werden.
Sein Zweck ist es, aus Bioabfällen und Urin eine direkt zu verwendende
Düngemittellösung zur Pflanzenzucht herzustellen. Damit wird das
Gewächshauskonzept zu einem fast vollständigen bio-regenerativen
Lebenserhaltungssystem für zukünftige Habitate. Das Konzept ist die Grundlage
für weitere Forschungsarbeiten.
Nach der Rückkehr Paul Zabels nach Deutschland, lag das Antarktis-Gewächshaus
zunächst im "Schlafmodus", nachdem das DLR-Team vor Ort alle Systeme im Januar
2019 gewartet hatte und der Container komplett überholt wurde. Anfang Mai
weckten die Bremer Forscher dann das System ferngesteuert aus seinem Schlaf und
ließen es hochfahren. Eine zuvor eingebrachte Aussaat begann zu gedeihen.
"Dieser Schritt diente der Erprobung eines weiteren Raumfahrtszenarios. Denn
ein potenzielles Gewächshaus wird voraussichtlich bereits vor den Astronauten
eintreffen und idealerweise bereits ferngesteuert seinen Betrieb aufnehmen",
erläutert DLR-Forscher Schubert. "Der Probelauf war ein voller Erfolg. Nun
betreibt die aktuelle AWI-Überwinterungscrew das Gewächshaus weiter, mit
kräftiger Unterstützung aus dem Bremer Kontrollzentrum, von wo aus wir so viel
wie möglich aus der Ferne überwachen. Für einen minimalen Aufwand der Crew mit
möglichst einfachen Abläufen bewähren sich derzeit die im vergangenen Jahr
entwickelten Prozeduren."
Mittlerweile steht das EDEN-ISS-Gewächshaus auch anderen Forschungsgruppen
weltweit offen, die in der Antarktis Pflanzenzucht-Experimente durchführen
möchten. "Als einer der ersten neuen Kooperationspartner hat bereits die
amerikanische Weltraumagentur NASA original NASA-Salatsamen geschickt, wie sie
auch auf der Internationalen Raumstation ISS kultiviert werden und nun bei uns
in der Antarktis gedeihen", ergänzt Schubert.
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